Am Telefon bitte keine Männerstimme!

Der Fall
Ein Mann bewirbt sich über ein Vermittlungsunternehmen auf eine Stelle als Teamassistenz bei einem privaten Dienstleistungsunternehmen in der Telekommunikationsbranche. Bewerbungsgespräch und Probearbeiten verlaufen gut und auch die Qualifikationen des Bewerbers entsprechen den Stellenanforderungen. Dennoch erhält er eine Absage mit der Begründung, eine Frauenstimme würde am Telefon bei der Kundschaft besser ankommen. Der Mann erkundigt sich etwas später nochmal bei dem Vermittlungsunternehmen, worauf ihm mitgeteilt wird, dass die Stelle nun mit einer Frau besetzt sei, die aber keine besseren Qualifikationen habe als er. Seine Qualifikation sei für die Ablehnung auch nicht ausschlaggebend gewesen.
Eine Besonderheit in diesem Fall ist, dass die Auswahl der Bewerber und Bewerberinnen und die Vorstellungsgespräche von einem Vermittlungsunternehmen durchgeführt wurden. Dessen Mitarbeiter hat dem Bewerber auch die Absage und den Grund dafür übermittelt.
Einordnung / Einschätzung
Der Mann wurde ausschließlich wegen seines Geschlechts abgelehnt. Eine solche Benachteiligung im Bewerbungsprozess ist aber gemäß §§ 7, 6, 1 AGG ausdrücklich verboten.
Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn es nach § 8 Abs. 1 AGG zwingende Gründe gibt, warum eine bestimmte Tätigkeit nur von Frauen oder Männern ausgeführt werden kann. So ist es bspw. gerechtfertigt, für die Stelle einer Sopran-Sängerin oder einer Betreuerin in einem Mädchen- Internat nur Frauen in Betracht zu ziehen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Tätigkeit, bei der es hauptsächlich darum ging, Telefongespräche mit der Kundschaft zu führen. Es ist offensichtlich, dass die Ablehnung des Bewerbers gar nicht im Zusammenhang mit den Anforderungen an diese Tätigkeit stand. Die Annahme, Frauenstimmen würden am Telefon besser ankommen, ist pauschal und unsachlich. Sie stellt keinen zwingenden Grund dar, die Stelle mit einer Frau zu besetzen. Die Ungleichbehandlung ist daher nicht gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber des AGG fordert Arbeitgebende auf, im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten an der Verwirklichung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt mitzuwirken. Indem aber Teams zielgerichtet nur mit Angehörigen eines Geschlechtes besetzt werden, kann dieses Ziel nicht erreicht werden.
Möglichkeiten / Beilegung
Die abgelehnte Person kann in einem solchen Fall Schadensersatz oder Entschädigung in Form von Schmerzensgeld verlangen. Sie muss diese Ansprüche zunächst dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich geltend machen und kann sie danach auch gerichtlich durchsetzen. In der Regel müssen potentiell Arbeitgebende drei Monatsgehälter zahlen. Es gibt zudem die Möglichkeit der gütlichen Beilegung, bei der die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Betroffenen unterstützt.
So war es auch in diesem Fall. Mit dem Einverständnis des Betroffenen klärte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den potentiellen Arbeitgeber über die Rechtslage auf und forderte ihn zur Stellungnahme auf. Dieser lehnte eine Einigung zunächst ab und wollte sich das Verhalten der Vermittlungsagentur nicht zurechnen lassen. Schließlich lenkte er ein und verständigte sich mit dem Mann auf eine Entschädigungszahlung nach dem AGG in der Höhe von 5.000 Euro. Die außergerichtliche Einigung ist oft unkomplizierter und schneller. Da die Kommunikation mit den Arbeitgebenden für die Betroffenen nicht immer einfach ist, hilft die Antidiskriminierungsstelle ihnen dabei.
Wissenswertes
Eine Entschädigungszahlung nach dem AGG dürfen übrigens auch ALG II- Beziehende behalten, ohne dass der Betrag als Einkommen berücksichtigt wird. Das hat das Hessische Landessozialgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2015 (Az. L 9 AS 618/14) entschieden. Da dies aber nur bei einer Entschädigungszahlung – einem sogenannten immateriellen Schaden– der Fall ist, sollten Betroffene in Vergleichsvereinbarungen darauf achten, dass sie nicht die Formulierung „Schadensersatz“ sondern „Entschädigung“ verwenden. Wichtig ist für die Betroffenen zudem zu wissen, dass Sie die Ansprüche gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber, der letztlich über die Bewerbung entscheidet und nicht etwa gegenüber der Vermittlungsagentur haben. Dem Arbeitgeber wird das Verhalten der Agentur rechtlich zugerechnet (§ 278 BGB). Er kann sich also nicht seiner Pflicht entziehen, indem er eine Zeitarbeitsfirma, einen Headhunter oder ähnliches zwischenschaltet.