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Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität

Ergebnisse einer quantitativen Betroffenenbefragung und qualitativer Interviews

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Dorina Kalkum, Magdalena Otto, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2017

Kurzüberblick

Die vorliegende Studie gibt einen umfassenden Einblick über Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bi-, pan-, demi- und asexuellen Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen. Dabei wird nicht nur die Diskriminierung selbst untersucht, sondern auch, welche Ressourcen und Strategien den Befragten zur Verfügung stehen, um sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen, sowie welchen Bedarf an Unterstützungsangeboten und Veränderungen es gibt. Auf der Grundlage der Betroffenenumfrage „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“ wurden 2.500 geschilderte Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Identität ausgewertet. Ergänzt wurde dies durch qualitative Gruppen- und Einzelinterviews sowie Expert*innengespräche.

Wichtigste Ergebnisse

Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Identität

  • Der größte Anteil der Erfahrungen ereignete sich in der Öffentlichkeit und Freizeit (32,5 Prozent).
  • Am zweithäufigsten wurde der Arbeitsbereich genannt mit 17,3 Prozent, gefolgt von Ämtern und Behörden mit 14,9 Prozent sowie Internet und Medien mit 13,5 Prozent. Bildung, Geschäfte und Dienstleistungen sowie Gesundheit und Pflege sind mit jeweils unter 10 Prozent vertreten.
  • Besonders häufig äußert sich die erfahrene Diskriminierung in Herabwürdigungen (53,3 Prozent), Beleidigungen (39,4 Prozent) oder dem Nicht-Zugestehen von Rechten (39,4 Prozent).
  • In 46,7 Prozent der Fälle wird es als belastend empfunden, immer wieder an die Diskriminierungserfahrung denken zu müssen.
  • 45,3 Prozent sind aufmerksamer gegenüber Diskriminierung geworden und 39,6 Prozent geben an, misstrauischer geworden zu sein.
  • Die Befragten berichteten häufig davon, dass ihre sexuelle Identität von anderen als nonkonform und somit erklärungsbedürftig betrachtet wird.

Arbeitsplatz relevante Diskriminierung anhand der sexuellen Identität

  • Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz schließen unter anderem die schlechtere Bewertung von Leistungen (64,1 Prozent), die Nicht-Einstellung (31,1 Prozent) und das Übergehen bei Beförderung und Gehaltszulagen (22,8 Prozent) ein.
  • Arbeitsplatzrelevante Diskriminierung ging meistens von Vorgesetzten aus (57,5 Prozent).
  • In 43,7 Prozent wurden Kolleg*innen als (Mit-) Verantwortliche genannt.
  • In keiner der geschilderten Situationen unterstützen Vorgesetzte die Betroffenen (0,0 Prozent).

Körperliche Übergriffe und (sexualisierte) Belästigung anhand der sexuellen Identität

  • Diskriminierungserfahrungen in Form körperlicher Angriffe oder Bedrohungen machen einen Anteil von 10,7 Prozent der Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Identität aus.
  • Dabei werden körperliche Angriffe und Bedrohungen anhand der sexuellen Identität vor allem im Bereich Öffentlichkeit und Freizeit erfahren (68,5 Prozent) und damit doppelt so häufig wie körperliche Angriffe und Bedrohungen anhand anderer AGG Merkmale.
  • In 68,1 Prozent der Erfahrungen werden von den Betroffenen unbekannte Personen als Verursacher*innen angeführt.
  • Am stärksten betroffen von körperlichen Übergriffen und Bedrohungen anhand der sexuellen Identität sind trans*- und inter* Personen mit 10,5 bzw. 15,4 Prozent.
  • In insgesamt 33,5 Prozent wurde von sexualisierter Belästigung berichtet. Während sexualisierte Kommentare mit 99,1 Prozent in nahezu jeder der sexualisierten Belästigungen vorkamen, wurden sexualisierte Übergriffe mit 5,7 Prozent deutlich seltener genannt.
  • Oft werden intime Fragen gestellt, und besonders lesbische, schwule, bi- und pansexuelle Personen erleben häufig (sexualisierte) Anspielungen.

Strategien der Befragten im Umgang mit Diskriminierung

  • Etwa 45 Prozent der Befragten reagierten auf die diskriminierende Situation. Darunter fallen verbale Reaktionen, die Situation zu verlassen, die Normalität der eigenen sexuellen Identität zu betonen oder diese zu verheimlichen, einen humorvollen Umgang zu wählen bzw. zu ignorieren.
  • Um sich gegen Diskriminierung wehren zu können, nutzen die Betroffenen verschiedene Ressourcen wie Beratungsstellen und ähnliche Angebote, greifen auf ihre eigenen Kompetenzen und Aktivismus zurück und setzen auf die Unterstützung durch ihr soziales Umfeld (Wahl-)Familie, Freund*innen, Peergroups, Communities.

Handlungsoptionen

  • Aufklärung über unterschiedliche sexuelle Identitäten altersgerecht schon im Kindergarten, Verankerung der Themen sexuelle Identitäten und Familienformen in den Lehrplänen, Repräsentation in Bildungsmaterialien und in den Medien.
  • Insbesondere Mitarbeiter*innen mit Personalverantwortung sollten für Diskriminierung sensibilisiert werden. Dabei sollten Handlungsmöglichkeiten für Intervention und Prävention aufgezeigt werden.
  • Sensibilisierung von Personal bei Ämtern und Behörden, im Gesundheits- und Pflegebereich und in der Arbeit mit Geflüchteten.
  • Mehr Vernetzung von verschiedenen Verbänden und Initiativen, damit auch Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, mehr Möglichkeiten für Kontakt und Austausch haben.
  • Mehr Fördergelder bereitstellen für Beratungsstellen und Aufklärungsprojekte mit mehrdimensionalem Ansatz und solche, die sich bislang unzureichend berücksichtigten Themen widmen, wie lesbischen, bisexuellen oder trans*- und inter*-Themen.

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