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Behinderung / chronische Krankheiten

In Deutschland lebt rund jeder sechste Mensch mit einer Schwerbehinderung
oder einer chronischen Krankheit.

Dieser Artikel steht in alternativen Fassungen zur Verfügung:

Leider gehören Barrieren und Benachteiligungen in allen Lebensbereichen noch immer zum Alltag von Menschen mit Behinderungen.

So behindern im öffentlichen Raum oder im Personenverkehr vielerorts bauliche Barrieren die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe. Aber auch bei der digitalen und kommunikativen Teilhabe stehen viele Menschen vor Barrieren: Fehlende Vorlesefunktionen oder mangelhafte Kontaktmöglichkeiten für die Buchung von Dienstleistungen oder bei der Kommunikation mit Dienstleistern benachteiligen zum Beispiel blinde oder gehörlose Menschen.

Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes melden Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich häufig Diskriminierungserfahrungen im Bereich der Gesundheitsversorgung sowie beim Zugang zu Kindertageseinrichtungen und zu Schulen sowie im Kontext der Justiz.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung aufgrund einer Behinderung bei Alltagsgeschäften und im Berufsleben. Erkrankungen sind vom Schutz des AGG dann erfasst, wenn sie chronisch sind und damit langfristig den Alltag der betroffenen Personen beeinflussen und die gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigen, also beispielsweise schwere Neurodermitis oder HIV-Infektionen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes setzt sich für den kontinuierlichen Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderungen ein. Der Anspruch auf angemessenen Vorkehrungen zum Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderung sollte deshalb im AGG verankert werden, um Diskriminierungen vorzubeugen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt verschiedene rechtliche und sozialwissenschaftliche Informationen sowie praxisorientierte Hinweise zur Verfügung.

FAQs zum Thema Behinderung

Dieser Beitrag steht Ihnen auch in DGS zur Verfügung.

Fragen und Antworten

  • Fast jeder vierte Mensch in Deutschland hat eine amtlich anerkannte Schwerbehinderung oder lebt mit einer chronischen Krankheit, die im Alltag seit längerer Zeit zu erheblichen Einschränkungen führt. Statistisch genau erfasst werden nur Menschen mit einer amtlich anerkannten Schwerbehinderung. Ende 2021 waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 7,8 Millionen Menschen, das heißt 9,4 Prozent der gesamten Bevölkerung. Dies sind aber nur Personen, denen von den Versorgungsämtern ein Grad der Behinderung von 50 und mehr zuerkannt wurde. 90 % der schweren Behinderungen wurden durch eine Krankheit verursacht, rund 3 % der Behinderungen waren angeboren oder traten im ersten Lebensjahr auf. Nur knapp 1 % der Behinderungen waren auf einen Unfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen.

    Daneben leben viele Menschen mit einer chronischen Krankheit, etwa HIV, Diabetes oder Multipler Sklerose. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen gaben im Jahr 2021 demnach rund 45 Prozent der Befragten an, eine oder mehrere lang andauernde Erkrankungen zu haben, die regelmäßig behandelt werden muss bzw. müssen. Zu chronischen Erkrankungen gehören auch psychische Erkrankungen. Diese werden oft nicht berücksichtigt, obwohl es sich dabei genauso um Behinderungen handeln kann.

  • Das Sozialrecht spricht von Menschen mit Behinderungen, wenn die körperliche, seelische oder geistige Verfassung eines Menschen oder sein Sinneszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, sodass eine Person in Wechselwirkung mit bestehenden Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate gehindert sein könnte (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Der Grad der Behinderung (GdB) wird anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vom Versorgungsamt festgelegt. Eine Schwerbehinderung besteht ab einem GdB von 50.

  • Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch die Möglichkeit erhalten soll, sich umfassend und gleichberechtigt an der Gesellschaft zu beteiligen. Die Teilhabe darf nicht von Faktoren wie individuellen Fähigkeiten, ethnischer Herkunft, Geschlecht oder Alter abhängen. Vielfalt wird als normal vorausgesetzt. Daher müssen Strukturen geschaffen werden, durch die sich alle Menschen unabhängig von unterschiedlichen Voraussetzungen einbringen können.

    Als politischer Begriff kam Inklusion erstmals in den 70er Jahren in den USA durch eine Bürgerrechtsbewegung auf. Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen forderten die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Seit der UNESCO-Weltkonferenz 1994 wird Inklusion weltweit vor allem im Bildungsbereich thematisiert. Dort wurde von den Teilnehmenden das Programm einer „Schule für alle“ und Inklusion als wichtigstes Ziel der internationalen Bildungspolitik beschlossen.

    Die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006 markierte international einen Wandel, aber gewissermaßen auch einen Konflikt. Zuvor dominierten Fürsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen in Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Diese Maßnahmen wurden nun in Frage gestellt und teilweise durch das Ziel der Inklusion und der Förderung selbstbestimmter Teilhabe ersetzt. Es gilt nun, dieses Ziel in die Praxis umzusetzen und bestehende Infrastrukturen der Fürsorge und Rehabilitation umzuorientieren.

  • Verbände und der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung sprechen von historisch gewachsenen und verfestigten „Sonderwelten“, zu denen Sonderschulen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen gehören.

    Der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zufolge sollen Kinder mit Behinderungen grundsätzlich an Regelschulen unterrichtet werden. Dies ist in Deutschland noch lange nicht der Fall – auch gut zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-BRK nicht. Nur 39,3 Prozent der Schüler*innen mit Förderbedarf besuchten im Schuljahr 2016/17 eine Regelgrundschule. (https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/hintergrund/zahlen-daten-und-fakten/inklusion-schule.html)

    Deutschland liegt mit einer Förderquote von 7,1 Prozent im Schuljahr 2016/17 im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Es gibt zusätzlich große Unterschiede zwischen den Bundesländern in der Umsetzung. Außerdem nimmt der Grad der Inklusion mit dem Alter der Schüler*innen deutlich ab. Beispielsweise in Nordrhein-Westfalen verfolgen rund sieben von zehn Kitas einen inklusiven Ansatz. Hingegen tun dies nur fünf von zehn Grundschulen und drei von zehn Schulen der Sekundarstufe.

    Die Umsetzung der Inklusion im Bildungsbereich liegt in der Hand der Bundesländer und viele arbeiten bereits auf ein Ende der Sonderschulen hin. Verbände werben massiv für eine bessere Durchlässigkeit hin zu Regelschulen. Damit kann auch die spätere Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt befördert werden. Doch dieser Weg ist nicht unumstritten: Manche Eltern fürchten, dass ihre Kinder in einer Regelschule vor allem als Menschen mit Defiziten angesehen werden, während sie in einer Sonderschule ein stärkeres Selbstbewusstsein entwickeln könnten. Auch sind längst nicht alle Schulen barrierefrei.

  • Menschen mit Behinderungen sind auf dem Arbeitsmarkt deutlich unterrepräsentiert. Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren 69 % der behinderten Menschen im Alter von 25 bis 44 Jahren im Jahr 2019 erwerbstätig oder suchten nach einer Tätigkeit. Bei den gleichaltrigen Personen ohne Behinderungen waren es 88 %. Behinderte Menschen zwischen 25 und 44 Jahren waren häufiger erwerbslos als Personen ohne Behinderungen derselben Altersgruppe. Die Erwerbslosenquote unter Menschen mit Behinderungen betrug 5 %, die entsprechende Quote bei den Personen ohne Behinderungen lag bei 3 %.

    Viele Menschen gelangen nach dem Abschluss einer Förderschule automatisch in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Von dort in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln, ist fast unmöglich: Dies gelingt nur etwa 0,32 Prozent aller Schüler*innen. Heute arbeiten laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderung über 312.000 Menschen dort. Und während sich andere Länder, wie z.B. die USA, bemühen, die Zahl der Arbeitnehmer*innen in Werkstätten zu reduzieren, wächst diese in Deutschland weiter.

