Jüdische Gemeinde Düsseldorf SABRA – Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit – Beratung bei Rassismus und Antisemitismus
SABRA ist eine Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählt unter anderem die Unterstützung von Lehrkräften und Lehramtsanwärter*innen bei der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit. SABRA bietet Fortbildungen, pädagogische Tage und Workshops für Lehrkräfte und pädagogisches Personal an. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Beratung von Personen, die von Antisemitismus betroffen sind.
- Schulform:
- Berufsschule, Förderschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Grundschule, Gymnasium, Oberschule, Sekundarstufe
- Handlungsfelder:
- Angebote für Fort- und Weiterbildung, Beratung
- Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
- Außerschulischer Akteur, welcher mit allen Schulformen zusammenarbeitet
- Bundesland:
- Nordrhein-Westfalen
- Diskriminierungskategorie:
- Antisemitismus
- Durchführung:
- seit 2017
Kontakt
Florian Beer, pädagogischer Mitarbeiter E-Mail: f.beer@jgdus.de Telefon: 0211 46912615 Website: www.sabra-jgd.de
Durchführende Organisation
SABRA ist eine zivilgesellschaftliche Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Der Name SABRA ist einerseits Akronym für „Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit – Beratung bei Rassismus und Antisemitismus“, andererseits der hebräische Begriff für Kaktusfeige, welcher auch als Bezeichnung für in Israel geborene Jüdinnen*Juden verwendet wird.
Die Arbeit von SABRA umfasst insbesondere Einzelfallberatung für von Antisemitismus (landesweit) und Rassismus (Raum Düsseldorf) Betroffene, antisemitismuskritische Präventions- und Bildungsarbeit sowie Netzwerk- und Gremienarbeit auf kommunaler, Landes- und Bundesebene.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
Das Reflexionsgespräch wurde mit dem pädagogischen Mitarbeiter von SABRA geführt.
Ausgangslage und Motivation
Das zentrale Anliegen von SABRA als zivilgesellschaftlicher Organisation in jüdischer Trägerschaft ist es, jüdische Perspektiven, insbesondere auf das Thema Antisemitismus, in allen relevanten Bereichen einzubringen und dafür zu sensibilisieren.
SABRA hat festgestellt, dass es in Nordrhein-Westfalen an niedrigschwelligen Schulungs- und Informationsangeboten für Schulen fehlt, die sich auf den Weg gemacht haben, sich kritisch mit Antisemitismus an der eigenen Schule auseinanderzusetzen.
Maßnahmenbeschreibung
Bildungsarbeit
SABRA unterstützt Schulen bei der Intensivierung ihrer antisemitismuskritischen Bildungsarbeit an der Schule.
Die Servicestelle bietet Workshops und Fortbildungen für unter anderem Schulen, Lehrkräfte und Multiplikator*innen an. Das Angebot umfasst sechs verschiedene Module als eintägige Fortbildungen von sieben Stunden. In diesen orientiert sich SABRA an den Perspektiven der von Antisemitismus Betroffenen.
Die Themen der Fortbildungsangebote sind:
- Gegenwärtige Formen des Antisemitismus
- Intervention bei Antisemitismus in der Schule
- Antisemitismuskritische Bildungsarbeit
- Verschwörungserzählungen und Antisemitismus
- Jüdisches Leben in Deutschland
- Schuldabwehr und Hass auf Juden
Wenn Schulen oder Lehrkräfte an allen sechs Modulen Interesse haben, kann SABRA einen Intensivlehrgang umsetzen, dessen Abschluss SABRA bescheinigen kann.
Neben den Modulen bietet SABRA auch Expert*innengespräche und Vorträge an.
Das Angebot umfasst außerdem den virtuellen Methodenkoffer gegen Antisemitismus MALMAD (www.malmad.de).
Schulberatung
Bei Bedarf bietet SABRA den Schulen Beratung von Schulleitungen und Lehrkräften zu antisemitismuskritischer Bildungsarbeit an Schulen und bei antisemitischen Vorfällen. Es ist kein Beratungsangebot für Schüler*innen.
Die Schulen melden sich bei der Servicestelle, wenn beispielsweise ein konkreter Vorfall passiert ist und sie Fragen zum Umgang damit haben. Dann berät SABRA die Schulen zu Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten. Mitunter wird neben der Einzelfallberatung auch auf die Schulstruktur geschaut und man tauscht sich zu strukturellen Herausforderungen in Hinblick auf Antisemitismus aus.
Handreichungen
Die Handreichungen „Eine sichere Schule für Jüdinnen:Juden? Eine Checkliste für die antisemitismuskritische Schulentwicklungsarbeit“ umfassen je Thema circa eine A4-Seite. Die Handreichungen beinhalten unter anderem wissenschaftliche Fakten, fachdidaktische und psychologische Hintergründe.
