Der Fünfte Gemeinsame Bericht „Diskriminierung in Deutschland“ bündelt Erkenntnisse und Empfehlungen
aus den Jahren 2021 bis 2023.
Wer erlebt in Deutschland Diskriminierung? Wie viele Menschen lassen sich beraten und was berichten sie? Und vor allem: Was muss geschehen, um Menschen besser vor Diskriminierung zu schützen?
Diesen Fragen widmet sich der Bericht „Diskriminierung in Deutschland – Erkenntnisse und Empfehlungen“ mit Blick auf den Zeitraum 2021–2023. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat ihn im September 2024 dem Deutschen Bundestag vorgelegt, gemeinsam mit sieben Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Zusätzlich erschien eine Kurzfassung des Fünften Gemeinsamen Berichts, die die zentralen Ergebnisse, die gemeinsamen Empfehlungen aller Beteiligten sowie weitere Handlungsansätze bündelt.
Worum geht es im Bericht „Diskriminierung in Deutschland“?
Der Bericht beleuchtet wichtige Entwicklungen in der Antidiskriminierungspolitik und im Antidiskriminierungsrecht. Außerdem gibt er einen Überblick über die Entwicklung der Antidiskriminierungsberatung in Deutschland. Vor allem beschreibt er Diskriminierungserfahrungen und -risiken in unterschiedlichen Lebensbereichen.
Ein Ziel des Berichts ist es, Lücken im Diskriminierungsschutz zu identifizieren und aufzuzeigen, wie sie geschlossen werden können. Aus diesem Grund geht er auch auf Diskriminierungserfahrungen ein, die nicht vom Schutzumfang des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umfasst sind.
Darauf aufbauend formuliert der Bericht Empfehlungen zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung, die sich an unterschiedliche Akteure richten.
Was waren die wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich Diskriminierung und Antidiskriminierung?
Die Entwicklungen im Themenfeld (Anti-)Diskriminierung waren im Berichtszeitraum 2021–2023 ambivalent.
Positive Entwicklungen waren:
Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene von Diskriminierung wurden ausgebaut.
Die Bundesregierung hat neue Ämter eingerichtet, die auch für die Bekämpfung von Diskriminierung zuständig sind.
Vielfältige Formen von Diskriminierung werden öffentlich thematisiert. Das Bewusstsein dafür ist gestiegen, dass Diskriminierung in unserer Gesellschaft wirkmächtig ist und sich negativ auf die Betroffenen auswirkt.
Anfang des Jahres 2024 demonstrierten Millionen Menschen für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte und gegen rechtsextremistische Vertreibungspläne.
Diese Entwicklungen betrachten die am Bericht beteiligten Beauftragten und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Sorge:
Immer mehr Menschen wenden sich an Beratungsstellen, weil sie Diskriminierung erleben.
Auch die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind deutlich gestiegen.
Die Zahl der Straftaten im Bereich der Hasskriminalität sind deutlich gestiegen.
Mit dem Erstarken rechtspopulistischer, rechtsextremer und antifeministischer Kräfte geht einher, dass extrem rechte und menschenfeindliche Positionen Eingang in öffentliche Debatten finden.
An vielen Stellen lässt sich eine Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses feststellen, Hass im Netz ist mittlerweile alltäglich.
Internationale Krisen wirken sich auf Diskriminierung in Deutschland aus, darunter die Coronapandemie, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie der Krieg in Israel und Gaza.
Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, schützt an vielen Stellen nicht oder nicht ausreichend vor Benachteiligung und macht es den Betroffen schwer, ihre Rechte durchzusetzen. Die dringend notwendige Reform des AGG lässt jedoch weiterhin auf sich warten.
Was sind die wichtigsten Empfehlungen gegen Diskriminierung?
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung und die am Bericht beteiligten Beauftragten der Bundesregierung haben sechs Themenbereiche identifiziert, in denen besonderer Handlungsbedarf besteht. Für jeden dieser Bereiche haben die Beauftragten gemeinsame Empfehlungen entwickelt, die Diskriminierung verhindern und beseitigen sollen.
