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“Wir bleiben bei ‚Herr‘“ – Falsche Anrede im Arbeitszeugnis

“Wir bleiben bei ‚Herr‘“ – Falsche Anrede im Arbeitszeugnis

Der Fall

Jana L. ist eine trans Frau. Vor einiger Zeit hat sie Namen und Personenstand rechtlich angepasst. Nachdem sie ihren Job gekündigt hat, erhält sie von ihrer Arbeitgeberin allerdings ein Arbeitszeugnis, in dem sie deren alten Namen und die männliche Anrede verwendet. Auf die Bitte Frau L.s, das Zeugnis zu ändern, entgegnet ihre Arbeitgeberin, sie habe nun einmal die Hälfte ihrer Anstellung „als Mann“ gearbeitet. Jana kann das Zeugnis für neue Bewerbungen nicht verwenden, da sie sich gegenüber einer künftigen Arbeitsstelle nicht zwangsläufig als trans outen möchte. Sie möchte wissen, wie sie eine Änderung des Zeugnisses doch noch erreichen kann und wendet sich daher an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit der Bitte um Beratung.

Rechtliche Einordnung

Trans Personen können nach der geltenden Rechtslage von Arbeitgeber*innen verlangen, dass diese ein Arbeitszeugnis auf den geänderten Namen ausstellen und auch die Anrede entsprechend formulieren.

Dies wurde auch von Gerichten bereits so entschieden (u.a. Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 17.12.1998 - 4 Sa 1337/98).  Grundlage dafür, dass Arbeitgeber*innen den geänderten Namen verpflichtend nutzen, ist die sogenannte nachvertragliche Fürsorgepflicht von gegenüber ihren ehemaligen Angestellten (§§ 280 I, 611, 241 II, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Grundgesetz (GG), § 5 Transsexuellengesetz (TSG)).

Für den Inhalt dieser nachvertraglichen Fürsorgepflicht ist das in § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verankerte Prinzip von „Treu und Glauben“ ausschlaggebend. Dieses Prinzip fordert Fairness im Rechtsverkehr ein. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber*innen geschützte Grundrechte wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG) ihrer (ehemaligen) Angestellten berücksichtigen müssen. Auch den Gedanken des sogenannten Offenbarungsverbots (§ 5 TSG) haben Arbeitgeber*innen zu beachten, um ihre Fürsorgepflicht zu erfüllen. § 5 TSG besagt, dass die vor der personenstandsrechtlichen Anpassung des Geschlechts und des Vornamens geführten Vornamen ohne Zustimmung der betroffenen Person nicht offenbart werden dürfen. Dies gilt auch rückwirkend. Sogar die Geburtsurkunde wird demnach angepasst. Dadurch soll verhindert werden, dass betroffene Personen beispielsweise durch alte, unrichtige Dokumente zwangsweise ihre Transidentität offenbaren müssen. Denn wenn das frühere zugewiesene Geschlecht und der frühere Name einer trans Person in einem Arbeitszeugnis verwendet werden, kommt es im Rahmen zukünftiger Bewerbungen genau zu solchen Zwangsoutings. 

Auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit falscher Namens- und Geschlechtsbezeichnung unzulässig. Das AGG verbietet Benachteiligungen wegen des Geschlechts und der geschlechtlichen Identität am Arbeitsplatz (§§ 7 Abs. 1, 1 AGG). Das gilt auch für Benachteiligungen bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, wie z.B. bei der Ausstellung des Arbeitszeugnisses im Zuge eines Arbeitsplatzwechsels. 

Eine Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aufgrund eines vom AGG geschützten Merkmals, wie etwa des Geschlechts oder der geschlechtlichen Identität, weniger günstig behandelt wird als eine Vergleichsperson (§ 3 Abs. 1 AGG). Vergleichspersonen sind in diesem Fall cis Mitarbeitende, also die Angestellten, deren empfundenes Geschlecht mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt. Wenn ein Arbeitgeber diesen Mitarbeitenden ein ihrem empfundenen Geschlecht entsprechend formuliertes Arbeitszeugnis ausstellt, aber trans Mitarbeitenden nicht, liegt eine Benachteiligung vor.

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGGs haben Betroffene also ggf. zusätzlich Ansprüche auf Schadensersatz und/oder Entschädigung nach § 15 AGG.

Ergebnis/Beilegung

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat Jana L. über ihre Rechte aufgeklärt. Mit Jana L.s Einverständnis schrieb die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ihre Arbeitgeberin an, um auf Frau L.s Recht hinzuweisen und bat sie, eine entsprechende Änderung des Arbeitszeugnisses vorzunehmen. Angesichts der eindeutigen Rechtslage lenkte die Arbeitgeberin daraufhin ein: Bereits eine Woche später erhielt Jana L. das korrigierte Arbeitszeugnis.

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