Jahresbericht der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung 27.06.2023
Rekordwert bei Beratungsanfragen zu Diskriminierung – Fälle zu Rassismus und Behinderung am häufigsten
- Ataman:
„Immer mehr Menschen nehmen Diskriminierung nicht hin – das ist ein wichtiges Zeichen gesellschaftlicher Reife.“
- Antidiskriminierungsbeauftragte startet Programm „respekt*land“:
„Ich will Mut machen, gegen Diskriminierung vorzugehen.“
Im Jahr 2022 haben sich so viele Bürger*innen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gewandt wie nie zuvor. Insgesamt 8.827 Beratungsanfragen zu Diskriminierung gingen bei der ADS ein. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Anfragen damit um 14 Prozent gestiegen, verglichen mit 2019 haben sie sich mehr als verdoppelt. Das geht aus dem Jahresbericht 2022 hervor, den die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Mehr als 6.600 Anfragen davon bezogen sich auf ein Diskriminierungsmerkmal, das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt ist. Dazu zählen Alter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Identität, Religion und Weltanschauung sowie rassistische und antisemitische Diskriminierungen. In rund 2.200 Fällen meldeten sich Menschen, die aufgrund anderer Merkmale benachteiligt wurden, zum Beispiel wegen des sozialen Status oder weil sie aufgrund der Elternschaft diskriminiert wurden.
Die Entwicklung der Anfragen zu allen Diskriminierungsmerkmalen im AGG:
- Mit einem Anteil von 43 Prozent der Anfragen berichteten Menschen am häufigsten über rassistische Diskriminierung.
- 27 Prozent der Fälle bezogen sich auf Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung.
- 21 Prozent der Anfragen kamen zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts.
- 10 Prozent der Anfragen gab es zu Benachteiligungen wegen des Alters.
- 5 Prozent der Anfragen bezogen sich auf Diskriminierungen wegen der Religion, 1 Prozent auf Diskriminierungen zur Weltanschauung.
- 4 Prozent der Anfragen bezogen sich auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität.
„
Immer mehr Menschen nehmen Diskriminierung nicht hin. Das belegen die Zahlen ganz deutlich. Wir haben deutlich mehr Anfragen, als wir entgegennehmen können. Dass Menschen den Mut haben, über Diskriminierung zu sprechen und sich Hilfe zu holen, verdient unsere Anerkennung. Und es zeigt, dass das Bewusstsein für Antidiskriminierung in der Bevölkerung wächst - ein wichtiges Zeichen gesellschaftlicher Reife und Integration“
, sagte Ataman. „Ich will Menschen ermutigen, sich Diskriminierung nicht gefallen zu lassen. Und ich will, dass mehr Menschen wissen, dass Diskriminierung verboten ist. Außerdem will ich das AGG zukunftsfähig machen – zum Beispiel bei Diskriminierungen durch Systeme künstlicher Intelligenz.“
Dafür kündigte Ataman drei konkrete Maßnahmen an. Die wichtigste ist der flächendeckende Ausbau der Antidiskriminierungsberatung. Dafür startet sie das bislang größte Förderprogramm zu Antidiskriminierung in Deutschland. „Mit dem Programm „respekt*land“ unterstützen wir gemeinsam mit den Ländern 35 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet mit einem Fördervolumen von insgesamt 5 Millionen Euro“
, sagte Ataman. Zudem kündigte die Unabhängige Bundesbeauftragte für den Herbst eine Informationskampagne an, damit mehr Menschen ihre Rechte in Fällen von Diskriminierung kennen. Ataman will außerdem den Schutz vor Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz stärker in den Blick nehmen. Dazu kündigte sie an, im Sommer konkrete Vorschläge vorzulegen.
Fakten und Zahlen im Überblick:
Die meisten Ratsuchenden erlebten Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt (27 Prozent). Insgesamt 25 Prozent der Menschen wurden bei sogenannten Alltagsgeschäften diskriminiert, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, aber auch beim Restaurantbesuch, beim Einkaufen oder in Bus und Bahn. Arbeitsmarkt und Alltagsgeschäfte sind die Bereiche, in denen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt und Diskriminierung verbietet.
Diskriminierung kommt aber in allen Lebensbereichen vor. Das zeigen auch die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Häufig erlebten Menschen Ungleichbehandlung in Lebensbereichen, die nicht durch das AGG geschützt sind, zum Beispiel bei Ämtern und Behörden, bei Justiz, Bildung und der Polizei. „Auch hier muss ein wirksamer Diskriminierungsschutz eingeführt werden“
, sagte Ataman und setzt auf die Reform des AGG, die im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Den Jahresbericht 2022 finden Sie hier.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegründet worden. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung aus rassistischen oder antisemitischen Gründen, wegen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Die ADS berät rechtlich, kann Stellungnahmen einholen und gütliche Einigungen vermitteln. Sie betreibt Forschung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Diskriminierung. Seit 2022 wird die Leitung der Stelle als Unabhängige Bundesbeauftrage für Antidiskriminierung vom Deutschen Bundestag gewählt.