Gemeinsame Empfehlungen im Überblick
Die Bundesregierung soll die im Koalitionsvertrag angekündigte AGG-Reform umsetzen. Insbesondere muss der Anwendungsbereich des Gesetzes auf staatliches Handeln ausgeweitet und Staatsangehörigkeit als geschütztes Merkmal aufgenommen werden. Gestrichen werden sollen die Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften und die Beschränkung des Diskriminierungsverbots auf Massengeschäfte. Damit Betroffene ihre Rechte besser durchsetzen können, sollen unter anderem die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf zwölf Monate verlängert, die Möglichkeit der Verbandsklage eingeführt und eine Schlichtungsstelle bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geschaffen werden.
Die Bundesregierung soll eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) zum Thema Antidiskriminierung einrichten. Zudem sollte auf Initiative der Länder eine Fachministerkonferenz Antidiskriminierung geschaffen werden. Zudem sollte die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan Antidiskriminierung entwickeln und umsetzen – für eine starke und proaktive Antidiskriminierungspolitik in Deutschland.
Um sicherzustellen, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer qualifizierten Antidiskriminierungsberatung haben, sollen beratungsstellenübergreifende Fachstrukturen auf- und ausgebaut werden. Außerdem soll die Bundesregierung einen Koordinierungskreis aus Bund, Ländern und Kommunen schaffen und eine Bund-Länder-Vereinbarung zum Thema Antidiskriminierung verabschieden. Die Förderung des Beratungsangebots soll gesetzlich verankert werden. Weiterhin wird dem Bund empfohlen, für alle Diskriminierungsdimensionen gleichermaßen bundesweite Meldestrukturen aufzubauen und nachhaltig zu fördern.
Der Bundesgesetzgeber soll eine Regelung in das AGG aufnehmen, die klarstellt, dass es eine Benachteiligung ist, wenn angemessene Vorkehrungen verweigert werden. Private Anbieter*innen von Produkten und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, sollen zur Einhaltung von Barrierefreiheitsstandards verpflichtet werden. Außerdem sollte der Bundesgesetzgeber prüfen, ob die Verpflichtung zur Barrierefreiheit in gesundheitsbezogenen Gesetzen verankert werden muss. Weiterhin sollte er die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen gesetzlich verpflichten, Mindeststandards für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen zu erarbeiten – auf Grundlage des BGG und unter Beteiligung von Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen.
Um den Schutz vor Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz zu verbessern, soll der Bundesgesetzgeber unter anderem den Anwendungsbereich des AGG auf algorithmische Entscheidungssysteme (ADM) ausweiten und Auskunftsreche etablieren. Um Hass im Netz zu bekämpfen, sollten spezialisierte Beschwerdestellen ausgebaut werden. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Menschenrechte im Netz und die Förderung von Medienkompetenz einsetzen, sollten stärker und dauerhaft gefördert werden. Um die digitale Teilhabe zu fördern, sollte der Zugang zum Internet und zu Endgeräten für alle Menschen möglich und bezahlbar sein. Außerdem sollte ein Anspruch auf analoge Daseinsvorsorge in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern verankert werden.
Das durchgängige Leitprinzip bei allen Maßnahmen staatlicher Stellen sollte sein, Diskriminierung zu verhindern und Vielfalt zu fördern. Dafür soll der Bundesgesetzgeber ein entsprechendes Fördergebot für öffentliche Stellen des Bundes gesetzlich verankern. Außerdem sollte das Thema Antidiskriminierung verpflichtend in die Aus- und Weiterbildung aufgenommen werden. Zudem braucht es gerade in bürgernahen Bereichen unabhängige Beschwerde- oder Ombudsstellen. Insbesondere sollten in allen Bundesländern Landesantidiskriminierungsgesetze eingeführt werden.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse über und Handlungsansätze gegen Diskriminierung in Deutschland?
