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"Türkischverbot im Pausenraum – Deutsch oder gar nicht"

Türkischverbot im Pausenraum – Deutsch oder gar nicht

Der Fall

Der Job macht ihm Spaß, die Bezahlung ist in Ordnung und das Klima kollegial – Herr A. arbeitet gern in dem mittelständischen Betrieb in der Nähe seines Wohnortes. Besonders gefreut hatte ihn, dass seinem Team noch drei weitere türkischstämmige Personen angehörten, die im Kollegenkreis genauso geschätzt waren, wie er selbst. In der Pause unterhalten sie sich manchmal auf Deutsch, manchmal auch auf Türkisch, wenn sie allein im Pausenraum waren. Als ein Vorgesetzter dies zufällig mitbekommt, werden Herrn A. und seinen Kolleg*innen Gespräche auf Türkisch in der Pause untersagt. Herr A. fühlte sich durch diese Anweisung diskriminiert, weshalb er sich mit der Bitte um Beratung an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wandte.

Einordnung / Einschätzung

Das Verbot, sich während Arbeitspausen in seiner Muttersprache zu unterhalten, stellt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft gemäß § 3 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar.

Von einer mittelbaren Benachteiligung spricht man, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften oder Kriterien vorliegen, die geeignet sind, eine Person wegen eines unzulässigen Diskriminierungsmerkmals in besonderer Weise gegenüber anderen Personen zu benachteiligen.

Diese Form der Benachteiligung trifft auch auf diesen Fall zu, da die Bezugnahme auf die Muttersprache an die ethnische Herkunft – die ein geschütztes Merkmal gemäß § 1 AGG darstellt – anknüpft. Unter ethnischer Herkunft wird die unter anderem durch Sprache, Abstammung, Tradition und ähnliche Kriterien vermittelte Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen verstanden.

Herr A. und seine türkischstämmigen Kolleg*innen werden gegenüber deutschen Angestellten benachteiligt, die eben weil ihre Muttersprache Deutsch ist, keine derartigen Eingriffe in ihr Pausenverhalten erfahren.

Auch solche mittelbaren Diskriminierungen sind von dem Benachteiligungsverbot im Bereich des Arbeitslebens gemäß § 7 AGG umfasst. Sie können allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber durch die benachteiligende Vorschrift ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und die Anweisung dazu verhältnismäßig ist.

Das trifft auf ein Sprachverbot während der Arbeitspausen jedoch nicht zu. Die Pause dient der Erholung und persönlichen Lebensgestaltung der Angestellten; hier sind keine Anhaltspunkte für ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, dass in dieser Zeit nur Deutsch gesprochen wird, erkennbar. Denkbar wäre höchstens, dass eine solche Anweisung der Erhaltung des Betriebsfriedens oder einem besseren kollegialen Umgang dienen soll, wenn es beispielsweise in der Vergangenheit zu Konflikten im Pausenraum gekommen ist. Selbst dann wäre eine Rechtfertigung des Verbots jedoch - angesichts des damit verbundenen Eingriffs in die Privatsphäre der Mitarbeiter*innen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist – wohl als unverhältnismäßig abzulehnen.

Anders sähe es aus, wenn es um die Ausführung konkreter Arbeiten geht. Hier kann die Anweisung auf Deutsch zu kommunizieren gerechtfertigt sein, wenn das z.B. für die Erfüllung der Aufgabe als solcher erforderlich ist.

In diesem Fall kann Herr A. jedoch gemäß § 13 AGG eine Beschwerde bei der zuständigen Stelle in dem Unternehmen einreichen. Unter Umständen könnte er auch einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Absatz 2 AGG gegen den Arbeitgeber geltend machen.

Möglichkeiten / Beilegung

Eine Beschwerde wegen einer Benachteiligung muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich beim Arbeitgeber bzw. der vom ihm eingerichteten Beschwerdestelle eingereicht werden. Denn dieser ist verpflichtet, auf die Beschwerde zu reagieren und Abhilfe zu schaffen. Es kann aber auch sinnvoll sein, den Betriebsrat im Unternehmen einzuschalten. Die Aufgabe des Betriebsrates ist es, die Interessen der Mitarbeiter*innen gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten; so kann der Betriebsrat in einem Fall wie diesem auch vermittelnd tätig werden und dabei helfen, den Konflikt zu lösen.

In diesem Fall hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Herrn A. geraten, genau das zu tun und sich zunächst an den Betriebsrat zu wenden. Dieser organisierte daraufhin ein Gespräch zwischen Herrn A. und dem Arbeitgeber in dem Herr A. die rechtliche Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle vorlegte. Die zuständigen Vorgesetzten reagierten sofort und hoben das Verbot auf.

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