Anfragen russischer Staatsbürger*innen 05.04.2022
Das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erhält derzeit eine Reihe von Anfragen im Kontext des Kriegs in der Ukraine. Dabei handelt es sich zum Teil um russische oder russischstämmige Menschen in Deutschland, die über Anfeindungen auf Facebook, Twitter und Instagram berichten.
Einige Ratsuchende sehen sich im Zusammenhang mit politischen Sanktionen benachteiligt. So wurde vermehrt berichtet, dass Banken russische Kund*innen kontaktieren, um über mögliche Sanktionsrisiken zu informieren und der Möglichkeit, diese durch den Nachweis eines Aufenthaltsstatus abzuwenden. Hintergrund ist eine sanktionsrechtliche Regelung, wonach natürliche Personen nicht von Sanktionen betroffen sind, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Problematisch ist allerdings, dass Sanktionen erst denkbar sind, wenn Einlagen den Betrag von 100 000 Euro übersteigen. Insbesondere Kund*innen mit kleineren Einlagebeträgen sehen sich durch dieses Vorgehen der Banken unter Generalverdacht gestellt.
Da die Staatsangehörigkeit kein geschütztes Merkmal im Sinne des AGG ist, kommt hier ein AGG-Verstoß nur in Form einer mittelbaren Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft in Betracht. Entscheidend ist, ob die Praxis der Banken sachlich gerechtfertigt ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob es notwendig ist, Kund*innen in der genannten Form zu kontaktieren, um beispielsweise die Abwicklung von Bankgeschäften zu erleichtern oder etwaige Schadensersatzansprüche zu vermeiden.
Neben den genannten Bankenfällen erreichen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vereinzelt Anfragen, in denen russischen Staatsbürger*innen der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verwehrt wurde. Hierbei handelte es sich insbesondere um den Zugang zu Arztpraxen, Restaurants oder die Weigerung, bestimmte Produkte, im konkreten Fall Möbel, zu verkaufen. Rechtlich ist in diesen Fällen eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft denkbar, wenn die Staatsangehörigkeit als Ablehnungsgrund genannt wird, hiermit aber eine ethnische Zuschreibung einhergeht, die maßgeblich für eine ungünstigere Behandlung ist.
Andernfalls kommt eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft in Betracht. Voraussetzung ist, dass sich die Staatsangehörigkeit besonders nachteilig auf die ethnische Herkunft auswirken kann. Inwieweit dies erfordert, dass eine bestimmte Ethnie nachteilig betroffen ist (so ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 06.04.2017 - C-668/15 in Bezug auf das Geburtsland), ist bisher noch nicht rechtlich geklärt. Eine besondere Betroffenheit einer bestimmten Ethnie dürfte wohl bei der Staatsangehörigkeit eher nicht gegeben sein. Die benachteiligende Behandlung ist nur dann eine mittelbare Benachteiligung und damit unzulässig, wenn es kein sachlich gerechtfertigtes Ziel gibt.
Der Verweis auf die aktuellen politischen Verhältnisse stellt keinen adäquaten sachlichen Rechtfertigungsgrund dar, sodass eine Verweigerung von Gütern und Dienstleistungen im Ergebnis unzulässig sein dürfte.