Für ihren Beitrag im Fünften Gemeinsamen Bericht „Diskriminierung in Deutschland“ hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Beratungsanfragen ausgewertet, die sie im Zeitraum 2021–2023 erreicht haben. Daraus ergeben sich Erkenntnisse über Diskriminierungserfahrungen und Diskriminierungsrisiken in unterschiedlichen Lebensbereichen.
Entwicklung der Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind deutlich angestiegen. 2021–2023 haben sich insgesamt 20.618 Personen wegen Diskriminierung aufgrund eines im AGG geschützten Merkmals gemeldet.
Entwicklung der Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2023
Basis: Beratungsanfragen mit AGG-Merkmalsbezug im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2023
Jahr
Anzahl
2021
5618
2022
6697
2023
8303
Basis: Beratungsanfragen mit AGG-Merkmalsbezug im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2023
Fast die Hälfte der Ratsuchenden schildert Diskriminierung in Lebensbereichen, in denen sie das AGG nicht schützt. Insbesondere der Anteil der Anfragen zu Diskriminierung durch staatliches Handeln, also durch Ämter und Behörden, im Kontakt mit Polizei und Justiz oder im staatlichen Bildungswesen, ist weiter angestiegen.
Verteilung der Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf Lebensbereiche
Basis: 20.618 Beratungsanfragen mit AGG-Merkmalsbezug an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2023
Lebensbereich
prozentualer Anteil
Arbeitsmarkt
29
Güter und Dienstleistungen
20
Ämter und Behörden
14
Öffentlichkeit und Freizeit
9
Bildung
6
Justiz und Polizei
5
Wohnungsmarkt
4
Gesundheit und Pflege
4
Medien und Internet
3
Sonstiger Bereich
2
keine Angabe
2
Basis: 20.618 Beratungsanfragen mit AGG-Merkmalsbezug an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2023
Erkenntnisse und Handlungsansätze gegen Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen
Erkenntnisse und Handlungsansätze
Die meisten Ratsuchenden melden Diskriminierungen im Arbeitsleben. Dies deckt sich mit empirischen Studien, nach denen Diskriminierungen am häufigsten im Arbeitsleben vorkommen.
Für viele ist der Arbeitsplatz kein sicherer Ort. Ratsuchende werden belästigt, beleidigt, gemobbt oder ausgeschlossen. Zugleich ist der Arbeitsplatz kein Ort wie jeder andere, denn die gleichen Menschen treffen immer wieder aufeinander. Entsprechend groß ist die Verantwortung der Arbeitgeber*innen, ihre Belegschaft vor Diskriminierung zu schützen.
Ein besonders hohes Diskriminierungsrisiko haben Eltern – und zwar in allen Phasen der Beschäftigung, begonnen bei der Jobsuche.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsleben verbessert werden:
„Familiären Fürsorgeverantwortung“ sollte als Diskriminierungsgrund in das AGG aufgenommen werden, um Eltern und pflegende Angehörige besser vor Benachteiligungen zu schützen.
Das AGG verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, betriebliche Beschwerdestellen einzurichten. Diese Unterstützungsstrukturen sollten gestärkt werden, etwa durch Mindeststandards für das Beschwerdeverfahren und konkrete Befugnisse der Beschwerdestellen.
Zu einem diskriminierungssensiblen Arbeitsumfeld können Dienstvereinbarungen zur Diskriminierungsprävention und zum Diskriminierungsschutz beitragen. Auch Schulungen zum AGG bieten sich an, um für Gleichbehandlung zu sensibilisieren und den Umgang mit Benachteiligungen zu professionalisieren.
Mangelnde Barrierefreiheit schließt Menschen mit Behinderungen aus. Viele Betroffene beklagen fehlende Barrierefreiheit bei der Nutzung von Dienstleistungen oder Kulturangeboten.
