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Diskriminierung
aufgrund des Alters

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Prof. Dr. Klaus Rothermund, Dr. Felipe Temming, LL.M., im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2010

Kurzüberblick

Die Expertise untersucht die rechtlichen Folgen, die das Verbot der Altersdiskriminierung – insbesondere im Arbeitsrecht – mit sich bringt. Darüber hinaus wird der bisherige Forschungsstand zur Altersdiskriminierung aus sozialpsychologischer Sicht aufbereitet. Ziel der Expertise ist es, Chancen und Vorteile des Diskriminierungsverbotes in einer alternden Gesellschaft darzustellen.  

Wichtigste Ergebnisse

Deutliche Unterschiede in der Behandlung älterer und jüngerer Menschen

Die Auswertung des Forschungsstandes zeigt, dass zum Teil deutliche Unterschiede in der Behandlung älterer und jüngerer Menschen in den Bereichen Arbeit, Gesundheit und Pflege, Wohnen, Finanzen und Versicherungen vorhanden sind. Auch das Rechtskorpus kennt viele Regelungen, die an das Alter anknüpfen. Von Benachteiligungen sind überwiegend ältere Menschen betroffen, allerdings finden sich in einigen Zusammenhängen auch Benachteiligungen jüngerer Menschen.

Altersdiskriminierung führt zu materiellen, sozialen und persönlichen Nachteilen.

Spürbare Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht

Das Verbot der Altersdiskriminierung ist für den europäischen Rechtsraum ein relativ neues besonderes Diskriminierungsverbot. Es handelt sich um ein Menschenrecht und hat spürbare Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht, welches altersdiskriminierende und sich teilweise widersprechende Regelungen enthält. Das Lebensalter sollte grundsätzlich nicht mehr Voraussetzung in Rechtsnormen sein.

Im Einzelnen:
  • Ein gewünschtes Lebensalter sollte nicht mehr in Stellenanzeigen genannt werden. Auch Einstellungshöchstgrenzen lassen sich nur noch in den seltensten Fällen rechtfertigen.
    Grundsätzlich ist es aber zulässig, auf die Berufserfahrung abzustellen.
  • Vergütungsregelungen, gesetzliche und tarifliche Kündigungsfristen oder Unkündbarkeitsklauseln sollten nicht mehr an das Lebensalter anknüpfen.
    Maßgebliches Kriterium ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit und nicht mehr das Lebensalter.
  • Die Sozialauswahl gemäß § 1 III 1 Kündigungsschutzgesetz könnte nach Ansicht der Autoren der Expertise gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen. Rentennähe und Rentenberechtigung als unbenannte Kriterien sollten nicht mehr zu Lasten älterer Arbeitnehmer*innen bewertet werden.
    Der ausdrücklich genannte soziale Gesichtspunkt des Lebensalters ist nicht geeignet, ein höheres Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit abzubilden.
  • Die Autoren setzen sich auch mit der Rentenaltersgrenze von 65 Jahren auseinander. Diese ist nach ihrer Ansicht in ihrer allgemeinen, starren Form nicht mehr denkbar.
    Als milderes Mittel kommen flexible Lösungen in Betracht, beispielweise dass Arbeitnehmer*innen sich ein Jahr vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu ihrer Weiterbeschäftigung äußern müssen und der Arbeitgeber dem Verlangen der Arbeitnehmer*innen (dringende) Gründe der ausgewogenen Personalstruktur des Unternehmens bzw. der mangelnden Eignung entgegenhalten kann. Denn nur die wenigsten Arbeitnehmer*innen gehen von einer aktiven und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in die Altersrente. Nur in besonderen Einzelfällen, zum Beispiel für Pilot*innen, hätten starre Altersgrenzen weiterhin Bestand.
  • Die gesamte Wirkkraft des Verbots der Altersdiskriminierung hängt von der zukünftigen Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall ab. Die Richter*innen sollten die jeweiligen Maßnahmen wie zum Beispiel Kündigungen auf deren Verhältnismäßigkeit hin prüfen.

Handlungsoptionen

Um Altersdiskriminierung zu überwinden bedarf es umfangreicher Maßnahmen. Im Grundsatz sollte sich der Gesetzgeber um altersneutrale Regulierungen bemühen.

Von Bedeutung sind neben rechtlichen Vorschriften insbesondere aber auch

  • die Einrichtung von Anlaufstellen für von Altersdiskriminierung betroffene Personen,
  • die Entwicklung altersfairer Unternehmensleitlinien,
  • Programme zur Schaffung eines positiven Altersklimas in Organisationen,
  • Schaffung altersheterogener Arbeitsgruppen und die Gestaltung altersfreundlicher Umwelten,
  • die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit Älterer durch Bildung und Weiterbildung,
  • die Sensibilisierung für altersfaires und altersangemessenes Verhalten,
  • die Anpassung altersdiskriminierender Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen,
  • die richterliche Prüfung jeweiliger Maßnahmen, wie zum Beispiel Kündigungen, auf deren Verhältnismäßigkeit.

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