Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Racial Profiling verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention 25.04.2024
Racial Profiling bezeichnet verdachtsunabhängige Polizeikontrollen von Personen unter anderem aufgrund ihrer Hautfarbe. Für Betroffene können diese Polizeikontrollen erniedrigend sein. Obwohl die Polizeipraxis bereits mehrfach von Gerichten für rechtswidrig befunden wurde (u.a. Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.04.2016, Az. 7 A 11108/14 ; OVG NRW, Urteil vom 07.08.2018, Az. 5 A 294/16), passiert Racial Profiling in vielen Ländern Europas so auch in Deutschland weiterhin. Zu einem Fall aus der Schweiz hat nun der EGMR ein wegweisendes Urteil getroffen (EGMR, 20.02.2024 - 43868/18, 25883/21).
Im Jahr 2015 wurde der Schweizer Bibliothekar Mohamed Wa Baile am Züricher Hauptbahnhof von der Polizei angehalten und kontrolliert. Weiße Passant*innen wurden nicht kontrolliert. Wa Baile, der Schwarz ist, empfand die Kontrolle als diskriminierend und war sicher, dass seine Hautfarbe der Grund für die Kontrolle war. Es war nicht das erste Mal. Diesmal weigerte er sich, seinen Ausweis zu zeigen. Daraufhin erhielt er einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe in Höhe von 100 Franken. Dagegen klagte er zusammen mit der Allianz gegen Racial Profiling zunächst in der Schweiz erfolglos. Das Bundesgericht der Schweiz stellte in seinem Urteil im Jahr 2018 keinen Rechtsverstoß durch die Kontrolle fest. Daraufhin erhob Wa Baile Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der EGMR ordnete den Fall als „Impact Case“ mit besonderer Brisanz für die Entwicklung der Menschenrechte ein.
Fast zehn Jahre später, am 20.02.2024 bekam Wa Baile Recht. Der EGMR entschied: Racial Profiling verstößt gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 8 EMRK, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Schweizer Gerichte hatten eine mögliche Diskriminierung inhaltlich nicht wirksam geprüft und so auch das Recht auf wirksame Beschwerde aus Art. 13 EMRK verletzt. Neu an dieser Entscheidung ist, dass der EGMR erstmalig auch inhaltlich eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes durch Racial Profiling festgestellt hat. Damit ging einher, dass das beklagte Land nun beweisen musste, dass die Maßnahme nicht kausal an die Hautfarbe des Klägers angeknüpft hatte. Dies war der Schweiz nicht gelungen. Die von Herrn Wa Baile vorgetragenen Anhaltspunkte genügten damit, um die Feststellung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot in Form von unzulässigem Racial Proiling zu begründen.
Dieses Urteil sollte nicht nur die Schweiz dazu veranlassen, wirksame Maßnahmen gegen Racial Profiling zu ergreifen, sondern auch ein starkes Signal für Deutschland sein.