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Weltanschauung als Diskriminierungsgrund

Begriffsdimensionen und Diskriminierungsrisiken

- Steckbrief zum Übersichtsartikel -

Autor*innen: Dr. Thomas Heinrichs – in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Heike Weinbach, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2016

Kurzüberblick

Der Übersichtsartikel will dazu beitragen, zu klären, was heute sinnvollerweise unter einer »Weltanschauung« zu verstehen ist und wie juristisch festgestellt werden kann, ob jemand sich zu Recht auf seine »Weltanschauung« beruft.

Grundlegende gesellschaftliche Diskriminierungsrisiken für weltanschaulich Gebundene und Konfessionsfreie werden benannt. Der Übersichtsartikel gibt einen umfassenden Überblick über die Rechtsprechung zu Fällen der Diskriminierung wegen einer Weltanschauung und wertet Dokumentationen zu Fällen aus, in denen sich Personen oder Organisationen wegen ihrer Weltanschauung oder Konfessionsfreiheit benachteiligt gefühlt haben.

Wichtigste Ergebnisse

Sowohl in verfassungsrechtlicher als auch in europarechtlicher Perspektive ist unter dem juristischen Begriff der Weltanschauung im positiven Sinn ein für die Lebensführung eines Menschen verbindliches und identitätsstiftendes Verständnis des menschlichen Lebens und der Welt, welches von einer relevanten Zahl anderer geteilt wird, zu verstehen.

Aus der negativen Religions-/Weltanschauungsfreiheit folgt, dass auch die individuelle Ablehnung jeden Sinnzusammenhangs, sei er religiös oder weltanschaulich-säkular begründet, als Weltanschauung begriffen werden muss, um einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung zu gewährleisten. In diesem Sinne ist auch die Konfessionsfreiheit im Rahmen der Weltanschauungsfreiheit geschützt.

Das größte strukturelle Diskriminierungsrisiko für weltanschaulich Gebundene und Konfessionsfreie liegt darin, dass sie nicht-religiös sind und damit Gefahr laufen, aufgrund der sozialen Dominanz religiöser Vorstellungen als moralisch defizitär eingestuft zu werden.

Die Auswertung der Rechtsprechung und Falldokumentation zeigt, dass Risiken unmittelbarer Diskriminierung vor allem bei kirchlichen Arbeitgebern und im öffentlichen Erziehungsbereich (Kindergärten, Schule, Hochschule) liegen.

Risiken mittelbarer Diskriminierung ergeben sich daraus, dass das deutsche Religions-/Weltanschauungsrecht am Muster der Organisationsform »Kirche« ausgerichtet ist und anders organisierte Weltanschauungen dadurch Schwierigkeiten haben, die gleichen Privilegien wie eine als Kirche organisierte Religion zu erhalten.

Handlungsoptionen

Recht

  • Rechtlichen Handlungsbedarf gibt es bei § 19 AGG, wo das Merkmal Weltanschauung als Schutzgrund fehlt. Dies müsste geändert werden, um einen gleichen Schutz vor Diskriminierung von Religionen und Weltanschauung im Bereich des Zivilrechts zu garantieren.
  • Weiterer rechtlicher Handlungsbedarf besteht bei § 26 Abs. 6 S. 2 u. 3 SchulGesetz NRW. Auch dieses müsste geändert werden, da es nicht zulässig ist, die Einstellung von Lehrer*innen an der Schule von ihrer Religions-/Weltanschauungszugehörigkeit abhängig zu machen.
  • Auch die Verordnungen zu »schulfrei« an religiösen Feiertagen müssten geändert werden. Die Feiertage von Weltanschauungsgemeinschaften müssen auch Berücksichtigung finden. Aktuell betrifft dies vor allem den Welthumanistentag am 21.06. eines jeden Jahres.
  • Die Regelung in § 9 AGG wird aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom EuGH überprüft werden. Möglicherweise wird die Entscheidung des EuGH dazu führen, dass sich die derzeitige Handhabung der Norm in der deutschen Arbeitsrechtsprechung ändern muss. In diesem Falle würde auch im Hinblick auf kirchliche Arbeitnehmer*innen ein ausreichender Diskriminierungsschutz bestehen.

Hochschulen

An Hochschulen müsste zumindest in den Bundesländern, in denen humanistischer Lebenskundeunterricht an den Schulen in einem relevanten Ausmaß stattfindet, das Studienfach Humanistik eingeführt werden. Aktuell betrifft dies vor allem Berlin.

Öffentliche Medien

Geändert werden müssten auch die Regelungen zur Besetzung der Rundfunkräte. Hier wäre vorzusehen, dass außer den Kirchen auch andere relevante Religions-/Weltanschauungsgemeinschaften einen Sitz in diesen Räten erhalten.

Gesellschaftlicher Diskurs

Die Integration der zunehmenden religiösen und weltanschaulichen Pluralität in unsere Gesellschaft hinein verlangt einen offenen Diskurs der Religionen und Weltanschauungen miteinander, der von der Politik auch bereits in Gang gesetzt worden ist. Es ist hierbei darauf zu achten, dass nicht immer nur die Religionen miteinander und mit Staat und Politik in einen Dialog treten, sondern weltanschaulich Gebundene gleichberechtigt daran teilnehmen. Ebenso sollten – falls organisatorisch möglich – die Konfessionsfreien hierbei repräsentiert werden.

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