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Zweiter Gemeinsamer Bericht

Der Zweite Gemeinsame Bericht mit Schwerpunkt „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben“ wurde dem Deutschen Bundestag im Jahr 2013 vorgelegt.

Grundlagen

Bildung und Arbeit sind zentrale Lebensbereiche, in denen Diskriminierung stattfinden kann. Sie bieten aber auch besonders große Chancen, auf Vielfalt und Chancengleichheit hinzuwirken. Aus diesem Grund hat sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Zusammenwirken mit den in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages entschlossen, den Schwerpunkt des vorliegenden Berichts auf diese Themen zu setzen.

Im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes umgesetzte wissenschaftliche Analysen, Expert*innengespräche, die Auswertung von Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und andere Beschwerdestellen sowie die Auswertung externer Studien liefern einen Überblick über Art und Umfang von Diskriminierungen und Diskriminierungsrisiken bei der kindlichen Frühförderung, in Schule und Ausbildung, an Universitäten und auf dem Arbeitsmarkt. Kern des Berichtes sind die anschließenden Empfehlungen und Handlungsvorschläge, die sich sowohl an die Politik als auch an Bildungsinstitutionen und Arbeitgeber richten.

Die Grundlage für den Zweiten Bericht an den Bundestag bildeten die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beauftragten Expertisen

  • „Diskriminierung im vorschulischen und schulischen Bereich. Eine sozial- und erziehungswissenschaftliche Bestandsaufnahme",
  • „Schutz vor Diskriminierung im Schulbereich. Eine Analyse von Regelungen und Schutzlücken im Schul- und Sozialrecht sowie Empfehlungen für deren Fortentwicklung“

    als auch die Broschüre

  • "Für Chancengleichheit im Bildungsbereich und im Arbeitsleben - Beispiele für gute Praxis".

Mehr Informationen dazu:

Ergebnisse im Bereich Bildung

Frühkindliche Erziehung

Kinder bzw. deren Eltern erleben Diskriminierung anhand unterschiedlicher AGG-Merkmale beim Zugang zu Kindertageseinrichtungen. In der Kita können sich Diskriminierungen z. B. in Skepsis der Erzieher*innen gegenüber Mehrsprachigkeit äußern sowie in Vorstellungen darüber, was „normal“ und „nicht normal“ ist. Auch fehlt es in Kindertageseinrichten an einer größeren Vielfalt beim Personal.

Allgemeinbildende Schulen

Beim Zugang zur Regelschule können Kinder Benachteiligungen aufgrund  fehlender Schulpflicht für bestimmte Gruppen von Schüler*innen oder mangelnder Inklusion erfahren. Während des Schulbesuchs können bei der Erteilung von Noten und anderen Leistungsbewertungen diskriminierende Mechanismen zum Tragen kommen. Schüler*innen sind häufig aber auch von direkter, subtiler Diskriminierung und Mobbing in Anknüpfung an die AGG-Merkmale betroffen, die von Lehrkräften oder Mitschüler*innen ausgehen. Schulen fehlt es zum Teil immer noch an Vielfalt im Lehrkörper und Schulmaterialien reproduzieren zum Teil diskriminierende Stereotype. Rechtlich mangelt es in den meisten Schulgesetzen der Länder an einem umfassenden Schutz vor Diskriminierung.

Hochschulen

Beim Zugang zur Hochschule können angehende Studierende mit Migrationshintergrund, mit Behinderungen oder einer „niedrigen sozialen Herkunft“, aber auch ältere angehende Studierende immer Benachteiligungen erfahren. Im Studienverlauf machen insbesondere einzelne Gruppen von Studierenden wie trans* Personen, homosexuelle Studierende, nichtdeutsche Studierende, muslimische Studierende, Studierende mit Kindern sowie Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit Diskriminierungserfahrungen. Den Betroffenen fehlt es häufig an qualifizierten Anlaufstellen und Beschwerdestellen an den Hochschulen, auch wenn Hochschulen verstärkt Diversity-Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt entwickeln.

Ergebnisse im Bereich Arbeitsleben

Zugang zum Arbeitsleben

Beim Zugang zur Arbeit und zum Ausbildungsplatz erleben Bewerber*innen insbesondere in Anknüpfung an ihre ethnische Herkunft, ihr Alter, das Geschlecht, aber auch wegen des Tragens eines Kopftuchs Diskriminierung. Schwerbehinderte Menschen erhalten trotz der gesetzlichen Verpflichtung nicht immer eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Eine besonders große Ausgrenzung beim Zugang zu einer Arbeitsstelle erfahren Frauen mit Kopftuch. Betriebe stellen bestimmte Erwartungen an die „Normalität“ bzw. „Passung“ von Beweber*innen. So gibt es sachlich unbegründete Befürchtungen, bestimmte Beschäftigte könnten Kund*innen abschrecken oder weniger Leistung zeigen. 

