Benachteiligungserfahrungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund
im Ost-West-Vergleich
- Steckbrief zum Forschungsprojekt -
Autor*innen: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) GmbH, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2012
Kurzüberblick
Was wurde untersucht?
Die Expertise untersucht die persönlichen Diskriminierungserfahrungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Die Befragung konzentriert sich dabei auf das persönliche, subjektive Erleben von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten.
Abgefragt wurden acht Lebensbereiche, in denen Diskriminierungen vorkommen:
- Bildung,
- Arbeit,
- Ämter und Behörden,
- Nachbarschaft,
- Religionsausübung,
- Freizeitaktivitäten,
- Öffentliche Transportmittel,
- Wohnungssuche.
Die Studie basiert auf der „Integrationsbarometer“- Datenerhebung des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR).
Wer wurde befragt?
- Insgesamt nahmen 9.200 Personen an der telefonischen Befragung teil, davon 76,8 Prozent Personen mit Migrationshintergrund und 23,2 Prozent ohne Migrationshintergrund.
- Die Befragung wurde im Sommer 2011 in den westdeutschen Regionen Rhein-Ruhr, Stuttgart, Rhein-Main und in den ostdeutschen Regionen Berlin-Brandenburg und Halle-Leipzig durchgeführt.
- Von den Befragten mit Migrationshintergrund sind 13,3 Prozent türkischer Herkunft, 17,4 Prozent mit Herkunft aus EU-Staaten, 16,1 Prozent mit Herkunft aus europäischen Staaten außerhalb der EU und 14,6 Prozent afrikanischer, asiatischer und lateinamerikanischer Herkunft.
- Die Befragung wurde auch auf Russisch, Türkisch und Vietnamesisch angeboten.
Wichtigste Ergebnisse
Diskriminierungserfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen
- Personen mit Migrationshintergrund berichteten fast doppelt so häufig von erlebten Diskriminierungen wie die Mehrheitsbevölkerung. 41,9 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund und rund 25 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund gaben an, in den letzten 12 Monaten benachteiligt worden zu sein.
- Von den Befragten mit Migrationshintergrund gaben 9,4 Prozent an bei der Wohnungssuche, 10 Prozent auf dem Arbeitsmarkt, 6,5 Prozent im Bildungsbereich und 9 Prozent durch Ämter und Behörden „sehr stark“ oder „eher stark“ benachteiligt worden zu sein. Allerdings waren nicht alle abgefragten Lebensbereiche – wie zum Beispiel die Bildung oder Wohnungssuche – für die Befragten zum Befragungszeitpunkt gleichermaßen relevant.
- In absoluten Zahlen gaben die meisten Befragten mit Migrationshintergrund an, bei Ämtern und Behörden (1.339 der Befragten) sowie am Arbeitsmarkt (1.156 der Befragten) benachteiligt worden zu sein.
Insbesondere sichtbare Minderheiten und Muslime berichten von Diskriminierung
- Insbesondere sichtbare Minderheiten wie die Gruppe der Personen mit türkischem Migrationshintergrund und Personen der Herkunftsgruppe Afrika/Asien/Lateinamerika erlebten häufiger Diskriminierungen: 31,3 Prozent der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund und 33,3 Prozent der Befragten der Herkunftsgruppen Afrika/Asien/Lateinamerika berichteten über Benachteiligungen am Arbeitsmarkt. Mehr als ein Drittel der Befragten dieser Herkunftsgruppen erlebten zudem Benachteiligungen bei Behörden und Ämtern (Herkunftsgruppe Türkei: 31,6 Prozent, Herkunftsgruppe Afrika/Asien/Lateinamerika: 31,5 Prozent). Auch bei der Wohnungssuche fühlte sich fast ein Drittel der Befragten dieser Gruppen benachteiligt (Herkunftsgruppe Türkei: 30,6 Prozent, Herkunftsgruppe Afrika/Asien/Lateinamerika: 27,9%). Alarmierend ist zudem, dass 23,7 Prozent der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund sowie 20,9 Prozent der Befragten mit der Herkunftsgruppe Afrika/Asien/Lateinamerika Diskriminierungen in der Nachbarschaft erlebten.
- Die Gruppe der Spät-/Aussiedler*innen erlebt mit 23,1 Prozent am stärksten Benachteiligungen am Arbeitsmarkt.
- Muslime gaben signifikant höhere Benachteiligungserfahrungen an. So erlebten 38,2 Prozent der Befragten der Herkunftsgruppe Afrika/Asien/Lateinamerika mit muslimischer Religionszugehörigkeit Benachteiligungen am Arbeitsmarkt (mit christlicher Religionszugehörigkeit: 31,6 Prozent, ohne: 28,8 Prozent).
Kein Ost-West-Unterschied
Im Vergleich von Ost- und Westdeutschland lässt sich kein signifikanter Unterschied im persönlichen Erleben von Diskriminierung erkennen.
Mehrheitsbevölkerung steht Vielfalt skeptischer gegenüber
Die Mehrheitsbevölkerung steht einer ethnischen Vielfalt größtenteils skeptischer gegenüber als die Zuwanderungsbevölkerung. So ist die Zustimmung zur Vielfalt in der Nachbarschaft, im Bildungssystem und am Arbeitsplatz bei Personen ohne Migrationshintergrund geringer als bei Personen mit Migrationshintergrund.
Handlungsoptionen
Was können Bundesländer und Kommunen tun?
Das Ergebnis der Expertise verdeutlicht die Notwendigkeit, Diskriminierung konsequent zu bekämpfen. Dies ist nur mit der Unterstützung von Bundesländern und Kommunen machbar. Die Antidiskriminierungsstelle hat deswegen eine „Koalition gegen Diskriminierung“ ins Leben gerufen, um gemeinsam Strategien gegen Diskriminierung zu entwickeln:
- Diskriminierungsschutz muss als Aufgabe auf Landes- und kommunaler Ebene verankert werden.
- Migrant*innen muss im Falle einer Diskriminierung bestmögliche Beratung zur Verfügung stehen.
- Ämter und Behörden müssen stärker als bisher Instrumente zur Förderung der Chancengleichheit und Bekämpfung von Diskriminierung einsetzen.