Studie: Diskriminierung beim Zugang zu privaten Gütern und Dienstleistungen 21.04.2021
Ob auf dem Wohnungsmarkt, im Nahverkehr, im Einzelhandel oder beim Zugang zu Krediten: Überall kann es zu Diskriminierungen kommen. Eine neue Studie zeigt, auf welchem Weg Betroffene ihr Recht am besten durchsetzen können und was flankierende Maßnahmen wie Sensibilisierung erreichen können.

Diskriminierungen werden beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zwar regelmäßig erlebt, rechtliche Schritte unternehmen Betroffene jedoch nur äußerst selten. Ein Grund dürfte im Bereich der Waren und Dienstleistungen insbesondere darin liegen, dass nur sehr geringe Schmerzensgeldzahlungen im Erfolgsfall einem hohen Prozessrisiko gegenüberstehen. Die rechtssoziologische Studie analysiert bestehende Wege der Rechtsdurchsetzung – individuelle, kollektive und behördliche Mechanismen – sowie flankierende Maßnahmen, wie z. B. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen und Sensibilisierung. Sie gibt auf dieser Grundlage konkrete Handlungsempfehlungen zur Fortentwicklung vorhandener und zur Neuentwicklung weiterer Verfahren der Rechtsdurchsetzung.
Zentrale Ergebnisse:
Der außergerichtlichen Schlichtung als alternativem Rechtsdurchsetzungsverfahren kommt nach Ansicht der Autor*innen eine besondere Rolle zu. Konflikte im Bereich des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen können hier niedrigschwellig bearbeitet und nachhaltig gelöst werden. Eine einvernehmliche Streitbeilegung und Kompromissfindung ist häufig im Interesse der Betroffenen, die sich in der Regel ein Ende der Diskriminierung, eine Entschuldigung bzw. die Zusage wünschen, dass diskriminierendes Verhalten sich nicht wiederholt. Bisher wird das Potenzial von Schlichtungsverfahren nach Ansicht der Autor*innen jedoch kaum genutzt, da bisherige Schlichtungsangebote selten für Diskriminierungsfälle sensibilisiert sind und weder bei Beratungsstellen noch Betroffenen ausreichend bekannt.
Deutlich wird: Die individuelle Rechtsdurchsetzung in Form von Klagen ist unter anderem aufgrund der verhältnismäßig hohen Hürden der Beweislast, der langen Verfahrensdauer, der begrenzten Anzahl von sachkundigen Anwält*innen im Antidiskriminierungsrecht, der unwägbaren Kosten und der sehr geringen Entschädigungssummen für Betroffene wenig attraktiv. Helfen können strategische Klagen, dieses Problem zu überwinden. Sie helfen nicht nur den betroffenen Personen, sondern sind auch geeignet, Rechtsreformen und die Auslegung materiellen Rechts voran zu bringen. Eine kollektive Rechtdurchsetzung könne überdies die Schwächen der individuellen Rechtsdurchsetzung überwinden, insbesondere wenn individuelle Geschädigte nicht auszumachen sind.
Eine behördliche Rechtsdurchsetzung, etwa die gewerberechtlichen Diskriminierungsverbote in den Landesgaststättengesetzen von Niedersachsen, Bremen und Thüringen beim Zugang zu Clubs und Gaststätten, ist nach Ansicht der Autor*innen zwar in der Theorie ein vielversprechender Baustein für eine effektivere Diskriminierungsbekämpfung. Praktisch kam es aber bislang nur selten zu rechtskräftigen Bußgeldbescheiden, was vor allem auf Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung zurückzuführen sei.
Zur Stärkung des Rechts wird insbesondere vorgeschlagen, den Anwendungsbereich des Abschnitts 3 des AGG zu spezifizieren und das Anrecht auf Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen im AGG zu verankern. Um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, empfiehlt die Studie die Einführung einer Prozessstandschaft und ein Verbandsklagerecht. Zudem sollten Testing-Verfahren als Mittel der Beweisführung anerkannt sowie angemessene und abschreckende Sanktionen bei Diskriminierungen im Bereich des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen verhängt werden. Weiter wird empfohlen, bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Ombudsstelle zur Schlichtung von Diskriminierungsbeschwerden anzusiedeln, die unparteiisch Beschwerden annehmen und bearbeiten kann. Daneben schlägt das Autor*innenteam vor, verstärkt Schulungen zum Diskriminierungsschutz anzubieten und die Curricula der Lehrberufe entsprechend weiterzuentwickeln, staatliche und zivilgesellschaftliche Antidiskriminierungsstellen zu fördern und Diskriminierungserfahrungen sowie Wirksamkeit von Antidiskriminierungsmaßnahmen vertiefter zu erforschen.
Hier finden Sie die Studie „Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung des Diskriminierungsschutzes bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse. Bestandsaufnahme, Alternativen und Weiterentwicklung“.
Hier finden Sie einen Steckbrief zur Studie.