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Sexuelle Belästigung
im Hochschulkontext

Schutzlücken und Empfehlungen

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Prof. Dr. Eva Kocher, Stefanie Porsche, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2015

Kurzüberblick

Bei einer EU-weiten Studie über sexuelle Belästigung und Gewalt gab jede Zweite (54,7 Prozent) der befragten Studentinnen an, während der Zeit ihres Studiums sexuell belästigt worden zu sein (The Campus Sexual Assault (CSA) Study, 2007). Ein Drittel der Angriffe kamen dabei aus dem Umfeld der Hochschule. Laut der Studie geht sexualisierte Diskriminierung und Gewalt meist von Männern aus. In diesem Fall zählten Lehrende, Hochschulangestellte sowie häufig Kommilitonen zu den übergriffigen Personen.

Im Hochschulkontext sind Studierende auf besondere Weise durch sexuelle Belästigung gefährdet, da Abhängigkeiten bestehen und/oder eine enge Zusammenarbeit nötig ist. Ein Öffentlichmachen der Belästigung kann sich negativ auf den Verlauf des Studiums auswirken.

Ziel dieser Expertise ist es aufzuklären und Handlungsempfehlungen für den Hochschulkontext zu geben, um den Schutz von Studierenden vor sexueller Belästigung zu verbessern. Hierzu untersuchen die Autor*innen die Rechtsgrundlagen auf Bundes- und Landesebene sowie das autonome Recht der Hochschulen, um rechtliche Schutzlücken für Studierende bei sexualisierter Diskriminierung und Gewalt aufzuzeigen. Weiterhin illustrieren die Autor*innen die Praxis an deutschen Hochschulen mit Best-Practice Beispielen.

Wichtigste Ergebnisse

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Studierende an öffentlich-rechtlichen sowie an privaten Hochschulen sind über das Verbot diskriminierender Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG geschützt. Ebenso sind die Regelungen der Beweislasterleichterung (§ 22 AGG) sowie zur Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände (§ 23 AGG) im gesamten Hochschulkontext anwendbar. § 3 Abs. 4 AGG zum direkten Schutz vor sexueller Belästigung gilt allerdings lediglich für die Beschäftigten einer Hochschule, nicht aber für deren Studierende. Die Anforderungen zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 3 Abs. 3 AGG sind höher als die nach § 3 Abs. 4 AGG. Zusätzlich zur Würdeverletzung muss hier ein feindliches Umfeld gegeben sein. Somit stellt die Nichtanwendbarkeit von § 3 Abs. 4 AGG für Studierende eine enorme Schutzlücke dar.

Landeshochschulgesetze

Alle 16 Bundesländer haben von ihrer Gesetzgebungskompetenz für den Erlass von Landeshochschulgesetzen Gebrauch gemacht. Das Geschlechtergleichberechtigungsgebot und das Diskriminierungsverbot zu implementieren und durchzusetzen obliegt demnach der Hochschule. Allerdings ist die Umsetzung in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die Expertise weist darauf hin, dass es an Hochschulen nur vereinzelt ausreichend klare Regelungen zur Frage gibt, ob und wie Studierende vor sexueller Belästigung Schutz erfahren können. Ebenso wird sexuelle Belästigung als Bestandteil des Diskriminierungsverbots nur selten explizit genannt.

Autonomes Recht der Hochschulen

Im autonomen Recht der Hochschulen existieren Dienstvereinbarungen, in denen das Diskriminierungsverbot für Arbeits- und Dienstverhältnisse verankert ist. Um auch Studierende mit einzubeziehen, sind Hochschulen befugt, aber nicht verpflichtet, Richtlinien zum Verbot sexueller Belästigung zu erlassen. Diese beinhalten Grundsätze und Definitionen, Präventionsmaßnahmen, Verfahrensabläufe beim Verstoß gegen das Verbot sowie Sanktionen. Außerdem informieren sie über hochschulinterne Ansprechpartner*innen. Die von der Expertise untersuchten Richtlinien variieren extrem in ihrer Regelungsdichte und im Regelungsumfang.

Handlungsoptionen

Um den Schutz vor sexualisierter Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext zu optimieren, sprechen die Autor*innen der Expertise Empfehlungen für die verschiedenen Bereiche in den Hochschulen sowie gesetzliche Empfehlungen auf Bundes- und Landesebene aus:

Prävention

  • Zur Feststellung des Handlungsbedarfs:
    Durchführung einer Befragung unter allen Studierenden und Beschäftigten (jedes Geschlecht)
  • Erlass von Richtlinien,
    die das Verbot der sexualisierten Diskriminierung und der Gewalt gegenüber allen Studierenden sicherstellen (Frauen, Männer, LGBTI*)
  • Organisation von Flyer- und Plakatkampagnen
    zur Information und Sensibilisierung von Studierenden und Beschäftigten
  • Bekanntmachung der Gleichstellungsbeauftragen
    und/oder der Beschwerdestelle
  • Empowerment:
    Information der Studierenden über (rechtliche) Grundlagen und Hintergründe des Verbots der sexualisierten Diskriminierung
  • Infrastrukturelle Präventionsmaßnahmen:
    Schaffen von sicheren räumlichen Bedingungen an der Hochschule
  • Organisation von Fortbildungsmaßnahmen
    zum Thema diskriminierungsfreie Hochschule und Verpflichtung aller in den Prozess des Beschwerdeverfahrens involvierten Beschäftigten zur Teilnahme

Verfahren und Sanktionen

  • Einführung und Bekanntmachung eines transparenten, geregelten (Beschwerde-)Verfahrens
  • Einführung einer Beschwerdestelle (dabei Sicherstellung der Mindestqualifikation aller involvierten Personen)
  • Differenzierte Sanktionen je nach Status der*des Täter*in (Beschäftigte, Studierende, Dritte) beim Verstoß gegen das Verbot der sexualisierten Diskriminierung

Bundes- und Landesgesetze

  • Beschränkung von § 3 Abs. 4 AGG auf die Bereiche Arbeit und Beschäftigung aufheben
  • Klarstellung der allumfassenden Anwendbarkeit des AGG im Bereich der Hochschulbildung
  • Verankerung eines Diskriminierungsverbots (entsprechend § 3 Abs. 4 AGG) in den Landeshochschulgesetzen
  • Richtlinienerlassung verpflichten

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