    Die soziale Absicherung in den Werkstätten ist oft deutlich besser als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt: Die Arbeitsplätze sind sicherer, es gibt einen eigenen Fahrdienst und nach 20 Jahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zunehmend werden Werkstätten aber kritisch gesehen. So wird beispielsweise der sehr niedrige Stundenlohn bemängelt und dass die Aussichtslosigkeit, von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln, das genaue Gegenteil des Inklusionsgedankens darstellt. Laut Statistischem Bundesamt waren 30 Prozent der Menschen mit Behinderung im Jahr 2017 in den Arbeitsmarkt integriert. Der Anteil bei Menschen ohne Behinderung lag hingegen bei 65 Prozent. Unterschiede zeigen sich beispielsweise im Vergleich nach Altersgruppen: So standen 70 % der 25- bis 44-jährigen Menschen mit Behinderung im Berufsleben oder suchten nach einer Tätigkeit, bei den gleichaltrigen Menschen ohne Behinderung waren es 88 %. Menschen mit Behinderung zwischen 25 und 44 Jahren waren auch häufiger erwerbslos: Während ihre Erwerbslosenquote 6 % betrug, lag diese bei den Menschen ohne Behinderung bei 4 %.

    Dem Thema widmet sich auch die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte Studie „Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“.

     

  • Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitenden sind gemäß Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) grundsätzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit amtlich anerkannter Schwerbehinderung zu vergeben. Anderenfalls müssen sie Ausgleichszahlungen leisten.

    In Deutschland gibt es 168.693 beschäftigungspflichtige Betriebe und Unternehmen, von denen im Jahr 2018 102.529 eine Ausgleichsabgabe zahlen mussten. Laut der Bundesagentur für Arbeit hat nur ungefähr ein Drittel der Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden die Beschäftigungspflicht erfüllt.

    Öffentliche Arbeitgeber sind beispielsweise nach § 165 S. 3 SGB IX auch dazu verpflichtet, Personen mit einer Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht entfällt aber, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

  • Im Jahr 2021 gingen 32 Prozent aller Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema Diskriminierung wegen einer Behinderung ein. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat in einer Umfrage Menschen mit einer Schwerbehinderung gefragt, in welchen Lebensbereichen sie sich benachteiligt fühlen. 26 % nannten darauf die Fortbewegung im Alltag, 24 % das Berufsleben und 23 % Versicherungstarife und -prämien. 22 % sahen sich bei der Freizeitgestaltung benachteiligt oder ausgegrenzt, 17 % bei Ämtern oder Behörden.

    Besonders beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen stoßen Menschen mit Behinderung auf Barrieren. An die Beratung der Antidiskriminierungsstelle haben sich Menschen gewandt, die von Barrieren, wie Stufen vor Restaurants oder fehlenden Aufzügen an U-Bahn-Stationen berichteten. Aber auch Online-Anmeldeformulare ohne Vorlesefunktion oder Filme und Videos ohne Untertitel behindern die Teilhabe.

  • Niemand darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden. Das steht in Artikel 3 Satz 2 des Grundgesetzes, dass das Verhältnis zwischen Bürger*innen und dem Staat regelt. Das Allgemeine Gleichebhandlungsgesetz verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei Rechtsgeschäften des täglichen Lebens aufgrund einer Behinderung, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Identität.

    Nachteilsausgleiche sind vor allem im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) verankert. Sie haben das Ziel, die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) von 2017 stellt eine Reformierung des SGB IX dar und ist an die UN-Behindertenrechtskonvention angelehnt. Seit Mai 2002 gilt außerdem das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG). Das Gesetz gilt in erster Linie für Behörden, Körperschaften und Anstalten des Bundes. Es stärkt zudem Verbände bei der Durchsetzung der Interessen von Menschen mit Behinderungen gegenüber Unternehmen und Unternehmensverbänden. In sämtlichen Bundesländern gibt es entsprechende Landesgleichstellungsgesetze, die im Wesentlichen mit dem BGG übereinstimmen.