Die Schulen entwickeln selbst anhand der Handreichung in verschiedenen Bereichen der Schulentwicklung Ansätze antisemitismuskritischer Bildung fort. Sie werden dabei unter anderem durch Fortbildung und Beratung von SABRA unterstützt.
Verstetigung und Verankerung
Zwei abgeordnete Lehrkräfte im Auftrag des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen setzen bei SABRA in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf unter anderem dieses Projekt um. Die Abordnung von Lehrkräften für diese spezifische Tätigkeit ist bemerkenswert und im bundesweiten Vergleich wahrscheinlich einzigartig. Es verdeutlicht, dass es dem nordrhein-westfälischen Ministerium ein wichtiges Anliegen ist, dass Schulen sich antisemitismuskritisch weiterentwickeln.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Die folgenden Reflexionspunkte beziehen sich auf anderthalb Jahre Projekterfahrungen.
Es gibt ein großes Interesse von Schulen, sich mit antisemitismuskritischer Bildungsarbeit zu befassen. Zugleich existiert eine große Unwissenheit in der Schule darüber, was Antisemitismus überhaupt ist. Ein Zugang für Lehrkräfte kann eine jüdische Perspektive auf Antisemitismus sein.
Im Rahmen der Fortbildungen wird deutlich, dass antisemitismuskritische Arbeit an Schulen nicht alleinige Aufgabe einzelner Fächer ist. Es braucht eine fächerübergreifende antisemitismuskritische Perspektive – beispielsweise ist nur wenigen Lehrkräften bewusst, dass sie in ihrem Fachunterricht zum Teil Antisemitismus reproduzieren.
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Einbindung jüdischer Gemeinden
Die Einbindung der jüdischen Gemeinde in die antisemitismuskritische Bildungsarbeit ist ein wichtiger Gelingensfaktor. Die Expertise und die Perspektiven von Jüdinnen*Juden sind essenziell, wenn sich Schulen mit Antisemitismus befassen wollen. Sie stärken die Position von Menschen mit Antisemitismuserfahrung und geben ihnen den Raum, mit Lehrkräften in einen Dialog zu treten. Die Lehrkräfte bekommen damit die Gelegenheit, aus einer anderen Perspektive auf Antisemitismus zu schauen und sich damit auseinanderzusetzen.
Herausforderungen und Grenzen
Kapazitäten versus Bedarf
In Nordrhein-Westfalen gibt es 5.500 Schulen und ungefähr 190.000 Lehrkräfte. Für das Bildungsangebot von SABRA gibt es zwei Personalstellen, die für die Antisemitismusprävention und Intervention im ganzen Land zuständig sind. Der Bedarf von Schulen an antisemitismuskritischer Bildungsarbeit ist jedoch höher, als das ressourcenbegrenzte Bildungsangebot abdecken kann. Antisemitismus ist eine Realität an Schulen, gleichzeitig sind die Wissensdefizite hierzu groß. Hier ist eine große Bedarfslücke, die geschlossen werden muss
Fehlende Ressourcen und Kapazitäten an Schulen
Die Akteur*innen stellen fest, dass die Lehrkräfte nur wenige bis keine Kapazitäten und Ressourcen haben, um sich einer antisemitismuskritischen Bildungsarbeit an ihrer Schule zu widmen. Diese benötigt angemessene Ressourcen, wie beispielsweise Stundenkontingente für Lehrkräfte. Die Schulen stehen zudem vor der Herausforderung, antisemitismuskritische Bildungsarbeit in die bereits bestehende Aufgabenvielfalt einzufügen.
Tipps für die Übertragung
Strukturelle Verankerung von antisemitismuskritischer Bildungsarbeit an der Schule
Antisemitismuskritische Bildungsarbeit an der Schule ist ein langer Prozess. Deshalb ist es empfehlenswert, wenn die Schulen diesen Prozess strukturell verankern. Hierbei reicht es nicht aus, wenn die Verantwortung allein auf einzelne Lehrkräfte abgestellt ist. Zudem sollte antisemitismuskritische Bildungsarbeit nicht auf einzelne Schulfächer wie Geschichte oder Religion reduziert werden – sie sollte schulfachübergreifend als Querschnittsthema aufgenommen werden.
Emotionale Bildung
Antisemitismus als Thema beispielsweise im Schulunterricht aufzugreifen, sollte nicht ausschließlich kognitiv angegangen werden. Emotionale Bildung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schlüssel, um Empathie und soziale Fähigkeiten bei Schüler*innen im Umgang mit eigenen sowie den Emotionen anderer Menschen zu stärken.
