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Der Schutz vor Diskriminierung und die Förderung personaler Vielfalt im Arbeitsleben

Umsetzungsstand und Praxis in Unternehmen, Verwaltungen
und Organisationen des Dritten Sektors

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Dr. Annette Icks, Dr. Teita Bijedić, Dr. Rosemarie Kay, Philipp Latzke,
Andreas Merx, unter Mitarbeit von Christian Mappala, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)
Erscheinungsjahr: 2022

Kurzüberblick

Die Studie untersucht, inwiefern Diversity-Maßnahmen und Maßnahmen des Diskriminierungsschutzes rund 15 Jahre nach Einführung des AGG und der Gründung der Charta der Vielfalt in Unternehmen, Verwaltungen und dem Dritten Sektor umgesetzt werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Arbeitgeber*innen und Personalverantwortliche das AGG in der Praxis bewerten und inwiefern Diskriminierungsschutz und Vielfaltsförderung Einzug in die Unternehmens- und Organisationskulturen gehalten haben.
In der qualitativen Studie wurden aufbauend auf einer Literaturrecherche und Expert*innen-Interviews, die Geschäftsführungen oder Personalverantwortlichen von 50 Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen des Dritten Sektors befragt. Aus den Befragungsergebnissen wurden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert.

Wichtigste Ergebnisse

Haltungen zum AGG und zu Diversity-Maßnahmen

Die Intention des AGG, zu einem besseren Diskriminierungsschutz beizutragen, wird durchgängig begrüßt. Besonders größere Verwaltungen und große Unternehmen schätzen die Verbindlichkeit durch den rechtlichen Rahmen des AGG, dessen klare Vorgaben Orientierung geben. Große Unternehmen und Verwaltungen formulieren häufig eine Strategie zur Verringerung bzw. Vermeidung von Diskriminierung und zur Steigerung der personellen Vielfalt. Verwaltungen können dabei auf bereits vorhandene Prozesse und Strukturen durch Vorerfahrungen mit Gleichstellungs- und Personalvertretungsgesetzen zurückgreifen.

Kleinere Unternehmen nehmen eher die Hürden und Hemmnisse wahr, die mit der Umsetzung von Antidiskriminierungs- und Diversity-Maßnahmen verbunden sind, z.B. befürchteter bürokratischer Aufwand oder mangelnde Ressourcen. Einige Unternehmen stuften Arbeitgeberpflichten aus dem AGG als unangemessenen Eingriff in ihre Entscheidungsfreiheit als Unternehmen ein.

Bekanntheit und Umsetzung des AGG

Es hat sich gezeigt, dass Verwaltungen insgesamt bessere Kenntnisse des AGG haben als die Unternehmen und zum Teil die Organisationen des Dritten Sektors. Dabei muss bei den befragten Unternehmen zwischen großen und kleinen Unternehmen differenziert werden. Während alle großen Unternehmen ähnlich wie die Verwaltungen sehr gut informiert sind, kennen mehr als die Hälfte der befragten kleinen Unternehmen das AGG nicht.

Ähnliches gilt auch für die Umsetzung der im AGG enthaltenen Arbeitgeberpflichten, bei der weniger die Organisationsform als vielmehr die Größe von entscheidender Bedeutung ist. Während in Großunternehmen die Umsetzung Teil der Unternehmensstrategie und der Personalakquise darstellt sowie als Thema moderner Führung selbstverständlich dazu gehört, ist die Umsetzung für meist eigentümergeführte KMU aus eigener Kraft aus Kapazitätsgründen teilweise kaum zu leisten.

Aufgrund von Ressourcenknappheit werden insbesondere diejenigen Maßnahmen umgesetzt, die nach außen wirken und für die es keiner zusätzlichen personellen Ressourcen bedarf, wie z.B. merkmalsneutrale Stellenausschreibungen. Hingegen ist die Errichtung einer Beschwerdestelle und das Beschwerdemanagement mit personellen Ressourcen verbunden, welche die allermeisten KMU nicht in der Lage oder nicht bereit sind, einzusetzen.

Die befragten Verwaltungen erfüllen die Arbeitgeberpflichten wie merkmalsneutrale Stellenanzeigen, Informationspflichten sowie Schulungen zur Vorbeugung von und zum Schutz vor Diskriminierung insgesamt gut. Jedoch verfügen sie nur teilweise über AGG-Beschwerdestellen und setzen nur in geringem Umfang Positive Maßnahmen über die bereits vor dem AGG bekannten Maßnahmen um. Diese beziehen sich dann auf die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Schwerbehinderte.

Umsetzung von Diversity Management

In allen befragten Unternehmen, Verwaltungen und non Profit Organisationen werden Diversity-Maßnahmen ergriffen – zum Teil, ohne sie als solche einzuordnen und nicht auf Grundlage präventiver oder strategischer Überlegungen. Insbesondere KMU und Kleinstunternehmen planen bei Themen wie Antidiskriminierung und personeller Vielfalt in der Regel nicht langfristig. Sie reagieren eher anlassbezogen auf konkrete Vorfälle und aktuelle Fragestellungen im Betrieb, bspw. auf Fachkräftemangel oder demografische Veränderungen.