Besonders Menschen mit Migrationsgeschichte schildern Rassismus im Dienstleistungsbereich. Viele Ratsuchende berichten von rassistischen Beleidigungen und sogenanntem Racial Profiling, zum Beispiel wenn ein Ladendetektiv im Supermarkt nur deswegen die Tasche einer Person kontrolliert, weil diese Schwarz ist.
Beschwerden wegen Altersdiskriminierung nehmen zu und sind im Bereich privater Güter und Dienstleistungen überproportional vertreten. Betroffene beklagen Benachteiligungen bei der Kreditvergabe oder bei Versicherungsverträgen sowie Barrieren bei der Nutzung von ausschließlich digitalen Dienstleistungen.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung im Bereich private Dienstleistungen und Zugang zu Gütern verbessert werden:
In das AGG sollte eine Verpflichtung aufgenommen werden, nach der Versicherungen Auskunft über die Risikokalkulation geben müssen, wenn der Vertragsschluss ihretwegen verweigert wird oder sie zu höheren Prämien führt.
Wünschenswert wäre, dass Menschen im Zivilrechtsverkehr, bei Alltagsgeschäften, beim Abschluss von Verträgen oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen obligatorisch Hinweise auf Beschwerdemöglichkeiten erhalten.
Der Schutz vor sexueller Belästigung sollte auf alle zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse ausgeweitet werden.
Der Wohnungsmarkt ist weiterhin ein Hochrisikobereich für rassistische Diskriminierung. Benachteiligungen aus rassistischen Gründen sind mit großem Abstand der häufigste Beschwerdegrund, wenn es um Wohnungssuche und Mieten geht.
Ausnahmen unterhöhlen den rechtlichen Diskriminierungsschutz. Die Regelungen im AGG zum Wohnungsmarkt lassen zahlreiche Ausnahmen vom Benachteiligungsverbot zu (§ 19 AGG). Die Ausnahmen schränken den Diskriminierungsschutz unzulässig ein und bewirken eine große Rechtsunsicherheit bei Ratsuchenden, aber auch bei Vermieter*innen.
Viele Wohnungssuchende schützt das AGG nicht. Menschen können nicht dagegen vorgehen, wenn sie wegen ihrer finanziellen oder familiären Situation als Mieter*innen unerwünscht sind.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt verbessert werden:
Das AGG sollte um ein ausdrückliches Verbot von diskriminierenden Wohnungsanzeigen erweitert werden.
Die Ausnahmen vom Diskriminierungsschutz auf dem Wohnungsmarkt im AGG sollten gestrichen werden, einschließlich der Einschränkung, dass der Diskriminierungsschutz nur gegenüber Wohnraumanbieter*innen mit mehr als 50 Wohnungen besteht.
Der Merkmalskatalog im AGG sollte unter anderem um die Merkmale „sozialer Status“ und „familiäre Fürsorgeverantwortung“ erweitert werden.
Ein besonders hohes Diskriminierungsrisiko haben Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten – jede zweite Beratungsanfrage kommt aus dieser Gruppe.
(Sprach-)Barrieren verhindern den Zugang zum Gesundheitssystem. Wenn Menschen mit Behinderungen oder Menschen ohne Deutschkenntnisse bereits beim Zugang zu ärztlichen Einrichtungen diskriminiert werden, kann das lebensbedrohlich sein.
Beleidigungen und Diskriminierungen in der Behandlung betreffen unter anderem Menschen mit HIV-Infektion oder Senior*innen, denen wegen ihres Alters bestimmte Behandlungsformen verwehrt werden.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung im Bereich Gesundheit und Pflege verbessert werden:
Es sollte gesetzlich klargestellt werden, dass das AGG im Gesundheitsweisen anwendbar ist und insbesondere, dass der medizinische Behandlungsvertrag in den Anwendungsbereich des AGG fällt.
