Navigation und Service

Geschlechterdiversität in Beschäftigung und Beruf

Bedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten von Antidiskriminierung für Arbeitgebende

- Steckbrief zur Studie -

Autor*innen: Dr. Tamás Jules Fütty, Marek Sancho Höhne, Eric Llaveria Caselles, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2020

Kurzüberblick

Die Studie identifiziert, wo in Deutschland Defizite im Hinblick auf die Anerkennung und Antidiskriminierung von geschlechtlicher Vielfalt im Bereich Beschäftigung und Beruf liegen. Darüber hinaus werden beispielhafte Maßnahmen zur Umsetzung von Inklusion und Antidiskriminierung von geschlechtlicher Vielfalt in Beschäftigung und Beruf recherchiert und aufbereitet. Die Studie entwickelt aus beiden Perspektiven exemplarisch praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber zur Inklusion von inter*, trans* und anderen abinären Menschen in Beschäftigung und Beruf.

Dabei wird auf die sechs Handlungsfelder Betriebskultur, Personalgewinnung, Umgang mit geschlechtsbezogenen Daten, Sprache und Kommunikation, Sanitäranlagen und Umkleiden sowie Körper, Kleidung und Gesundheit.eingegangen.

Wichtigste Ergebnisse

Der nationale und internationale Forschungsstand zu Diskriminierungen von inter*, trans* und (anderen) abinären Menschen verdeutlicht, dass strukturelle Diskriminierungen noch immer alle gesellschaftlichen Bereiche prägen und sich negativ auf die Lebenssituation und Gesundheit geschlechterdiverser Menschen auswirken.
Auch in Beruf und Beschäftigung prägen Benachteiligungen durch zweigeschlechtliche Normierungen alle Phasen und Aspekte des Arbeitslebens von geschlechterdiversen Menschen. Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen unterstreichen jedoch, dass Arbeitgeber bereits jetzt verpflichtet sind, Antidiskriminierung in Bezug auf geschlechterdiverse Beschäftigte umzusetzen.

Handlungsoptionen

Aus den in der Studie beschriebenen Diskriminierungsrisiken und -erfahrungen leiten sich sechs zentrale Handlungsfelder ab, in denen die Diskriminierung geschlechterdiverser Menschen in Beschäftigung und Beruf abgebaut und präventiv verhindert werden kann:

Geschlechterinklusive Betriebskultur

Grundlegend ist die strukturelle Verankerung einer geschlechterinklusiven Betriebskultur, wofür Sensibilisierungsmaßnahmen sowohl auf Leitungsebene, für Personaler*innen als auch Mitarbeiter*innen die Grundlage bilden. Diese fördern grundlegend das Verständnis, warum konkrete Veränderungen, zum Beispiel in der Personalpolitik sowie hinsichtlich Sprache oder Toiletten etc., notwendig sind. Ein konstruktiver Umgang mit Widerständen in der Belegschaft bei Öffnungsprozessen sowie eine Strategie zur Reaktion auf konkrete Diskriminierungsvorfälle müssen gefunden werden. Ein präventiver Ansatz sowie Aufklärungsmaßnahmen sind dafür besonders wichtig. Wichtig sind auch Öffentlichkeitsarbeit sowie Netzwerke, die zur Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt und der Umsetzung einer geschlechterdiversitätsinklusiven Betriebskultur nach innen und außen förderlich sind.

Personalgewinnung

In der Personalgewinnung sollten eine geschlechterdiverse Ausschreibungspraxis, eine diskriminierungssensible Sprache sowie ein bewusster Umgang mit Bewerbungsunterlagen und mit differierenden selbstbestimmten Namen, z.B. in Zeugnissen, entwickelt werden. Empfohlen werden Einstellungsverfahren, die zur Gewährleistung von Antidiskriminierung geschlechterdiverser Beschäftigter geeignet sind, z.B. durch transparente Auswahlkriterien sowie der professionelle und geschlechterdiversitätsinklusive Umgang mit Kandidat*innen in Bewerbungsgesprächen. Darüber müssen die Besonderheiten geschlechtsspezifischer Ausschreibungen Beachtung finden.

Umgang mit geschlechtsbezogenen Daten

Der praktische Umgang mit geschlechtsbezogenen Daten setzt sowohl die Anerkennung von Geschlechterdiversität als auch die Einhaltung der informationellen Selbstbestimmung und Datenschutzvorgaben um. Empfohlen wird, die Erfassung und Nutzung von geschlechtsbezogenen Daten auf das rechtlich Gebotene zu beschränken, ohne dabei bestehende Diskriminierung zu verstärken. Dafür wird explizit auf den Umgang mit amtlichen Daten (Vorname und Personenstand) in der Personalverwaltung eingegangen. Auch werden unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten bei Namens- und Personenstandsänderung geschlechterdiverser Beschäftigter aufgezeigt. Zudem werden Fragen der technischen Umsetzbarkeit hinsichtlich arbeitsorganisatorischer Tools aufgegriffen, zum Beispiel durch Empfehlungen für Arbeitsverträge und Arbeitszeugnisse.

Geschlechterinklusive Sprache und Kommunikation

Wichtig sind ebenfalls eine geschlechterinklusive Sprache und Kommunikation in Bezug auf inter*, trans* und (andere) abinäre Menschen. Zentral ist hier die Verwendung von Selbstbezeichnungen, Namen und Pronomen sowie die korrekte Ansprache von geschlechterdiversen Beschäftigten im Arbeitsalltag. Neben Ressourcen und konkreten Sprachbeispielen werden grundlegende Dimensionen von inklusiver Sprache und Kommunikation ausgeführt. Zudem werden Empfehlungen unter anderem zur Vorgehensweise bei der Umstellung auf geschlechterinklusive Sprache sowie zur Kommunikation neuer Namen oder Ansprachen von Beschäftigten gegeben.

Sanitäranlagen

Eine besondere Sensibilität erfordert die Umstellung der Sanitäranlagen in der Arbeitsstätte, die inklusiv für geschlechterdiverse Menschen sind. Bei dieser Thematik wird oft außer Acht gelassen, dass geschlechtsneutrale Toiletten und Umkleiden bereits seit langem in täglicher Nutzung sind, zum Beispiel in Bahn, Flugzeugen oder Geschäften, die nur Einzelkabinen haben. Die beste Lösung, damit geschlechterdiverse Menschen diskriminierungsarm Sanitäranlagen und Umkleiden nutzen können, ist es, diese geschlechtsneutral zu gestalten. Es wird auf mögliche Widerstände in der Belegschaft eingegangen und konkrete Empfehlungen zur räumlichen Gestaltung und Beschilderung geschlechtsneutraler Sanitäranlagen am Arbeitsort geliefert.

Geschlechterdiverse Berufskleidung

Thematisiert werden sowohl formelle Grundlagen zu geschlechterdiverser Berufskleidung als auch Fragen rund um informelle Regelungen zu „angemessenem“ Aussehen und Auftreten. Letztere stellen aufgrund ihrer Intransparenz und Verwobenheit mit impliziten zweigeschlechtlichen Normen für geschlechterdiverse Beschäftigte ein besonderes Diskriminierungsrisiko dar. Neben konkreten Handlungsempfehlungen für geschlechterinklusive Kleiderordnungen sind die Reflexion und die Sensibilisierung bezüglich vergeschlechtlichter informeller Regelungen zu „professionellem Aussehen und Auftreten“ zentral. Auch die Dimensionen der Gesundheitsförderung sowie des Arbeitsschutzes für geschlechterdiverse Beschäftigte müssen in den Blick genommen werden.

Steckbrief ausdrucken