Diskriminierung von Eltern und pflegenden Angehörigen im Beruf
Eltern und pflegende Angehörige dürfen nicht wegen der Inanspruchnahme und Beantragung von Rechten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz durch ihren Arbeitgeber benachteiligt werden.
Das Gleiche gilt unter bestimmten Voraussetzungen, wenn Beschäftigte aus dringenden familiären Gründen, etwa wegen einer Erkrankung oder wegen eines Unfalls, von der Arbeit fernbleiben (§ 275 Absatz 3 BGB).
- Maßregelungsverbot
Arbeitgeber dürfen schon seit langer Zeit Beschäftigte bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil die Beschäftigten in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben (§ 612a BGB).
Das ist das so genannte Maßregelungsverbot. Das bedeutet, Eltern oder pflegende Angehörige sind geschützt, wenn sie Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen oder ihre Arbeitszeiten kurzfristig oder längerfristig anpassen möchten und deshalb vom Arbeitgeber benachteiligt werden. - Diskriminierungsverbot im Beschäftigungsverhältnis
In manchen Fällen sind Eltern und pflegende Angehörige auch durch das Diskriminierungsverbot in § 7 Absatz 1 AGG geschützt, wenn sie wegen der Fürsorge für ihre Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen direkt oder indirekt durch ihre Arbeitgeber benachteiligt werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie wegen eines Merkmals, das in § 1 AGG aufgezählt wird, benachteiligt werden.
Die Elternschaft und die Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige gehört nicht zu den aufgezählten AGG-Merkmalen. Manchmal steckt aber hinter der Benachteiligung wegen einer Fürsorgeleistung indirekt oder direkt eine Benachteiligung wegen eines AGG-Merkmals. Das kann eine Benachteiligung von Frauen wegen des Geschlechts sein, weil überwiegend Frauen wegen der Fürsorge für ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige in Teilzeit arbeiten.
Das kann eine Benachteiligung wegen des Geschlechts sein, wenn Arbeitgeber aufgrund von traditionellen Rollenerwartungen an Männer oder Frauen im Zusammenhang mit der Fürsorgeleistung für Kinder und pflegebedürftige Angehörige benachteiligende Entscheidungen treffen. Das kann aber auch dann sein, wenn Eltern wegen der Behinderung ihres minderjährigen oder erwachsenen Kindes durch den Arbeitgeber benachteiligt werden. - Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Beschäftigte Eltern und pflegende Angehörige können sich seit dem 24.12.2022 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, wenn sie der Ansicht sind, aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit oder des Rechts zum Fernbleiben von der Arbeit im akuten Pflegefall nach Paragraph 2 des Pflegezeitgesetzes benachteiligt worden zu sein.
Gleiches gilt, wenn Beschäftigte aus dringenden familiären Gründen, etwa wegen eines Unfalls, von der Arbeit fernbleiben und meinen, deshalb benachteiligt worden zu sein.
Die Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist seit dem 24.12.2022 durch eine Veränderung in § 27 Absatz 1 AGG für die Sachverhalte erweitert worden, in denen Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot für Eltern und pflegende Angehörige verstoßen. Durch § 27 Absatz 1 AGG wird Artikel 15 der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie umgesetzt.
Beschäftigte die
- als Eltern oder pflegende Angehörige Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen oder
- aus diesem Grund ihre Arbeitszeit kurzfristig oder längerfristig anpassen möchten oder
- die aus dringenden familiären Gründen ihrer Arbeit nicht nachkommen können
und deshalb vom Arbeitgeber benachteiligt werden, können sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.
Ihr Arbeitgeber darf Sie nicht benachteiligen, wenn Sie Ihre Rechte in zulässiger Weise in Anspruch nehmen. Eine solche Benachteiligung brauchen Sie nicht hinzunehmen. Sie können sich dagegen wehren und vom Arbeitgeber Unterlassung verlangen. Im Einzelfall kann auch ein Anspruch auf Schadensersatz gegeben sein.
Wenn Sie mehr über das Thema Elternzeit erfahren möchten, nutzen Sie die Seite www.familienportal.de. Für mehr Informationen zur Pflege- und Familienpflegezeit nutzen Sie bitte die Seite www.wege-zur-pflege.de.
Wenden Sie sich an uns. Wir beraten Sie gerne und geben Ihnen erste Hinweise zu Ihren rechtlichen Handlungsmöglichkeiten.
