„Frau, Frau, Kind – das ist doch keine Familie“
Der Fall
Frau B. hat nach langer Suche endlich eine Wohnung für sich und ihre langjährige Partnerin gefunden. Die beiden freuen sich besonders, da sie in Kürze ein Kind erwarten. Nachdem sich die Familie in spe mit allen Unterlagen auf die Wohnung beworben hat, teilt ein Vertreter des Vermieters Frau B. telefonisch mit, für die Wohnung seien keine Wohngemeinschaften (WGs) gewünscht. Frau B. erklärt daraufhin, dass es sich bei ihnen nicht um eine WG handelt, sondern sie und ihre Partnerin gemeinsam mit dem erwarteten Kind eine Familie sind. Der Vertreter des Vermieters nimmt diesen Hinweis auf und sichert zu, ihn zu berücksichtigen. Gleichzeitig bestätigt er Frau B., dass die finanzielle Lage der Familie sehr gut aussehe. Wenig später erhält Frau B. erneut einen Anruf mit einer erneuten Ablehnung. Als Grund wird wieder genannt, dass es sich bei ihnen um eine WG handle und sie somit die Kriterien zur Vermietung der Wohnung nicht erfüllten. Auch wird plötzlich angeführt, ihre finanzielle Situation sei nun doch nicht ausreichend, um die Wohnung zu mieten.
Einordnung / Einschätzung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt grundsätzlich auch in Mietverhältnissen vor Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft oder rassistischer Zuschreibung, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Eine Benachteiligung liegt immer dann vor, wenn eine Person eines dieser Merkmale aufweist und infolgedessen eine schlechtere Behandlung erfährt.
Das AGG untersagt dabei nicht nur eine direkte Benachteiligung von Personen aufgrund eines geschützten Merkmals, sondern in § 3 Abs. 2 AGG auch die sogenannte mittelbare Benachteiligung. Eine mittelbare Benachteiligung besteht immer dann, wenn eine formal neutrale Vorschrift, ein Kriterium oder Verfahren in besonderer Weise Menschen benachteiligt, die ein geschütztes Merkmal aufweisen.
Die pauschale Regel des Vermieters, er vermiete nicht an WGs, ist an sich neutral, da sie sich nicht auf eines der im AGG genannten Merkmale bezieht. Vor dem Hintergrund der Angaben von Frau B., dass sie und ihre Partnerin als Familie einziehen, ergibt sich allerdings eine Benachteiligung von Frau B. und ihrer Partnerin im Vergleich zu heterosexuellen Elternpaaren wegen der sexuellen Identität.
Eine Vater-Mutter-Kind-Familie würde der Vermieter nicht als WG kategorisieren und auch nicht von der Vermietung ausschließen. Gleichgeschlechtliche Paare werden somit durch die Bestimmungen des Vermieters pauschal als Mieter*innen ausgeschlossen und benachteiligt. Zu beachten ist noch die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 AGG. Danach liegt eine mittelbare Benachteiligung nicht vor, wenn diese durch ein rechtmäßiges und sachliches Ziel gerechtfertigt ist. Bei einer Vermietung an tatsächliche Wohngemeinschaften wird z.B. häufig die Benennung eines Hauptmieters verlangt, um die Abwicklung der Mietforderungen zu erleichtern. In diesem Fall war aber, wie auch bei verschiedengeschlechtlichen Familien, nicht zu erwarten, dass die Mieter_innen häufig wechseln würden.
Ergebnis / Beilegung
Eine sachliche Rechtfertigung ist hier nicht ersichtlich. Als Folge der Benachteiligung durch den Vermieter könnte Frau B. nach dem AGG daher vor Gericht einen Anspruch auf Beseitigung der Benachteiligung sowie Schadens- und Entschädigungsansprüche erstreiten.
Nachdem Frau B. sich an die Antidiskriminierungsstelle gewandt hatte, holte unser Beratungsteam eine Stellungnahme des Vermieters ein, um den Sachverhalt weiter aufzuklären und auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Der Vermieter blieb allerdings dabei, nicht an B vermieten zu wollen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hätte Frau B. somit geraten, sich anwaltliche Unterstützung zu suchen, falls sie Klage einreichen wollte. . Da sie jedoch in der Zwischenzeit eine andere ebenfalls für ihre junge Familie geeignete Wohnung gefunden hatte, verzichtete sie auf den Gang zum Gericht.