    Wer sich durch eine öffentliche Stelle des Bundes aufgrund einer Behinderung im Recht auf Barrierefreiheit verletzt oder an der gleichberechtigten Teilhabe gehindert sieht, kann sich an die
    Schlichtungsstelle BGG des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung wenden und einen Schlichtungsantrag stellen. Das kostenlose Schlichtungsverfahren zielt darauf ab, eine außergerichtliche Lösung zu erzielen.

    Mit dem Thema außergerichtliche Schlichtungsverfahren befasst sich auch die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte Studie „Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung des Diskriminierungsschutzes bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse. Bestandsaufnahme, Alternativen und Weiterentwicklung“.

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Allerdings gibt es keine grundsätzliche Verpflichtung von privaten Unternehmen, den Zugang zu Dienstleistungen und Gütern barrierefrei zu gestalten. Das heißt, ein Restaurant mit einer Treppe vor dem Eingang muss vom Betreibenden nicht mit einer Rampe oder einem Aufzug ausgestattet werden. Die Europäische Kommission hat bereits 2008 einen Entwurf für die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie der EU vorgelegt. Sie soll unter anderem Benachteiligungen im Zivilrecht mit Blick auf Barrierefreiheit abbauen. Der Entwurf sieht im Einzelfall sogar einen Anspruch auf die Beseitigung konkreter Barrieren vor. Verhandlungen über diesen Entwurf werden bislang von einer Reihe von Mitgliedstaaten im Europarat blockiert. Neben Deutschland haben Polen, Tschechien, Dänemark und Großbritannien Vorbehalte eingelegt.

    Der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit trat 2019 in Kraft. Die EU Richtlinie soll einen barrierefreien Zugang zu bestimmten Dienstleistungen stärken: zum Beispiel Geld- und Fahrkartenautomaten, Smartphones und Computer sowie Bankdienstleistungen und Telefondienste. In Deutschland wurde der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit Mitte 2021 in das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. Seine Anforderungen gelten aber grundsätzlich für Produkte und Dienstleistungen, die ab Mitte 2025 in den Verkehr gebracht bzw. erbracht werden.

  • Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ( BGG), das im Jahr 2002 in Kraft getreten ist, wird Barrierefreiheit wie folgt geregelt: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig. Das BGG wurde 2016 mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts wesentlich reformiert, insbesondere um die UN-BRK umzusetzen.

    Konkretisiert wird diese Verordnung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze aus dem Sommer 2021: "Barrierefreiheit bedeutet, dass Produkte und Dienstleitungen für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind, um ihr Recht auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu stärken."

    Weitere Informationen rund um das Thema Barrierefreiheit finden Sie auf der Webseite des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen.

  • Barrierefreiheit bezieht sich auf alle von Menschen gestalteten Lebensbereiche. Nicht erfasst davon sind natürliche Umgebungen wie Wälder oder Sandstrände. Sobald Menschen gestaltend eingreifen, kann für Barrierefreiheit gesorgt werden, beispielsweise mithilfe eines Waldweges oder eines Bootssteges.

    Der Begriff der Barrierefreiheit stammt ursprünglich aus dem Bauwesen und wird nun in allen Lebensbereichen verwendet. Es geht nicht mehr nur darum, bauliche Barrieren zu beseitigen. Zu einer uneingeschränkten und selbstständigen Teilhabe gehört die Nutzung aller Gebäude, Wege, Geldautomaten, Handys und Internetseiten.

    Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit berichtet, dass knapp die Hälfte aller an sie gerichteten Anfragen (47 %) Informationstechnik betreffen. Anfragen zu Gebäuden kommen an zweiter Stelle (22 %). Daneben werden Sprache, Verkehrsmittel, Freiraum, Medien, Produkte, Straßen und Verkehrswege, Orientierungssysteme und Schrift aufgeführt.

    Weitere Informationen rund um das Thema Barrierefreiheit finden Sie auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

Neben den amtlich anerkannten Behinderungen leben 15 Prozent der Bundesbürger*innen mit einer chronischen Krankheit, etwa HIV, Diabetes oder Multipler Sklerose, die sie bereits seit längerer Zeit in ihrer Teilnahme am täglichen Leben beeinträchtigt. Auch psychische Erkrankungen werden oft nicht mitbedacht, wenn es um Behinderung geht.

FAQs zu chronischen Krankheiten

Fragen und Antworten

  • Chronische Krankheiten sind z.B. HIV, Migräne, Diabetes mellitus, Asthma, chronische Atemwegs- oder koronare Herzkrankheiten. In einer Befragung aus dem Jahr 2019 gaben 46 Prozent der Befragten an, dass sie mit einer chronischen Krankheit leben. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/707617/umfrage/umfrage-zur-verbreitung-von-chronischen-krankheiten-in-deutschland/)

    Dem Bundesministerium für Gesundheit zufolge hat eine Person eine schwerwiegende chronische Erkrankung, wenn sie mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit über mindestens ein Jahr lang nachweisen kann und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt:

    • Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 3, 4 oder 5
    • Grad der Behinderung beziehungsweise eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 %
    • kontinuierliche medizinische Versorgung erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die von der Krankheit verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen können chronische Krankheiten als eine Behinderung anerkannt werden. Das geht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Aktenzeichen C-335/11 und C-337/11) aus dem Jahr 2013 zurück und soll die Betroffenen vor Diskriminierungen wegen ihres Gesundheitszustands schützen. In seiner Einschätzung kam das Gericht zu dem Schluss, dass „… eine heilbare oder unheilbare Krankheit unter den Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf fallen kann, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist ... Dagegen fällt eine Krankheit, die keine solche Einschränkung mit sich bringt, nicht unter den Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78.“ (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A62011CJ0335)

    Dies belegt auch die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte Studie „Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit“.

    Wichtig ist hier die Verschränkung der physischen, psychischen oder geistigen Einschränkung mit den Barrieren am Arbeitsplatz, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmenden, behindern.

  • Chronische Krankheiten sind unveränderbare Persönlichkeitsmerkmale, unterliegen dem Schutz des AGG aber nur dann, wenn sie auch als Behinderung gelten. Die Krankheit als solches ist kein Diskriminierungsgrund nach dem AGG. Dies belegt auch die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichte Studie "Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit".

    Die derzeitige Rechtsprechung tut sich schwer mit einer eindeutigen Regelung und nachvollziehbaren Abgrenzung zwischen chronischer Krankheit und Behinderung. Chronische Krankheiten sind nicht ausdrücklich als Bestandteil des Behinderungsbegriffs gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz und § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anerkannt. Sie unterliegen dem Schutz des AGG nur dann, wenn sie auch als Behinderung gelten, also wenn die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.

    Das Bundesarbeitsgericht fällte Ende 2013 ein Urteil, dass die Betrachtung chronischer Krankheiten entscheidend veränderte und die Rechte von Betroffenen stärkte. Ein Mann klagte, nachdem er aufgrund seiner HIV widerrechtlich entlassen wurde. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass eine symptomlos verlaufende HIV-Infektion unter den Behinderungsbegriff des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu fassen ist. Das Gericht legte ein dynamischeres Verständnis des Behinderungsbegriffes zugrunde, das auch die Umwelt der betroffenen Person betrachtet. Demnach muss die Teilhabe an der Gesellschaft, zu der auch das Arbeitsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein, wie auch die Definition des Sozialgesetzbuches vorsieht. Entscheidend ist, dass sich eine solche Beeinträchtigung auch in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren, wie gesellschaftlichen Einstellungen und Barrieren, ergeben. Eine Behinderung kann sich also insbesondere auch daraus ergeben, dass andere Menschen durch Stigmatisierung oder Vermeidungsverhalten die Teilhabe an der Gesellschaft erst verhindern.