Verwaltungen und große Unternehmen haben Maßnahmen zur Unterstützung von nicht-diskriminierendem Verhalten und zur Förderung personeller Vielfalt institutionalisiert. Sie verfügen u.a. über Gleichstellungs-, Diversity- und Integrationsbeauftragte. Dies ist bei kleinen Unternehmen sowie kleineren Organisationen in der Regel nicht der Fall.

Relevanz einzelner AGG- bzw. Diversity-Dimensionen

Für alle befragten Arbeitgeber sind die wichtigsten Ansatzpunkte für Diversity-Maßnahmen vor allem die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Maßnahmen für schwerbehinderte Mitarbeitende. Hinsichtlich des wachsenden Fachkräftebedarfs sowie demografischer Veränderungen sind die Themen Nachwuchskräftesicherung bzw. junge Menschen sowie das Thema Lebensalter (jung/alt) in Verwaltungen und Unternehmen von großer Bedeutung. Bei größeren global agierenden Unternehmen spielt die Internationalität von Fachkräften insbesondere aufgrund der Rekrutierung von Fachkräften im Ausland eine große Rolle. Die Intention bei Verwaltungen ist eher die Erhöhung der Anzahl von Beschäftigten mit Migrationsgeschichte. Weitere AGG-Kategorien bzw. Diversity-Dimensionen, wie z.B. Weltanschauung und Religion sowie sexuelle Identität finden deutlich weniger Beachtung.

Handlungsoptionen

Aus den Ergebnissen leiten die Autor*innen unter anderem die folgenden übergreifenden Handlungsempfehlungen ab (Auswahl):

Zielgruppenorientierte Ansprache und Zugang zu Informationen über Antidiskriminierungsmaßnahmen und unterstützende Institutionen

Bei kleineren Unternehmen, zum Teil auch bei kleineren Verwaltungen und Organisationen des Dritten Sektors, bestehen erhebliche Wissensdefizite bezüglich des AGG. Um dem entgegenzuwirken, sollten Kooperationen zwischen den direkten Ansprechpartnern initiiert werden, wie bspw. Kammern, Unternehmensverbänden, Steuer- oder Unternehmensberater*innen und Multiplikator*innen im Themenfeld Antidiskriminierung und Diversity. Damit könnten ein geeigneter Zugang und eine geeignete Ansprache von vorallem kleineren Unternehmen geschaffen werden.

Zielgruppenspezifische Konzepte und Praxisbeispiele zur Einrichtung von AGG-Beschwerdestellen sowie der Gestaltung eines Beschwerdemanagements für Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen

Die Entwicklung niedrigschwelliger Konzepte für innerbetriebliche Beschwerdestellen ist notwendig, um vor allem kleineren Unternehmen und Organisationen aufzuzeigen, wie solche Stellen leistbar eingerichtet werden können. Diese Konzepte sollten mit konkreten Praxisbeispielen ausgestattet sein, um handlungsnahe Anreize und Anleitungen für die Umsetzung zu bieten und einem Praxischeck unterzogen werden. Auch die Förderung von Modellen, das Ansiedeln von Beschwerdestelle und -management bei einer übergeordneten Institution (z.B. Kammern), werden von den Autor*innen empfohlen.

Zielgruppenspezifische Praxisfallsammlungen zur Umsetzung Positiver Maßnahmen sowie Rechtsgutachten zur rechtsicheren Umsetzung

Positive Maßnahmen zur Verhinderung oder zum Ausgleich bestehender Nachteile im Sinne § 5 AGG waren vor allem bei KMU wenig bekannt. Positive Maßnahmen sind jedoch ein essentieller Bestandteil des AGG und dienen zum gezielten Abbau bestehender Diskriminierung und zur Erweiterung von unteranderem personeller Vielfalt. Zudem bestehen Unsicherheiten, ob und wie positive Maßnahmen rechtsicher umgesetzt werden können. Deshalb empfehlen die Autor*innen die Erstellung von Praxisfallsammlungen. Diese könnten die konkrete Gestaltung von positiven Maßnahmen bekannter machen und zu einer entsprechenden Umsetzung beitragen. Auch Rechtsgutachten mit bereichsspezifischen Praxisbeispielen könnten eine gute Unterstützung sein, um mit Beispielen zulässiger Umsetzung Maßnahmen besser zu verbreiten.

Modulare, zielgruppenspezifische Umsetzungshilfen zu vielfaltsorientierten Maßnahmen

Da ein umfassendes horizontales Konzept von Diversity-Management für KMU, Organisationen oder Verwaltungen oft als zu aufwendig und komplex wahrgenommen wird, wären modulare größen- und branchenspezifische Umsetzungshilfen zu vielfaltsorientierten Maßnahmen eine gute Alternative. Diese Maßnahmen sollten vor allem praxisnah und niedrigschwellig konzipiert sein und Informationen zu z.B. Berufsanerkennungsverfahren, Fördermöglichkeiten oder dem Teilhabegesetz bereitstellen. Bereits bestehende Zusammenstellungen sollten für weitere Bereiche und alle AGG-Dimensionen abdeckend ergänzt werden.

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