Fachstelle für Demokratie der Landeshauptstadt München Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen
Die städtische Fachstelle für Demokratie koordiniert das städtische Verwaltungshandeln für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Zu ihren Aufgaben gehören ein Monitoring in Form einer anonymisierten und strukturierten Erfassung und Auswertung der Sachverhalte und eine jährliche Berichterstattung.
Daneben arbeitet die Fachstelle für Demokratie auch als vertrauliche Anlaufstelle für Schüler*innen und deren Erziehungsberechtigte. Zudem ist die Stelle Beratungsstelle für städtische Mitarbeitende an Münchner Schulen, die Begleitung und Unterstützung im Umgang mit Diskriminierung und rechtem Hass suchen.
- Schulform:
- Berufsschule, Förderschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Grundschule, Gymnasium, Oberschule, Sekundarstufe
- Handlungsfelder:
- Schulübergreifende Beschwerdestelle in der kommunalen Verwaltung, Beratung für den Umgang mit konkreten Situationen
- Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
- Kommunale Stelle, die mit allen Schulformen zusammenarbeitet
- Bundesland:
- Bayern
- Diskriminierungskategorie:
- alle Diskriminierungskategorien
- Durchführung:
- seit 2022
Kontakt
Dr. Miriam Heigl, Leitung Fachstelle für Demokratie E-Mail: demokratie.schule@muenchen.de, fgr@muenchen.de Telefon: 02941 941-4 Website: Monitoringberichte der Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen Alternative E-Mail-Adresse E-Mail: fgr@muenchen.de
Durchführende Organisation
Die Fachstelle für Demokratie (FgR) der Landeshauptstadt München koordiniert das städtische Verwaltungshandeln für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Die Fachstelle für Demokratie hat seit 2010 die Aufgabe, Aktivitäten und Maßnahmen zur Förderung des demokratischen Gemeinwesens und gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu koordinieren. Ziel ist es, Ausgrenzung, Abwertung und Ausschluss, beispielsweise aufgrund von Hautfarbe, (vermuteter) Herkunft oder Religionszugehörigkeit, entgegenzuwirken und demokratische Werte auf neue und innovative Weise in die Stadtgesellschaft und -verwaltung Münchens zu tragen.
Dadurch sollen die Münchner Bürger*innen ermutigt werden, möglicherweise bestehende eigene Vorurteile zu reflektieren, aber sich auch in ihren eigenen Lebenszusammenhängen gegen Rassismus und die Abwertung von anderen zu positionieren.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
Berater*in der Anlaufstelle, Juristin der Fachstelle für Demokratie
Ausgangslage und Motivation
Im Jahr 2020 hat der Münchner Stadtrat beschlossen, bei der städtischen Fachstelle für Demokratie eine Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen einzurichten, da sowohl bei der städtischen Fachstelle für Demokratie (zentrale Stelle innerhalb der Verwaltung Münchens, die die Themen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bearbeitet) als auch bei unterschiedlichen Stellen im Referat für Bildung und Sport Kenntnisse über Vorfälle mit menschenverachtenden und volksverhetzenden Hintergründen zusammengekommen waren. Es gab bis zur Einrichtung der Anlaufstelle keine strukturierte Erfassung dieser Vorfälle an Münchner Schulen und es konnten keine statistischen Aussagen über Phänomene getroffen werden. Zudem war es dem Münchner Stadtrat ein Anliegen, eine Null-Toleranz-Linie gegenüber Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen zu setzen und durch die Stellenschaffung eine proaktive Koordinierung im Umgang mit Vorfällen zu gewährleisten.
Maßnahmenbeschreibung
Im Jahr 2022 nahm die Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen ihre Arbeit auf. Neben einem Monitoring in Form einer strukturierten Erfassung und Auswertung der Sachverhalte und einer fachlichen Einschätzung dieser Vorfälle dient die Stelle ebenso als vertrauliche Anlaufstelle für Schüler*innen und deren Erziehungsberechtigte sowie als Beratungsstelle für Mitarbeitende an Münchner Schulen im Umgang mit solchen Vorfällen.
Das Beratungs- und Unterstützungsangebot der städtischen Anlaufstelle besteht für Schüler*innen und Mitarbeitende aller Schulen in München – unabhängig von der Trägerschaft (städtisch/staatlich/kirchlich/privat).
Monitoring
Die Meldung eines Vorfalls oder einer Diskriminierung kann über E-Mail, Telefon oder das Meldeformular erfolgen. Um das Meldeverhalten bei Schüler*innen zu erhöhen, ist die Website www.melden-gegen-diskriminierung.de online gegangen. Sie informiert darüber, was gemeldet werden kann, warum gemeldet werden sollte, was nach einer Meldung passiert und an welche Beratungsstellen sich Betroffene oder Zeug*innen wenden können. Zusammen mit der Website wurde unter muenchen.de/melden-gegen-diskriminierung ein städtisches Online-Formular eingerichtet, über das Vorfälle auch anonym gemeldet werden können. Mit der Veröffentlichung der Website verbunden war eine Kampagne, um die Anlaufstelle und die neuen Meldewege bekannter zu machen. So wurden 230.000 Flyer, 6.000 Poster und 15.000 Sticker unter anderem an alle 440 öffentlichen und privaten Schulen in München und relevanten Bildungs- und Beratungsstellen versandt. Vorfälle an nicht städtischen Schulen in München werden ebenfalls in das Monitoring aufgenommen. Es werden nicht nur Vorfälle registriert, die sich im Schulgebäude ereignet haben, sondern auch im digitalen Raum (beispielsweise Verschicken menschenverachtender Inhalte im Klassenchat) oder auch auf dem Schulweg, Sportplatz et cetera (beispielsweise rassistische Beleidigung). Der Monitoringbericht des ersten Erhebungszeitraums erschien im Juni 2023.
Beratungs- und Meldestelle für städtische Mitarbeiter*innen
Es gibt festgelegte Meldewege für städtische Mitarbeitende an Münchner Schulen bei Kenntnis von Vorfällen. Alle Vorfälle sind zunächst an die Schulleitung und von der Schulleitung an die Anlaufstelle zu melden. Zudem ist festgelegt, in welchem Zeitrahmen welche weiteren Stellen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung über den Vorfall informiert werden müssen. Es gibt eine klare Regelung der Zuständigkeiten: Sollte eine dienstrechtliche Prüfung bei einem möglichen Fehlverhalten ausgehend von einem*einer städtischen Mitarbeitenden notwendig sein, wird der Sachverhalt an das Personal- und Organisationsreferat weitergeleitet, sollten städtische Mitarbeitende von Diskriminierung betroffen sein, ist die AGG-Stelle einzubinden; sollte ein strafrechtlich relevanter Vorfall vorliegen (Vieraugenprinzip mit Juristin bei der Fachstelle für Demokratie), muss die Schulleitung die Sicherheitsbehörden informieren.
Die Anlaufstelle kann schulisches Personal zunächst mit einer fachlichen und juristischen Einordnung des Vorfalls unterstützen. Abhängig vom konkreten Vorfall werden in Beratungsgesprächen außerdem Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit Fällen von Diskriminierung und menschenverachtenden und rechten Vorfällen umgegangen werden kann. Die Unterstützungsmöglichkeiten hängen von dem individuellen Vorfall ab. Dies kann beispielsweise eine Vermittlung von Beratungsstellen oder Anbieter*innen von fachlich relevanten Fortbildungen für die Schüler*innenschaft oder das Kollegium sein. Die Anlaufstelle kann auch fachlich und inhaltlich unterstützen, beispielsweise indem Textbausteine für eine Kommunikation mit der Schulfamilie zur Verfügung gestellt werden oder dazu angeregt wird, eine Abfrage zu Diskriminierungserfahrungen an der Schule durchzuführen.
Vertrauliche Anlaufstelle
Neben der Funktion als Meldestelle fungiert die Anlaufstelle auch als vertrauliche Beratungsstelle für Schüler*innen und deren Erziehungsberechtigte. Im ersten Erfassungszeitraum haben deutlich mehr Eltern betroffener Schüler*innen das Beratungsangebot angenommen als die Schüler*innen selbst. Die Anlaufstelle klärt mit den Ratsuchenden den Auftrag und handelt dann auftragsabhängig: zum Beispiel Begleitung zu Gesprächen mit beispielsweise der Schulleitung oder Lehrkräften (auf Wunsch auch ohne die Ratsuchenden), Vermittlung von Kontakten zu Beratungsstellen, politischen Bildner*innen oder auf Wunsch zum städtischen Personal- und Organisationsreferat, die das Thema Dienstrecht bearbeiten.
Grundsätzlich sind die Leitungen städtischer Schulen dazu verpflichtet, die Anlaufstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Die Anlaufstelle ist aber keine Dienstvorgesetzte, sodass unter anderem keine Weisungsbefugnis besteht und auch kein Recht zur Akteneinsicht.
Verstetigung und Verankerung
Der Münchner Stadtratsbeschluss von 2020 zur Einrichtung der Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen ist Ausgangspunkt und zugleich der erste Schritt zur Verstetigung der Arbeit der Anlaufstelle. Hinzu kam Mitte Februar 2022 die städtische Referatsverfügung des Referats für Bildung und Sport „Handreichung zum Vorgehen bei Vorfällen mit menschenfeindlichen und volksverhetzenden Hintergründen im schulischen Bereich“. Diese legt unter anderem eine Meldepflicht für städtische Mitarbeitende an Münchner Schulen fest.
Die Anlaufstelle ist bei der städtischen Fachstelle für Demokratie angesiedelt und verfügt über eine unbefristete Stelle.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Monitoring
Mit der Schaffung der Anlaufstelle konnte das Themenfeld zentriert werden – vorher kamen die Meldungen von Vorfällen an unterschiedlichen Stellen an; es gab keine Zusammenführung der Fallmeldungen. Im Monitoringbericht werden die gemeldeten Fälle analysiert und statistisch ausgewertet. Der Bericht ermöglicht einen Überblick zu Fällen in München, daraus können unter anderem Maßnahmen abgeleitet werden.
Die Meldungen von Vorfällen haben zugenommen. Vor der Meldepflicht wurden fünf Vorfälle in einem Halbjahr gemeldet. Mit Inkrafttreten der Meldepflicht wurden im ersten Erhebungsjahr 55 Vorfälle registriert. Ein wichtiger Zugang für Vorfallsmeldungen sind die Website und das Meldeformular.
Verweisberatung
Es gelingt, eine bedarfsorientierte Vermittlung umzusetzen. Hier sind die spezialisierten Beratungsstellen zu nennen, an die im Bedarfsfall verwiesen wird. Diese können Ratsuchende eine qualifizierte Beratung anbieten und über den gesamten Beratungsprozess begleiten.
Allgemeine Reaktionen
Es gibt eine große Spannbreite an unterschiedlichen Reaktionen auf das Beratungs- und Unterstützungsangebot von Inanspruchnahme bis hin zur Abwehr.
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Die Fachstelle für Demokratie ist gut etabliert und in der Stadt München gut vernetzt, sodass die Anlaufstelle auf bereits bestehende Kontakte und Arbeitsbeziehungen sowohl mit der Verwaltung als auch mit zivilgesellschaftlichen Strukturen zurückgreifen kann.
Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass die Wichtigkeit der Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im schulischen Bereich von der Stadtpolitik anerkannt und die Arbeit der Anlaufstelle von den höchsten Hierarchieebenen der Stadtverwaltung unterstützt wird.
Für eine gewinnbringende Zusammenarbeit mit den Schulleitungen ist es wichtig, dass es sich bei der Anlaufstelle nicht um eine reine Melde- und Beschwerdestelle handelt. Ein Fokus der Anlaufstelle liegt daher darauf, schulischen Beschäftigten schnell und unbürokratisch Beratung und Unterstützung im Umgang mit konkreten Situationen anzubieten. Ziel ist, dass das Angebot als Hilfe, nicht als zusätzliche Belastung im stressigen Schulalltag wahrgenommen wird.
Herausforderungen und Grenzen
Die Herausforderungen werden vor allem an nachfolgenden Punkten festgemacht:
- Die Anlaufstelle geht davon aus, dass weiterhin ein großes Dunkelfeld nicht gemeldeter Fälle von Diskriminierung und menschenfeindlichen und rechten Vorfällen besteht. Ziel der Anlaufstelle ist es, in den kommenden Jahren ihren Bekanntheitsgrad und damit das Meldeaufkommen zu steigern. In Gesprächen mit Schüler*innen, Lehrkräften und politischen Bildner*innen wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass aus Kapazitätsgründen gar nicht alle Fälle gemeldet werden können.
- Schüler*innen selbst wenden sich eher selten an die Anlaufstelle. Eine zentrale Frage ist, wie Schüler*innen besser erreicht werden können, sodass sie das Angebot der Anlaufstelle bei Bedarf nutzen können.
- Die Bearbeitung von Fällen ist abhängig von der Schulleitung und der Trägerschaft. Wenn Schulleitung oder Trägerschaft die Anlaufstelle bei der Bearbeitung von Vorfällen nicht unterstützt, kann nicht wirksam gegen die Vorfälle vorgegangen werden.
- Im ersten Erhebungsjahr ist deutlich geworden, dass nur wenige Schüler*innen ein dienstrechtliches Verfahren einleiten wollen, weil es strukturell mit sehr hohen Hürden verbunden ist.
- Es fehlt an Strukturen für Interventionsworkshops, um mit Schüler*innen zusammenzuarbeiten. Damit sind sehr zeitnahe pädagogische Formate von Expert*innen aus der politischen Bildungsarbeit gemeint, die nach Auftreten von Vorfällen und Diskriminierungen mit den involvierten Personen zusammenarbeiten können (betroffene Schüler*innen, die ganze Klassengemeinschaft et cetera).
- Zudem können Empowermentangebote nicht der Nachfrage gerecht werden. Es gibt in München einzelne freie und fachlich sehr kompetente Referent*innen, die Empowerment-Trainings für von beispielsweise Rassismus betroffene Schüler*innen anbieten können. Sie sind jedoch in den meisten Fällen in anderen Angestelltenverhältnissen eingebunden, sodass Trainings häufig lange im Voraus angefragt werden müssen.
Tipps für die Übertragung
Damit eine städtische (kommunale) Anlaufstelle eingerichtet werden kann, braucht es einen politischen Willen – politische Entscheidungsträger*innen (wie in diesem Fall der Münchner Stadtrat) müssen den Prozess zur Schaffung einer Anlaufstelle bei Diskriminierung auf den Weg bringen.
Damit einhergehend ist der Ort der Ansiedlung der Stelle entscheidend, weil die Wirksamkeit der Stelle davon abhängig ist. In München ist die Anlaufstelle im Direktorium angesiedelt und damit nah am Oberbürgermeister, was die Position der Stelle stärkt.
Zudem sollte eine solche Stelle mit Handlungsmacht ausgestattet sein, um Intervention wirksam umsetzen zu können.
