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Dr. Christiane Droste und Remzi Uyguner // zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt 29.07.2021

Logo Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „Fair mieten – Fair wohnen"

Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt sind ein verbreitetes Problem. Immer wieder machen Menschen Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer zugeschriebenen Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Religion, ihrer Geschlechtsidentität, ihrer sexuellen Orientierung, einer Behinderung, ihres Alters, oder ihres sozialen Status. Das zentrale Ziel der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „Fair mieten – Fair wohnen“ ist neben der Betroffenenberatung die Förderung einer „Kultur fairen Vermietens“ in Berlin. Dafür gibt es seit neuestem das Leitbild „Berlin vermietet fair!“, das Berliner Vermieter*innen zum Einsatz gegen Diskriminierung motivieren soll. Vor allem aber unterstützt die Fachstelle Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt Diskriminierung erfahren, sei es durch Wohnungseigentümer*innen, Wohnungsverwalter*innen, Hausmeister*innen, Nachbar*innen, öffentliche Institutionen, Makler*innen oder auch durch Mitbewohner*innen. Seit Gründung im Juli 2017 wurden an die Fachstelle 355 Fälle von Diskriminierung im Wohnungsbereich herangetragen.

Drei Fragen

1) Was erleben Betroffene bei der Wohnungssuche und wie können Sie sie unterstützen?

Gegenwärtig müssen sich Menschen in der Regel online auf Wohnungen bewerben. Für die meisten, insbesondere älteren Menschen, stellt die Onlinebewerbung eine Hürde dar. Viele Bewerber*innen aus benachteiligten Gruppen bekommen entweder keine Antwort oder eine standardisierte Absage. Nicht selten über mehrere Jahre. Zur Besichtigung werden sie nicht eingeladen. Davon sind mehrheitlich Menschen mit als nicht-deutsch gelesenen Namen betroffen. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass Personen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft besonders in migrantisch geprägten Quartieren institutionell von der Vermietung ausgeschlossen werden.
Einige Ratsuchende werden selbst aktiv und weisen durch das reaktive Testing eine Diskriminierung nach. Die Situation ist für alle Ratsuchenden psychisch und physisch stark strapazierend und belastend. Es gibt immer wieder offen diskriminierende Anzeigen auf Online-Portalen. Berichtet wird auch von beleidigenden Formulierungen während der Besichtigungen, gerade gegenüber als muslimisch gelesenen Frauen mit einem Hijab.
Die Fachstelle berät Menschen mit Diskriminierungserfahrungen parteilich und nimmt ihr Anliegen ernst. Die Verursachenden erhalten Diskriminierungsbeschwerden und werden mit ihrem Verhalten konfrontiert. Neben den Klagen loten wir die Grenzen des AGG progressiv aus, indem wir uns in vorgerichtlichen Verhandlungen dafür einsetzen, dass die Bewerber*innen nicht nur eine Entschädigung, sondern auch eine Wohnung bekommen.

2) Was raten Sie Menschen, die Diskriminierungserfahrungen auf dem Wohnungsmarkt machen?

Diskriminierung kommt sowohl bei der Wohnungssuche als auch in bestehenden Mietverhältnissen vor, zum Beispiel im Zuge eines Nachbarschaftsstreits. Ein*e Nachbar*in verhält sich rassistisch oder auch sexistisch beleidigend oder die Vermietenden reagieren nicht diskriminierungssensibel. Wir ermutigen die Menschen, die eine Diskriminierung wahrnehmen, sich nicht als Opfer selbst zu stigmatisieren, das Erlebte öffentlich sichtbar zu machen und aktiv dagegen vorzugehen. Betroffene sind nicht alleine und nicht das Problem – es ist gesellschaftlich gewachsen und institutionell verankert.
Auch wenn die Menschen nach diskriminierenden Erfahrungen verletzt sind, sollten sie Ruhe bewahren, das Geschehen genau in einem Gedächtnisprotokoll festhalten, Zeug*innen ansprechen und ihre Kontaktdaten festhalten. Alle verfügbaren Dokumente, wie zum Beispiel Mails, Screenshots, Briefe, diskriminierende Wohnungsanzeigen sollten aufbewahrt sein und jedes Gespräch aufgeschrieben werden.
In Diskriminierungsfällen bei der Wohnungssuche hilft ein reaktives Testing. Die Rechtsprechung erkennt diese Methode als Nachweis der Diskriminierung an. Das Testing muss in echter Absicht der Wohnungssuche durchgeführt werden, ist logisch aufzubauen (Testperson bewirbt sich nach der Absage der diskriminierten Person) und Dokumente dürfen nicht gefälscht werden.
Wir empfehlen dann dringend eine qualifizierte, professionelle Antidiskriminierungsberatung aufzusuchen, um die nächsten Schritte, wie zum Beispiel die Klageerhebung oder eine Anzeige abzustimmen.

3) Was ist nötig, Diskriminierungen in Zukunft besser verhindern zu können?

Um Diskriminierung künftig zu verhindern, müssten sich mehr Vermieter*innen zu einer diskriminierungsarmen Wohnungsbewerbung, Vergabe, Vermietung und Verwaltung von Wohnraum bekennen. Dazu lädt unser Leitbild „Berlin vermietet fair!“ ein. Es wurde von der Fachstelle mit Unterstützung ihres Fachbeirats sowie von Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik sowie der Wohnungswirtschaft partizipativ entwickelt. Mit der mit Unterzeichnung einhergehenden Selbstverpflichtung von Vermieter*innen, die neun Leitsätze umzusetzen, regen wir unter anderem an, dass Vermieter*innen ihre Machtposition bewusst einsetzen, um Diskriminierung zu verhindern. Je mehr Vermieter*innen und auch wohnungswirtschaftliche Verbände sich öffentlich zum Leitbild bekennen, desto größer ist die Chance, Diskriminierung präventiv entgegenzuwirken. 
Gleichzeitig tritt insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten wie in Berlin Diskriminierung verstärkt auf. Deshalb stellt hier auch die Zivilgesellschaft eine wichtige Ressource für die Antidiskriminierungsarbeit dar. Betroffene von Diskriminierung müssen die Möglichkeit haben, Beratungsstellen aufzusuchen, in denen sie Unterstützung finden. Ebenso wichtig ist der Einbezug von Selbstorganisationen von Mieter*innen und jener von Migrant*innen sowie anderer auf dem Wohnungsmarkt benachteiligter Gruppen.
Langfristig sollte der Gesetzgeber wichtige Rechtslücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schließen. Eine Erweiterung des bisherigen Merkmalskatalogs, wie auch eine Änderung des § 19 AGG, der Ausnahmeregelungen vom Benachteiligungsverbot für den Bereich Wohnen enthält, könnten Betroffenen von Diskriminierung nachhaltig einen besseren Rechtsschutz gewährleisten.

Dr. Christiane Droste, 3 Fragen an

Dr. Christiane Droste, Arbeitsbereich "Strategie + Vernetzung", Koordination der Fachstelle "Fair mieten - Fair wohnen"

Quelle:Privat


Remzi Uyguner, 3 Fragen an

Remzi Uyguner, Projektleitung Arbeitsbereich "Beratung + Begleitung Betroffener" der Fachstelle "Fair mieten - Fair wohnen"

Quelle:Privat