Die Landesärztekammern sollten Beschwerde- und Gütestellen für Betroffene von Diskriminierung einrichten. Zudem sollten bestehende Beschwerde- und Beratungsangebote innerhalb des Gesundheitswesens aktiv und sichtbar darüber informieren, ob und wie sie im Bereich Diskriminierung arbeiten.
Medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser sollten Richtlinien zum Diskriminierungsschutz verabschieden oder Dienstvereinbarungen hierzu abschließen.
Immer mehr Ratsuchende schildern Diskriminierung durch staatliches Handeln. Insgesamt adressiert mehr als jede vierte Anfrage Benachteiligungen durch staatliches Handeln in den Bereichen Bildung, Ämter und Behörden sowie Polizei und Justiz.
In vier von fünf Fällen geht es um Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder aufgrund von Behinderungen. Das AGG schützt die Ratsuchenden bisher nicht.
Behördenmitarbeitende agieren nicht immer diskriminierungssensibel, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Auch Routinepraktiken und -entscheidungsabläufe können zu Diskriminierung führen.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung durch Ämter und Behörden verbessert werden:
Insbesondere in bürgernahen Verwaltungsbereichen, etwa Jobcentern, sollten Beschwerde- oder Ombudsstellen eingerichtet werden, an die sich Bürger*innen niedrigschwellig wenden können, wenn sie Diskriminierung erlebt haben.
Um Verwaltungsverfahren und -kommunikation im Hinblick auf die geschlechtliche Vielfalt diskriminierungssensibel auszugestalten, sollten Behörden in Formularen generell geschlechtsneutrale Angaben und Angaben für alle Geschlechter ermöglichen.
Diversity- und Antidiskriminierungsmaßnahmen von staatlichen Institutionen müssen ausgebaut und stärker miteinander verzahnt werden. Neben Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für die Beschäftigten sollte verstärkt ein ganzheitlicher Antidiskriminierungsansatz verfolgt werden.
Obwohl die meisten Menschen selten mit Polizei und Justiz in Kontakt kommen, erreichen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weiterhin verhältnismäßig viele Anfragen wegen Diskriminierungserfahrungen.
Der größte Anteil der Anfragen thematisiert rassistische Diskriminierung. Bei etwa einem Drittel dieser Anfragen geht es um Racial Profiling, also um rechtswidrige Personenkontrollen, bei denen äußere Erscheinungsmerkmale oder sonstige rassistische Zuschreibungen zumindest mitentscheidend waren.
Bei mehr als einem Drittel der Anfragen geht es um Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Die Ratsuchenden berichten vor allem von fehlender Barrierefreiheit und von fehlenden angemessenen Vorkehrungen.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung durch Justiz und Polizei verbessert werden:
Auffällig und bedrückend ist, wie viele Menschen in psychischen Ausnahmesituationen bei Polizeieinsätzen ums Leben kommen. Bei Bundes- und Landespolizei braucht es verpflichtende und regelmäßige Schulungen sowie psychologisch geschulte Fachkräfte, die entsprechenden Einsätzen beiwohnen.
Unbedingt bedarf es eines ausdrücklichen gesetzlichen Verbots von Racial Profiling.
Sinnvoll wäre, Gerichtsombudsstellen einzurichten, an die sich Menschen wenden können, die Diskriminierung durch Richter*innen, Rechtspfleger*innen und Justizbeamt*innen erfahren haben.
Insbesondere Kleinkindern mit Behinderungen und mit Migrationsgeschichte drohen Benachteiligungen. Das heißt: In der frühkindlichen Bildung werden vielfach gerade die Kinder ausgeschlossen, die besonders von ihr profitieren könnten.
Diskriminierung an Schulen geht auch von Lehrkräften aus. Ratsuchende schildern auffallend häufig, dass das Lehrpersonal selbst diskriminierendes Verhalten zeigt oder nicht auf Beleidigungen oder Mobbing durch Schüler*innen reagiert.
