Beschwerdestelle
und Beschwerdeverfahren
nach § 13 AGG
- Steckbrief zum Forschungsprojekt -
Autor*innen: Doris Liebscher, Anne Kobes, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2010
Kurzüberblick
Die Expertise analysiert den rechtlichen Rahmen der Beschwerdemöglichkeiten nach § 13 AGG und enthält praktische Vorschläge zur Umsetzung.
Wichtigste Ergebnisse
Das Beschwerderecht nach § 13 AGG
Das AGG räumt Beschäftigten eines Unternehmens ein umfassendes Beschwerderecht in Bezug auf Diskriminierungen ein. Die konkrete Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens und der einzurichtenden Beschwerdestelle wird dabei dem Arbeitgeber überlassen.
Wer kann sich beschweren?
Beschweren können sich Beschäftigte, die sich rassistisch oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt fühlen. Das AGG geht von einem weiten Beschäftigtenbegriff aus, umfasst sind damit auch Bewerber*innen, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen. Den beschwerdeführenden Personen sowie unterstützenden Personen dürfen keine Nachteile durch die Ausübung des Beschwerderechts entstehen. Das Beschwerdeverfahren kann parallel neben einer Klage erfolgen.
Welche Maßnahmen müssen Arbeitgeber treffen, wenn eine Diskriminierung festgestellt wird?
- Bei Diskriminierungen durch den Arbeitgeber ist dieser verpflichtet, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, die Benachteiligung zu unterlassen und nachträglich unterlassene Leistungen zu gewährleisten.
- Bei Diskriminierungen durch Beschäftigte hat der Arbeitgeber Schutzpflichten. Im Einzelfall muss der Arbeitgeber geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung treffen, zum Beispiel durch Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung.
- Auch bei Diskriminierungen durch Dritte, wie Geschäftspartner*innen oder Kund*innen hat der Arbeitgeber Schutzpflichten. Im Ausnahmefall kann das sogar dazu führen, dass die Geschäftsverbindung abzubrechen ist.
Wie sollte die Beschwerdestelle organisiert sein?
- Der Arbeitgeber kann entweder konkrete Personen als Beschwerdestelle benennen oder eine für das Beschwerdeverfahren zuständige Stelle einrichten.
- Bei sexueller Belästigung sollte es möglich sein, die Beschwerde einer Person des eigenen Geschlechts gegenüber vorbringen zu können.
- Gleichstellungs- oder Schwerbehindertenbeauftragte können nur dann für zuständig erklärt werden, soweit sie ausdrücklich Arbeitgeberfunktionen, also das Recht auf Prüfung und Ergebnismitteilung, wahrnehmen können.
- Der Betriebsrat gehört nicht zu der zuständigen Stelle, da er nicht Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen kann und nicht zur Weiterleitung der Beschwerde verpflichtet ist.
In der Praxis kommt es oft zur Doppelmandatierung von Gleichstellungs- und Schwerbehindertenbeauftragten. Dies birgt die Gefahr von Interessenskonflikten. Arbeitgeber sollten daher vorab klären, wie die Zusammenarbeit der Beschwerdestelle mit Gleichstellungs-, Schwerbehindertenvertretung, Personal- oder Betriebsrat erfolgen sollte. Das Beschwerderecht nach § 13 AGG soll den Beschäftigten den direkten Zugang zum Arbeitgeber ermöglichen. Möglich wäre, dass die Interessenvertretungen zur Unterstützung tätig werden oder ein gemeinsames, paritätisch besetztes Gremium, eingesetzt wird.
Welche Voraussetzungen sollte das Beschwerdeverfahren erfüllen?
- Die Beschwerde muss vom Arbeitgeber geprüft werden. Die Bearbeitung kann an die Beschwerdestelle delegiert werden. Der Arbeitgeber muss aber die Möglichkeit haben, selbst abschließend über den Sachverhalt zu entscheiden.
- Der Sachverhalt muss mit sämtlichen dem Arbeitgeber bzw. der Beschwerdestelle zur Verfügung stehenden Mitteln aufgeklärt werden. Die betroffenen Parteien sollten angehört werden.
- Das Ergebnis der Prüfung ist der beschwerdeführenden Person mitzuteilen und – zumindest bei einer Zurückweisung der Beschwerde – zu begründen. Das Ergebnis sollte innerhalb einer angemessenen Zeit, maximal bis zu zwei Wochen, erfolgen.
- Es empfiehlt sich, alle Vorgänge zu dokumentieren. Die Beschwerde sollte aber getrennt von den Personalakten aufbewahrt werden.
- Die Rechte der Arbeitnehmervertretung bleiben unberührt.
Wie sollte ein Beschwerdeverfahren ablaufen?
Es bietet sich ein mehrstufiges Verfahren an:
- In einem ersten Schritt sollte die Beschwerde entgegengenommen werden.
- In einem zweiten Schritt sollte der Sachverhalt ermittelt werden.
- Als nächstes sollte geprüft werden, ob ein Verstoß gegen das AGG vorliegt.
- Dann sollte das Ergebnis der Prüfung der beschwerdeführenden Person mitgeteilt werden.
- Zum Schluss sollte der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Eine Beispielvorlage für die Dokumentation einer Beschwerde nach § 13 AGG finden Sie hier.
Was können Betriebsräte tun, wenn der Arbeitgeber keine Beschwerdestelle einrichtet?
Sollte der Arbeitgeber grob dagegen verstoßen, dass eine Beschwerdestelle eingerichtet wird, können der Betriebsrat als auch Gewerkschaften beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber die Handlung vornimmt.