  • Die Expertise „Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit“ im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge findet Diskriminierung vor allem im Arbeitsleben und bei Versicherungsdienstleistungen statt. Vor allem sind Menschen mit einer visuell wahrnehmbaren chronischen Erkrankung und/oder einer Erkrankung mit einem Stigma von Benachteiligungen betroffen. Am häufigsten wird von Benachteiligungs- und Diskriminierungsvorfällen von Menschen mit HIV/AIDS oder Adipositas berichtet. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung HIV-positiver Personen ermöglicht ihnen heute größtenteils eine vollwertige Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Trotzdem erfahren HIV-positive Menschen Ausschlüsse aufgrund von Stigma und Ablehnung.

    Im Arbeitsleben manifestiert sich Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit in allen Phasen eines Arbeitsverhältnisses – im Bewerbungsverfahren, bei Vertragsschluss, während der Anstellung und im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. So werden chronische Erkrankungen oft bei Bewerbungen und im Beschäftigungsverhältnis aus Angst vor negativen Konsequenzen wie Nicht-Einstellung oder Kündigung verschwiegen. Eine 2012 veröffentlichte Studie der Deutschen AIDS-Hilfe ergab, dass 26 Prozent der Arbeitgeber diskriminierend auf das Bekanntwerden einer HIV-Infektion reagierten.

    Menschen mit chronischen Erkrankungen müssen zumeist deutlich höhere Versicherungsprämien zahlen, mitunter wird der Abschluss einer privaten Alters-, Kranken- oder Todesfallversicherung auch abgelehnt. Benachteiligungen gelten insbesondere für Lebens-, Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Krankenversicherungen.

    Aufgrund der im privaten Versicherungsvertragsgesetz geltenden Vertragsfreiheit sind Versicherungsunternehmen je nach Ergebnis einer Risikokalkulation grundsätzlich frei, den Abschluss eines Versicherungsvertrags zu verweigern oder ihn zu vergleichsweise schlechteren Bedingungen (z. B. höheren Prämien) zu vereinbaren. Gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 AGG sind Benachteiligungen bei Prämien oder Leistungen zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhen, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.

  • Die Antidiskriminierungsstelle tritt für einen umfassenden Diskriminierungsschutz für Menschen mit chronischen Krankheiten ein. Die fehlende Rechtssicherheit in Diskriminierungsfällen und eine unklare Definition chronischer Krankheiten erschwert den Schutz Betroffener erheblich.

    Das Antidiskriminierungsrecht sollte klarstellen, dass der Behinderungsbegriff bestimmte Krankheiten umfassen kann, wenn sie Einschränkungen von wahrscheinlich langer Dauer mit sich bringen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies für eine symptomlose HIV-Infektion angenommen und angedeutet, dass gleiches auch für Diabetes mellitus, Arthrose oder Rheuma gelten könne.

    Ein Schutz vor Diskriminierung aufgrund chronischer Krankheiten sollte in § 1 AGG ausdrücklich festgehalten werden. Durch eine Novellierung des AGG soll Rechtssicherheit hergestellt werden, indem „chronische Krankheit“ neben „Behinderung“ vom AGG erfasst wird.

    Weitere Ausführungen zum Handlungsbedarf finden sich in der Evaluation zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Von Beginn 2017 bis Ende 2020 haben sich mehr als 5.200 Personen an uns gewandt, weil sie in Beruf oder Alltag Diskriminierung wegen ihrer Behinderung oder einer chronischen Krankheit erfahren haben. Wir haben Ihnen hier aktuelle Fälle aus unserer Beratung zusammengestellt.

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