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Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen

Wissensstand und Forschungsbedarfe für die Antidiskriminierungsforschung

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Susanne Bartig, Dorina Kalkum, Ha Mi Le und Aleksandra Lewicki; im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2021

Kurzüberblick

Die Studie arbeitet den sozialwissenschaftlichen Forschungsstand darüber auf, welche Diskriminierungserfahrungen und -risiken im Gesundheitssektor belegt sind. Dabei wird der Wissensstand zu Diskriminierung im Gesundheitswesen als Dienstleister sowie als Arbeitgeber aufgearbeitet und bestehende Forschungslücken identifiziert. Der Überblick untersucht alle AGG-Merkmale sowie den sozioökonomischen Status und die Gewichtskategorie. Dabei werden folgende Fragen in den Blick genommen:

  • Welche Formen, Prävalenzen und Ursachen von Diskriminierung existieren im Gesundheitswesen?
  • Wer ist davon betroffen? Inwiefern knüpft Diskriminierung von Patient*innen an mehrere Merkmale an oder verläuft intersektional?
  • Welche merkmalsübergreifenden Ausschlussmechanismen treten in welchen relevanten Versorgungssituationen und Schlüsselprozessen der Gesundheitsversorgung auf?
  • Welche Rolle spielt institutionelle Diskriminierung im Gesundheitswesen?
  • Welche Erkenntnisse gibt es zu Diskriminierungsrisiken und -vorkommen im Gesundheitssektor als Arbeitgeber?

Der Fokus der Untersuchung liegt auf der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung inklusive Rehabilitationseinrichtungen. Die Untersuchung stützt sich im Wesentlichen auf Forschungsergebnisse zu Deutschland aus den Jahren 2010 bis 2020 und hat ergänzend Expert*inneninterviews geführt.

Wichtigste Ergebnisse

Die Analyse des bundesdeutschen Forschungstandes zu Diskriminierung im Gesundheitswesen zeigt, dass Diskriminierungsrisiken sowohl im Zugang als auch in der Inanspruchnahme (Diagnosestellung, Behandlung, Rehabilitation) der gesundheitlichen Versorgung für alle betrachteten Merkmale bestehen.

Die Benachteiligungen äußern sich sowohl als diskriminierendes Verhalten seitens des medizinischen Personals als auch durch institutionelle Praktiken bzw. Abläufe, die zu einer ungleichen Behandlung von Patient*innengruppen führen. Die Autorinnen machen folgende übergreifende Muster aus:

  • Diskriminierungsrisiken durch mangelnde räumliche und kommunikative Barrierefreiheit im Gesundheitssystem,
  • Diskriminierungsrisiken auf Kommunikations- und Interaktionsebene,
  • Diskriminierungsrisiken aufgrund mangelnden Fachwissens und unzureichende Sensibilisierung des medizinischen und pflegenden Gesundheitspersonals für die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Patient*innengruppen,
  • Institutionelle Diskriminierungsrisiken durch standardisierte Abläufe und Routinen und dem damit verbundenen Zeit- und Effizienzdruck,
  • mangelnde diversitätsorientierte Ausrichtung der Angebote des Gesundheitssystems.

Handlungsoptionen

Aus der Bestandsaufnahme der Forschung und den Expert*inneninterviews wurden folgende merkmalsübergreifende Forschungsbedarfe zu den Diskriminierungsrisiken im Gesundheitswesen identifiziert:

  • theoriegeleitete, konzeptionell fundierte Forschung zu Diskriminierung im Gesundheitswesen, die nicht nur Unterschiede zwischen Gruppen aufzeigt, sondern auch die zugrundeliegenden Mechanismen einer ungleichen Gesundheitsversorgung beleuchtet,
  • systematische Erforschung, inwiefern die skizzierten Unterschiede in der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung auf Diskriminierungsrisiken in Form von Zugangsbarrieren zurückzuführen sind,
  • systematische Erfassung der Formen und Auswirkungen von interpersonaler Diskriminierung auf den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, der Diagnose und Behandlung in den einzelnen Versorgungsbereichen sowohl für Patient*innen als auch für Beschäftigte des Gesundheitssystems,
  • Erfassung von institutionellen Diskriminierungsrisiken in der stationären Gesundheitsversorgung inklusive der Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen den Institutionen und den rechtlichen Rahmenbedingungen,
  • Längsschnittstudien, inwiefern Diskriminierung die Qualität der Versorgung und damit auch die Gesundheitsoutcomes beeinflusst,
  • verstärkte Berücksichtigung intersektionaler Diskriminierungsrisiken im Gesundheitswesen,
  • Subgruppenanalysen innerhalb der einzelnen im AGG genannten Merkmale, die eine differenzierte Betrachtung der Diskriminierungsrisiken und deren Einfluss auf die gesundheitliche Versorgungssituation ermöglichen.
  • Neben den im AGG genannten Merkmalen sowie dem Körpergewicht und sozioökonomischen Status sind weitere Personengruppen (z.B. wohnungslose Menschen) bei der Betrachtung von Diskriminierungsrisiken im Gesundheitswesen zu berücksichtigen. Zudem stellt die Gesundheitskompetenz (Health Literacy) ein zentrales Diskriminierungsrisiko im Zusammenhang mit dem Zugang zum Gesundheitssystem dar, welches sich nicht nur auf die Systemkenntnis, sondern auch auf die Rechtskenntnis der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland bezieht.
  • systematische Erforschung von Diskriminierung mithilfe verschiedener methodischer Zugänge, beispielsweis der direkten Beobachtung von Abläufen und anhand von experimentellen Designs,
  • Untersuchung der Nutzungshäufigkeit und Effektivität der unterschiedlichen und vielfältigen Beschwerdesysteme für Patient*innen, die Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung erlebt haben.

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Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung