Duldungspflicht von Assistenzhunden in öffentlich zugänglichen Anlagen 29.07.2021
Immer wieder wenden sich Ratsuchende an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, weil ihnen mit ihrem Assistenzhund der Zutritt zu eigentlich allgemein zugänglichen öffentlichen oder privaten Gebäuden verwehrt wird. Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen können zur Unterstützung in den unterschiedlichsten Bereichen ausgebildet werden. So gibt es neben Blindenführhunden auch Hunde, die vor plötzlichen Ereignissen warnen können, etwa vor einem bevorstehenden Epilepsieanfall. Durch die Hilfe von Assistenzhunden können Betroffene Alltagsaufgaben selbstständiger erledigen und sich rechtzeitig auf bevorstehende körperliche Reaktionen vorbereiten. Außerdem wird ihnen dadurch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht bzw. erleichtert.
Umso verständlicher ist es, dass sich Betroffene benachteiligt fühlen, wenn ihnen beispielweise der Zutritt zu Krankenhäusern, Arztpraxen, Lebensmittelgeschäften sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen wegen ihres Assistenzhundes verwehrt wird. Sie müssen dann entweder zwingend auf die Hilfe von anderen - im Zweifel fremden - Personen zurückgreifen oder aber können bestimmte Leistungen nicht in Anspruch nehmen.
Bei der Verweigerung des Zutritts mit einem Assistenzhund kann eine Benachteiligung gemäß § 7 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegen. Das AGG verbietet Benachteiligungen u.a. aufgrund einer Behinderung vor allem im Erwerbsleben sowie bei bestimmten privaten Rechtsgeschäften (sogenannte Massengeschäfte).
Insbesondere stehen dem Betreten von Lebensmittelgeschäften mit Assistenzhunden keine guten Gründe entgegen, wie auch schon das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in einer Auslegungserklärung festgestellt hatte Ferner spricht laut der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft aus fachlicher Sicht in aller Regel nichts gegen die Mitnahme von Assistenzhunden in Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen.
In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Januar 2020 (Beschluss vom 30. Januar 2020, Az. 2 BvR 1005/18) entschieden, dass die Verwehrung des Zutritts zu einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis für eine sehbehinderte Person mit ihrem Assistenzhund das Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 2 GG verletzt. In der Entscheidung, bei der auch eine Stellungnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes berücksichtigt wurde, gehen die Richter*innen von einer mittelbaren Benachteiligung aus. Das scheinbar neutrale Verbot von Hunden in der Arztpraxis benachteiligt die Person mit Sehbehinderung in besonderem Maße.
Außerdem greift seit dem 1. Juli 2021 die neue Regelung des § 12e Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Danach sind alle Betreiber*innen einer typischerweise für den allgemeinen Publikumsverkehr öffentlich zugänglichen Anlage oder Einrichtung verpflichtet, Menschen mit Behinderung, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind, den Zutritt nicht wegen der Begleitung durch einen Hund zu verweigern. Hierunter fallen u.a. Arztpraxen, Freizeiteinrichtungen, Friseursalons sowie Einrichtungen des Einzelhandels und der Gastronomie. Danach gilt eine Einschränkung der Duldungspflicht nur dann, wenn der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung für die Betreiber*innen darstellen würde.
Für den Fall, dass Betreiber*innen dieser Verpflichtung nicht nachkommen, besteht für Betroffene die Möglichkeit, sich an die auf der Grundlage des § 16 BGG eingerichtete Schlichtungsstelle beim Bundesbehindertenbeauftragten zu wenden und ein kostenloses außergerichtliches Schlichtungsverfahren in die Wege zu leiten.