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Diskriminierung im Gesundheitswesen: Betroffene beklagen fehlende Anlaufstellen 22.04.2024

Studie belegt: Wer im Krankenhaus, einer Arztpraxis oder bei Therapien Diskriminierung erlebt, findet selten eine Anlaufstelle, die auf das Thema vorbereitet ist.

Ferda Ataman übergibt Studie "Diagnose Diskriminierung" an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach

Quelle:Thomas Ecke/BMG

  • Ataman: Beschwerdemöglichkeiten bei Diskriminierungen im Gesundheitswesen müssen professioneller und übersichtlicher werden.

Wer Diskriminierung im Gesundheitswesen erlebt, ist in Deutschland oft auf sich allein gestellt. Das belegt erstmals die Studie „Diagnose Diskriminierung. Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten bei Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen“ im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat sie heute an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach übergeben. 

„Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es Diskriminierung. Im Gesundheitswesen wurde dieses Thema viel zu lange übersehen. Wenn sich Menschen gegen Diskriminierung wehren wollen, finden sie oft keine Ansprechperson und bekommen keine Hilfe. Die Folgen für diskriminierte Patient*innen sind gravierend. Sie dürfen nicht im Stich gelassen werden, sagte Ataman am Montag in Berlin.  

„Alle Patientinnen und Patienten haben das Bedürfnis und das Recht, optimal behandelt zu werden. Sie benötigen alle die gleiche Unterstützung, Zuwendung und gute Therapieangebote. Diskriminierung wird gerade in Situationen von Krankheit und Schwäche als besonders verletzend erlebt. Das können wir nicht hinnehmen. Hier müssen auch im Konfliktfall vor Ort kompetente Beraterinnen und Berater helfen“, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. 

Zum Thema Diskriminierung in der medizinischen Versorgung liegen bislang nur wenige Untersuchungen vor. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden erstmals die Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten im Gesundheitsbereich umfassend untersucht. Die Studie beschäftigt sich konkret mit der Frage, was passiert, wenn sich Menschen nach einer Diskriminierung im Krankenhaus, in einer Arztpraxis oder Apotheke an eine Anlaufstelle wenden. Dazu wurden Benachteiligungen aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Identität, Religion und Weltanschauung sowie rassistische und antisemitische Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersucht. Zudem wurden Diskriminierungserfahrungen aufgrund des Körpergewichts und sozialen Status betrachtet.  

Ergebnis: Nur wenige der vorhandenen Anlauf- und Beratungsstellen sind auf Diskriminierung spezialisiert. Ansprechpersonen für Diskriminierung im Gesundheitswesen sind schwer zu finden. Diskriminierte Menschen nehmen die Beschwerdewege oft als intransparent und ineffektiv wahr. Anlaufstellen informieren in der Regel nicht darüber, ob sie auch für Diskriminierungserfahrungen zuständig sind. Die Landschaft an verschiedenen Beratungs- und Beschwerdestellen ist selbst für Expert*innen schwer durchschaubar: Gesundheitsämter, Krankenkassen, Patient*innenbeauftragte – oft ist unklar, wer für was zuständig ist. Zudem ist der Diskriminierungsschutz aktuell stark davon abhängig, welches Verständnis von Diskriminierung die Verantwortlichen der Beratungsstellen haben. 

Die Situation für Menschen, die Diskriminierung erleben, muss sich demnach umfassend verbessern. Es gibt aber auch vorbildliche Angebote und einige Vorreiter im Gesundheitswesen. Aus den Ergebnissen der Studie „Diagnose Diskriminierung“ lassen sich daher verschiedene Handlungsempfehlungen ableiten: 

  • Das Beratungsangebot sollte in allen Praxen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens sichtbar sein.
  • Zudem müssen Anlaufstellen ihren Umgang mit Diskriminierung professionalisieren und Diskriminierungsfälle künftig systematisch erfassen und auswerten.
  • Die rechtlichen Möglichkeiten, sich nach einer Diskriminierung zu wehren, müssen verbessert werden.
  • Und der Schutz vor Diskriminierung muss konkret auch auf Behandlungsverträge ausgeweitet werden, damit Betroffene Schadensersatz einklagen können.

Die Studie ist in der Langfassung hier abrufbar.

Die Kurzfassung finden Sie hier.

Hier gelangen Sie zum Steckbrief des Forschungsprojekts.

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