Im Arbeitsleben

Im Arbeitsleben selbst spielen diskriminierendes Mobbing und sexuelle Belästigungen von Vorgesetzten und Kolleg*innen eine wichtige Rolle. Karrierechancen werden aufgrund von Teilzeitwünschen, einer Schwangerschaft, einer Behinderung oder aufgrund des Alters verwehrt.
Entgeltungleichheit gibt es nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern beispielsweise auch zwischen Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund sowie mit und ohne Behinderung. Obwohl also der ganze Betrieb von den negativen Auswirkungen von Diskriminierung betroffen sein kann, fehlt es bisher an umfassenden Konzepten zur Prävention und Intervention.

Beendigung von Beschäftigungsverhältnisen

Auch bei der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses kann es zu Benachteiligungen kommen. Im Zusammenhang mit einem im AGG geschützten Merkmal werden immer wieder Beschäftigte aus einem Arbeitsverhältnis gedrängt. Dies betrifft z. B. Kündigungen aufgrund einer Entscheidung, ein Kopftuch zu tragen oder aufgrund einer chronischen Krankheit. Ohne sachliche Begründung ist hier von einer Diskriminierung auszugehen. Des weiteren spielen auf dem Arbeitsmarkt bei der Beendigung von Beschäftigung Altersgrenzen eine bedeutende Rolle.

Diversity

Bisher hat die Förderung von Diversity im Arbeitsleben, in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor nur geringe Bedeutung. Meist konzentrieren sich Unternehmen und Verwaltung auf einzelne Dimensionen, horizontal angelegte Strategien fehlen dagegen.  

Empfehlungen zum Schwerpunkt Bildungsbereich

  1. Den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung im Bildungsbereich in Bezug auf alle AGG-Merkmale sowie die „soziale Herkunft“ verstärken. Notwendig ist eine klare Verankerung von Diskriminierungsschutz in den Kita-, Schul- und Hochschulgesetzen.
  2. Umfassende Diversity-Strategien für den Bildungsbereich sollten entwickelt und umgesetzt werden. Entsprechende Strategien müssen demnach alle AGG-Merkmale sowie die „soziale Herkunft“ einzeln, aber auch in ihrer Mehrdimensionalität berücksichtigen.
  3. Unabhängige Beratungs- und Beschwerdesysteme müssen im Bildungsbereich eingerichtet werden. Im frühkindlichen Bereich könnten solche Beratungs- und Beschwerdestellen mit Qualifizierungszentren zu Fragen wie der des Umgangs mit Vielfalt im Elementarbereich verbunden werden. Auch im schulischen Bereich braucht es eine professionelle Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern. Für die Hochschulen wird die Einrichtung von Antidiskriminierungs- und Beschwerdestellen empfohlen.

Ausgewählte Empfehlungen zum Schwerpunkt Arbeitsleben

  1. Betriebliche und außerbetriebliche Beschwerde- und Beratungsstellen stärken
    Die Stellen sollten auf alle AGG-Merkmale ausgerichtet sein und explizit auch eine Ansprechperson für sexuelle Belästigung benennen. Zusätzlich muss außerhalb des Betriebes niedrigschwellige, kompetente Antidiskriminierungsberatung sichergestellt werden, da viele Beschäftigte innerbetrieblichen Stellen nicht ausreichend vertrauen.
  2. Diversity-Konzepte weiterentwickeln, vielfältige Belegschaften fördern
    Ein umfassendes Diversity-Konzept sollte auf alle AGG-Dimensionen sowie weitere wie „soziale Herkunft“ ausgerichtet sein. Wichtig ist dabei, dass die gesamte Organisation von der Leitung bis hin zu den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einbezogen wird. In Betriebsvereinbarungen können Diskriminierungsverbote festgeschrieben werden.
  3. Innovative Personalrekrutierung
    Chancengleichheit kann durch neue Rekrutierungsstrategien wie die anonymisierte Bewerbung vorangebracht werden. Entscheidend bei der Personalrekrutierung sind auch positive Maßnahmen zur Schaffung einer vielfältigeren Belegschaft, etwa Quoten und Förderprogramme.
  4. Rechtliche Schranken überprüfen
    Landesrechtliche Verbote religiöser Symbole sollten neu diskutiert werden, da sie z. B. für kopftuchtragende Frauen eine Benachteiligung darstellen. Bezüglich kirchlicher Arbeitgeber braucht es außerdem eine richtlinienkonforme Anpassung des AGG.
  5. Spezifische Bedürfnisse berücksichtigen
    Arbeitgeber sollten die Bedürfnisse aufgrund des Alters, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung bzw. der sexuellen Identität berücksichtigen. Dazu gehören Maßnahmen wie die Herstellung von Barrierefreiheit, flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung, Angebote zur Gesundheitsförderung oder auch die Berücksichtigung religiöser Essgewohnheiten in Kantinen.

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