Schüler*innen und Studierende erleben, dass ihre Geschlechtsidentität nicht anerkannt wird. Das betrifft trans*, inter und nicht binäre Menschen.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung im Bildungsbereich verbessert werden:
In allen Bundesländern sollten staatliche Ombuds- oder Beschwerdestellen eingerichtet werden, die Akten öffentlicher Kitas, Schulen und Hochschulen einsehen, Fälle schlichten und Beanstandungen aussprechen können.
An Schulen sollten qualifizierte Ansprechstellen für Antidiskriminierung eingerichtet werden, an die sich Schüler*innen und Eltern vertraulich wenden können. Zudem sollte eine Verpflichtung zu Antidiskriminierungs- und Schutzkonzepten in den Schulgesetzen verankert werden.
Alle Hochschulen sollten Antidiskriminierungsberatungsstellen einrichten und sich dafür einsetzen, dass diese auch bekannt sind. Notwendig sind zudem verbindliche hochschulinterne Richtlinien zum Diskriminierungsschutz, zur Prävention von Diskriminierung und zur AGG-Beschwerdestelle.
Die Anfragen zu Diskriminierung im privaten und sozialen Umfeld, insbesondere in Nachbarschaftskonflikten, haben deutlich zugenommen.
Bei den Beratungsanfragen wegen Diskriminierung im öffentlichen Raum und im sozialen Umfeld geht es überdurchschnittlich oft um rassistisch und antisemitisch motivierte Vorfälle. Aber auch von homo- oder transfeindlicher Diskriminierung berichten Ratsuchende häufig. Die Vorfälle reichen von Beschimpfungen und Beleidigungen über Schmierereien auf Hauswänden bis hin zu Gewaltdrohungen und körperlicher Gewalt.
Millionen Menschen sind mit Hass im Netz konfrontiert. Die Rechtsdurchsetzung für Betroffene und die Ahndung der Taten ist weiterhin mit hohen Hürden verbunden.
Unter anderem mit diesen Maßnahmen kann der Schutz vor Diskriminierung in Öffentlichkeit, Freizeit, Medien und Internet verbessert werden:
Hausverwaltungen und Vermieter*innen sollten Diskriminierung in Nachbarschaften ernst nehmen, sich bei konkreten Vorfällen klar gegen Diskriminierung positionieren und die betroffenen Personen unterstützen. Zudem sollten sie die bestehenden (rechtlichen) Möglichkeiten nutzen, um Diskriminierung zu ahnden.
Der Anwendungsbereich des AGG sollte auf Benachteiligungen im Vereinswesen erweitert werden. Zudem sollte das AGG dahingehend ergänzt werden, dass auch Ehrenamtliche unter den Begriff der Beschäftigten im Sinne des Gesetzes fallen.
Vereinen, deren Regelungen oder Praktiken diskriminierend sind und damit der Werteordnung des Grundgesetzes widersprechen, kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Diese Möglichkeit sollten die jeweils zuständigen Finanzämter konsequent nutzen.
Welche Daten sind in den Bericht „Diskriminierung in Deutschland“ eingeflossen?
Grundlage des Berichts „Diskriminierung in Deutschland“ sind Beratungsanfragen und Eingaben zu Diskriminierung an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie an die beteiligten Beauftragten im Zeitraum 2021–2023. Darüber hinaus wurden Beratungsanfragen an Landesantidiskriminierungsstellen, an kommunale sowie an unabhängige zivilgesellschaftliche Beratungsstellen abgefragt und für den Bericht ausgewertet. Eingeflossen in den Bericht sind zudem aktuelle Forschungsergebnisse sowie die relevante nationale und europäische Rechtsprechung zu Diskriminierung.
Welche Beauftragten haben sich am Bericht beteiligt?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, vertreten durch ihre Leitung und Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, und die in ihrem Zuständigkeitsbereich mit Diskriminierung befassten Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages haben bei der Konzeption und Erstellung des Berichts zusammengearbeitet.
Bei den beteiligten Beauftragten handelt es sich um
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz