Gesamtschule der Stadt Brühl „Unter dem Regenbogen“
Die Projektgruppe „Unter dem Regenbogen“ besteht aus circa 20 Schüler*innen, die sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen. Die Aktionen werden von den Schüler*innen geplant und mit Unterstützung von drei Lehrkräften in der gesamten Schule durchgeführt. Als Schule der Vielfalt liegt der Fokus auf LGBTQIA*-Themen.
- Schulform:
- Gesamtschule
- Handlungsfelder:
- Empowermentorientierte Angebote an der Schule, Diskriminierung als Thema in AGs, Leitlinien und Schulkonzepte
- Bundesland:
- Nordrhein-Westfalen
- Diskriminierungskategorie:
- Sexuelle Identität, Geschlechtsidentität
- Durchführung:
- seit 2018
Kontakt
Wiebke Fangmann, Gründerin und Leiterin des offenen Angebots „Unter dem Regenbogen“
E-Mail:
w.fangmann@egs-bruehl.schule
Eva Ildefeld, Ansprechperson „Schule der Vielfalt“ für die Gesamtschule Brühl
E-Mail:
e.ildefeld@egs-bruehl.schule
Gesamtschule der Stadt Brühl
E-Mail:
sekretariat@egs-bruehl.schule
Telefon:
02232 1812-0
Website:
Europagesamtschule Brühl
Durchführende Organisation
In der Gesamtschule der Stadt Brühl sind alle Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums zusammengefasst. Alle Abschlüsse dieser Schulformen können erreicht werden. Die Schule ist eine Ganztagsschule mit circa 1.000 Schüler*innen.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
Eine Schülerin und zwei verantwortliche Lehrkräfte aus der Projektgruppe
Ausgangslage und Motivation
Ein queerer Schüler hatte die Idee, eine Projektgruppe zum Thema Queer zu gründen, um die Inhalte stärker in die Schulgemeinschaft einzubringen. Das Ziel der Gruppe ist es, die Schule offener zu gestalten und Queersein im Schulalltag sichtbarer zu machen.
Maßnahmenbeschreibung
Aktionen und Projektwoche
Die Projektgruppe aus derzeit drei Lehrkräften und 20–25 Schüler*innen trifft sich einmal pro Woche für eine Stunde in der Mittagspause. Gemeinsam werden verschiedene „Sichtbarkeitsprojekte“ geplant und im Laufe des Schuljahres durchgeführt, zum Beispiel Batiktaschen, Gestaltung von T-Shirts und Druck von Flyern. Jedes Jahr im Mai, während des IDAHOBIT (des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit), gibt es eine große Projektwoche für die ganze Schule, die von der Gruppe organisiert wird. Auf inhaltlicher Ebene wird zum Beispiel selbst erarbeitetes Material für die Projektwoche zur Verfügung gestellt und das Thema Diversität in die Lehrpläne eingearbeitet. Einmal im Jahr werden die Aktionen intern von der Projektgruppe evaluiert.
Ein empowermentorientiertes Angebot
Neben den Aktionen ist es für die verantwortlichen Lehrkräfte wichtig, den Schüler*innen einen Raum und Zeit zu geben, um unter sich zu sein und so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Persönliche Erfahrungen werden geteilt und Gemeinschaft wird in einem leistungs- und wertfreien Raum erlebt, in dem das binäre Denken von männlich und weiblich keine Rolle spielt. Da die Gruppe aus queeren Menschen, aber auch aus Verbündeten besteht, handelt es sich nicht um einen reinen Safer Space, sondern um ein empowermentorientiertes Angebot.
Verstetigung und Verankerung
Sichtbarkeit auf Schulebene
Die Schule ist Teil des Netzwerks „Schule der Vielfalt“, das auch im Leitbild verankert ist. Die Projektgruppe hat sich in der Schulkonferenz für die Einführung des Labels eingesetzt und dort viel positives Feedback erhalten. Auch bei Schulveranstaltungen ist die Projektgruppe mit Ständen, Aktionen und Ansprechpersonen am Tag der offenen Tür, beim Schulfest, bei Elternabenden und im Rahmen der festen Projektwoche präsent.
Unterstützung durch die Schulleitung
Die drei Lehrer*innen erhalten einen Deputatsausgleich. Als wichtiger empfinden sie jedoch, dass die Schulleitung den Inhalten viel Raum gibt, neue Ideen positiv aufnimmt, finanzielle Mittel zur Verfügung stellt und sich sowohl innerhalb der Schule als auch nach außen hin mit einer klaren Haltung zum Thema positioniert. Dies zeigte sie zum Beispiel auch während der Coronapandemie durch das Tragen einer Maske in Regenbogenfarben.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Rückmeldungen von Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern
Ein*e beteiligte*r Schüler*in beschreibt die Gruppe als Raum, in dem Freund*innen sind, in dem sie akzeptiert und wahrgenommen wird und sie*er sich für andere einsetzen kann. Es gibt den Freiraum, gemeinsam an einer wichtigen Sache zu arbeiten, zusammen nach Lösungen zu suchen und voneinander zu lernen. Die Projektgruppe erhält positive Rückmeldungen von Lehrkräften, die selbst queer sind und sich gestärkt und gesehen fühlen. Auch die Schüler*innen sind dankbar, dass es einen Ort gibt, wo sie sein können, wie sie sind, und sich nicht verstecken müssen. Es gibt weniger diskriminierende Äußerungen als früher und mehr Nachfragen und Interesse von Schüler*innen, Eltern und aus dem Kollegium.
Verankerung in der Schulstruktur und Sichtbarkeit
Es gab einen Beschluss der Lehrer*innenkonferenz, in der Schule gendergerechte Sprache zu verwenden, und einen Prozess, die Toiletten geschlechtsneutral umzubauen. In Planung ist auch ein Schutzkonzept, das unter anderem für bessere Beschwerdestrukturen sorgen soll. Die Sichtbarkeit in der Schule ist auch durch angepasstes Unterrichtsmaterial sowie durch die Regenbogenfahne im Innenhof gestärkt, aber auch durch Menschen, die Stellung beziehen oder selbst „sichtbar“ werden, zum Beispiel durch das Tragen bestimmter Kleidung.
Die beteiligten Lehrer*innen stehen als Ansprechpersonen für andere Kolleg*innen, Eltern und Schüler*innen bei Fragen und Unsicherheiten zur Verfügung.
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Die Ideen für die Aktionen kommen von den Schüler*innen selbst. Es gab zum Beispiel den Fall, dass ein Schüler sehr kunstinteressiert war und die Idee für ein größeres Kunstprojekt hatte. Er brachte dann eigene Ideen ein, die mit der Gruppe umgesetzt wurden. Die verantwortlichen Lehrkräfte halten den Rahmen, bereiten die Treffen vor (manchmal zusammen mit den Schüler*innen) und kommunizieren mit der Schulleitung.
Die beteiligten Lehrkräfte sind in der gesamten Schule sehr geschätzt und werden als Vertrauenspersonen gesehen.
Die Unterstützung und der Rückhalt der Schulleitung und ihre klare Positionierung in Bezug auf das Thema tragen maßgeblich zum Erreichen der Projektziele bei.
Herausforderungen und Grenzen
Umgang mit kritischen Äußerungen
Mehr Präsenz und Sichtbarkeit führen auch zu negativen Reaktionen in Form von homo- und transphoben Äußerungen. Während der queeren Projektwoche kam es beispielsweise zu ausgrenzenden Äußerungen von Schüler*innen, woraufhin die verantwortlichen Lehrkräfte mit den betroffenen Schüler*innen in einem geschützten Rahmen über den Vorfall sprachen. Bei kritischen Äußerungen sind die beteiligten Lehrkräfte oft auf Meldungen von Schüler*innen oder anderen Lehrer*innen angewiesen. Allerdings gibt es auch einige Kolleg*innen, die selbst Teil des Problems und nicht nur Teil der Lösung sind, was die Sache erschwert.
Bislang wurden nur Gespräche geführt, aber es gibt kein weiteres strukturell verankertes Verfahren für diskriminierende Äußerungen. Dies soll mit einem neuen Schutzkonzept umgesetzt werden.
Ein langer Atem ist nötig
Bei den gendergerechten Toiletten zieht sich der Prozess in die Länge. Die Idee, wie diese Toiletten aussehen könnten, gibt es schon länger und die Entscheidung darüber wurde in der Schule schon vor einigen Jahren gemeinsam getroffen. Es gibt sogar Schilder dafür, aber die Schulbehörde hat den konkreten Wünschen nach Umbaumaßnahmen noch nicht zugestimmt, da die Umgestaltung mit höheren Kosten verbunden wäre.
Begrenzung der Themen
Das Vielfaltskonzept der Gruppe geht über LGBTQIA* hinaus und sie hat bereits darüber nachgedacht, Rassismus stärker zu thematisieren. Allerdings wird die Gruppe derzeit von drei weißen Lehrkräften geleitet, was sie selbst dafür als Hindernis sehen.
Tipps für die Übertragung
Durchhaltevermögen
Es braucht Beharrlichkeit, bis sich eine Gruppe etabliert. In diesem Beispiel haben sich in den ersten vier Monaten Woche für Woche nur eine Lehrkraft und ein Schüler getroffen. Auch danach hat es noch eine Weile gedauert, bis sich eine richtige Gruppe gebildet hat. In der Mittagspause werden auch parallele attraktive Projekte angeboten, wie Chor oder ein Europaprojekt. Dennoch hat es sich trotz des zu Beginn geringen Besuchs gelohnt durchzuhalten.
Eigeninteresse der beteiligten Personen
Das Interesse muss von den Schüler*innen selbst kommen, denn „von oben“ gibt es an der Schule schon genug. Es ist wichtig, dass sie die Freiheit haben, ihre eigenen Ideen einzubringen und Dinge zu tun, die die Gruppe tun möchte. Die Rolle der Lehrkräfte sollte sein, Türen zu öffnen, Ideen zu unterstützen und zwischen den verschiedenen Instanzen zu vermitteln.