Wir sind für Sie erreichbar
Forschungsvorhaben
Zentrale Ergebnisse der Studie „Diskriminierungserfahrungen von fürsorgenden Erwerbstätigen im Kontext von Schwangerschaft, Elternzeit und Pflege von Angehörigen“ von Sören Mohr, Johanna Nicodemus, Evelyn Stoll, Ulrich Weuthen und Dr. David Juncke
41 % der Eltern und 27 % der Pflegepersonen erleben nach eigener Wahrnehmung Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der Elternschaft oder Kinderbetreuung bzw. der Pflege von Angehörigen. Das ist das Ergebnis einer Befragung im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Für die vom Forschungsinstitut Prognos durchgeführte Studie „Diskriminierungserfahrungen von fürsorgenden Erwerbstätigen im Kontext von Schwangerschaft, Elternzeit und Pflege von Angehörigen“ wurden 2.500 Eltern und 504 Pflegepersonen online befragt sowie Interviews mit Expert*innen und Fokusgruppen geführt.
Die Zahlen belegen deutlich, was viele Eltern und Pflegepersonen auch unserem Beratungsteam schildern: Wer Fürsorgeverantwortung übernimmt, muss im Job mit Nachteilen rechnen. Damit schaden Arbeitgeber*innen sich letztlich auch selbst, weil sie Mitarbeitende demotivieren.
Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Befragt wurden Eltern, deren jüngstes Kind unter sieben Jahre alt war sowie Personen, die regelmäßig Angehörige pflegen. Im Fragebogen wurden sie auch auf konkrete Einzelerfahrungen aus den vergangenen sechs Jahren angesprochen.
Während der Schwangerschaft haben demnach 56 Prozent der befragten Eltern mindestens eine diskriminierende Situation erlebt. Bei der Anmeldung der Elternzeit berichten Väter häufiger als Mütter von diskriminierenden Erfahrungen. Beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit berichten sechs von zehn (62 %) Befragten von mindestens einer negativen Erfahrung, hier wiederum häufiger Mütter (69 %) als Väter (48 %). Oftmals wird genannt, dass flexible Arbeitszeiten nicht oder nicht in gewünschtem Umfang gestattet wurden, auch bei Homeoffice-Regelungen sowie Urlaub während der Kita-Schließzeiten und Schulferien erlebten viele Eltern nach eigenen Angaben zu wenig Entgegenkommen.
Im Zusammenhang mit der Pflege von Angehörigen berichten 48 % der Pflegepersonen von mindestens einer diskriminierenden Erfahrung am Arbeitsplatz. So wird etwa das Ausbleiben von Gehaltserhöhungen (Frauen 15 %, Männer 17 %) oder eine schlechtere Leistungsbewertung (Frauen 12 %, Männer 16 %) genannt, aber auch fehlende Rücksichtnahme auf Pflegeaufgaben bei der Terminierung von Sitzungen (Frauen 16 %, Männer 19 %).
Bernhard Franke sprach sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse für gesetzliche Verbesserungen aus. Es sei wichtig, den Diskriminierungsschutz von Beschäftigten aufgrund von Elternschaft und Pflege zu stärken. Franke plädierte für eine Ausweitung der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geschützten Diskriminierungsgründe um die „familiäre Fürsorgeverantwortung“.
Damit wären Arbeitgebende verpflichtet, Beschäftigte vor Diskriminierungen wegen der Wahrnehmung familiärer Fürsorgeverantwortung zu schützen. Diese Pflicht ist ein fester Bestandteil des Diskriminierungsschutzes.
Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Zentrale Ergebnisse des Rechtsgutachtens „Diskriminierungsschutz von Fürsorgeleistenden – Caregiver Discrimination“ von Prof. Dr. Gregor Thüsing und Lena Bleckmann (beide Universität Bonn)
Eine derartige Ergänzung des rechtlichen Schutzes wird von dem Rechtsgutachten „Diskriminierungsschutz von Fürsorgeleistenden – Caregiver Discrimination“ von Prof. Dr. Gregor Thüsing und Lena Bleckmann (beide Universität Bonn) gestützt, das ebenfalls am 24. Mai 2022 veröffentlicht wurde. Das Gutachten zeigt, dass im AGG bisher Schutzlücken zulasten Fürsorgeleistender bestehen. Denn bisher kann eine Diskriminierung in Zusammenhang mit Elternschaft nur teilweise und bei der Pflege fast gar nicht als Diskriminierung nach dem AGG erfasst werden.
Fachtagung 2022 zum Thema
Die beiden vorangegangenen Studien wurden im Rahmen der Fachtagung „Eltern und pflegende Angehörige vor Diskriminierung schützen! Zur Vereinbarkeit von Fürsorgepflichten und Beruf“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes am 24. Mai 2022 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Weitere Informationen zur Fachtagung:
Die online Teilnehmenden der Fachtagung hatten am Nachmittag die Gelegenheit, an einem der parallel stattfindenden Workshops zu den folgenden Themen teilzunehmen:
- Verbesserung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes und der familienpolitischen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Fürsorgepflichten und Beruf
- Betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit und zum Schutz vor Diskriminierung: Fokus auf Schwangere und Eltern
- Betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit und zum Schutz vor Diskriminierung: Fokus auf pflegende Angehörige
- Information und Beratung für fürsorgende Erwerbstätige mit Diskriminierungserfahrungen