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Susette Jörk zu Entgeltgleichheit 13.12.2023

Susette Jörk, 3 Fragen an

Susette Jörk

Quelle:privat

Von einem Meilenstein war die Rede, wegweisend sei es gewesen, bahnbrechend, das vom Bundesarbeitsgericht (BAG) im Februar gefällte Urteil zu Entgeltgleichheit. Geklagt hatte eine Außendienstmitarbeiterin, die im Vergleich zu ihren zwei männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdiente. Der Arbeitgeber begründete den Gehaltsunterschied damit, dass die Außendienstmitarbeiterin bei ihrer Einstellung schlechter verhandelt habe. Das BAG entschied zugunsten der Außendienstmitarbeiterin und verurteilte deren Arbeitgeber zu einer Gehaltsnachzahlung sowie zur Zahlung einer Entschädigung. Damit stellte das BAG klar, dass Equal Pay keine Verhandlungssache ist. Fachanwältin Susette Jörk, die zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) dieses wichtige Urteil für ihre Mandantin erwirkt hat und dafür kürzlich mit dem Ehrenpreis „Goldene Robe“ des Leipziger Anwaltsvereins ausgezeichnet wurde, erklärt im Interview, was dieses Urteil bedeutet und was daraus folgt.

Drei Fragen

1) Was raten Sie Frauen, die vermuten, ungleich zu männlichen Kollegen bezahlt zu werden?

Nehmen Sie das nicht einfach so hin! Gehen Sie dem Verdacht nach, erkundigen Sie sich, ob der männliche Kollege für vergleichbare Arbeit besser bezahlt wird. Es ist nicht verboten, sich dazu auszutauschen, selbst wenn im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung zum Entgelt eine Geheimhaltungsklausel enthalten ist. Kennen Sie den Unterschied, fordern Sie ihn ein! Warten Sie damit nicht. Das Problem wird sich nicht von allein lösen. Viele Arbeits- und Tarifverträge enthalten Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden müssen.

Wenn die Informationseinholung im Team, beim Arbeitgeber oder unter Einbeziehung von Betriebs- oder Personalrat nicht weiterführt, kann eine Auskunft häufig auch eingeklagt werden. Zwar sieht die derzeitige gesetzliche Regelung im Entgelttransparenzgesetz nur in ganz wenigen Fällen einen Auskunftsanspruch vor, nämlich erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 200 Beschäftigten und auch erst, wenn die vergleichbare Tätigkeit von mindestens 6 Männern ausgeübt wird, was ja so häufig nicht vorkommt, aber wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden und die Frau nur nicht weiß, wie hoch genau der Unterschied ist, hat sie einen einklagbaren Auskunftsanspruch und kann dann die Differenz einfordern, u.U. zusätzlich auch eine Entschädigung.

2) Was hat Sie dazu bewogen, den Fall zu übernehmen?

Die Mandantin ist auf unsere Kanzlei aufmerksam geworden, weil wir uns offen feministisch bekennen und ich als Fachanwältin für Arbeitsrecht darauf spezialisiert bin, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu prüfen und einzufordern. Als sie mir den Fall schilderte, war ich genau wie sie davon überzeugt, dass hier eine Ungleichbehandlung vorliegt, und zwar eine wegen des Geschlechts. Der Arbeitgeber hatte damit argumentiert, dass der Mann die Arbeit zum angebotenen Gehalt nicht angetreten hätte und ihm deshalb eine höhere Grundvergütung zugesagt wurde. Die Mandantin habe schließlich auch erfolgreich verhandelt, nämlich 20 Tage unbezahlten (!) Urlaub. Dass sie auch das angebotene Gehalt hätte nachverhandeln können, war nicht klar. Ich war von Anfang an überzeugt davon, dass sich Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen rechtlich nicht damit legitimieren lassen, dass eben einfach „besser verhandelt“ wird, jedenfalls nicht, solang kein Verhandlungsspielraum aufgezeigt wird. Die Gerichte haben das zunächst anders gesehen und es ist ein großer Erfolg, dass das Bundesarbeitsgericht der Mandantin schließlich Recht gegeben hat. Die Mandantin mit ihrer Energie und Zuversicht und ihrem Durchhaltevermögen verlangt mir ehrlich Respekt ab. Letztlich hat sie nicht nur für sich, sondern für viele Frauen eine grundsätzliche Entscheidung erstritten. Gut auch, dass wir hier die Unterstützung der GFF e.V. hatten.

3) Was sind die Folgen des Urteils?

Sarah Lincoln von der GFF e.V. hat es treffend formuliert: „Equal Pay kann nicht wegverhandelt werden.“ Wie schon in vorangegangenen Urteilen hat das Bundesarbeitsgericht erneut betont, dass bei ungleicher Bezahlung von Mann und Frau für die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit vermutet wird, dass die ungleiche Bezahlung „wegen des Geschlechts“ erfolgt, was verboten ist. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu widerlegen. Dafür reicht es nicht aus, sich auf „besseres“ Verhandeln zu berufen, oder darauf, dass die Stellennachfolge einer besser bezahlten Person angetreten wird, wenn das keinen Unterschied in der Arbeit mit sich bringt. Auch kann ungleiches Grundentgelt nicht durch andere Faktoren (z.B. Zusatzurlaub oder Provision) ausgeglichen werden. Arbeitgeber müssen ihre Lohnpolitik also kritisch daraufhin überprüfen, ob sich Entgeltunterschiede mit objektiven, der Arbeit geschuldeten Faktoren erklären lassen, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Entgeltdiskriminierung erfordert keine absichtsvolle Benachteiligung. Oft stecken unerkannte Vorurteile oder ein unreflektiertes tradiertes Rollenverständnis dahinter. Entgeltunterschiede sichtbar zu machen, kritisch zu hinterfragen und aktiv den Gender-Pay-Gap zu beseitigen, anstatt sich das nur ins Unternehmenskonzept zu schreiben, das wäre ein echter Fortschritt. Für die Frauen sollte das Urteil auf jeden Fall Ermutigung sein, vermutete Benachteiligung nicht hinzunehmen, sondern ggf. den Rechtsweg zu beschreiten.