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Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung/Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. Diversitätsbewusste Schulentwicklung – Qualifizierung zur Interkulturellen Koordination (IKO)

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg sowie die KWB e. V. bieten eine „Qualifizierung zur Interkulturellen Koordination“ an. Diese Qualifizierungsreihe bereitet Hamburger Lehrkräfte in einem Zeitraum von zwei Jahren auf ihren Einsatz als „Veränderungsakteurinnen und -akteure“ vor, die diversitätsbewusste Schulentwicklungsprozesse in ihren Schulen initiieren und begleiten.

Schulform:
Berufsschule, Förderschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Grundschule, Gymnasium, Oberschule, Sekundarstufe
Handlungsfelder:
Angebote für Fort- und Weiterbildung, Impulse für die diskriminierende Schulentwicklung
Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung – LI Hamburg/KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V.
Bundesland:
Hamburg
Diskriminierungskategorie:
alle Diskriminierungskategorien
Durchführung:
seit 2012

Kontakt

Regine Hartung, Leitung der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung E-Mail: regine.hartung@li.hamburg.de Telefon: 040 428842-581 Website: LI Hamburg Dr. Rita Panesar, KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. E-Mail: rita.panesar@kwb.de Telefon: 040 334241-422 Website: Anti Bias Praxis

Durchführende Organisation

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI Hamburg) ist ein Dienstleistungszentrum der Behörde für Schule und Berufsbildung.

Seine Arbeit orientiert sich am Bedarf der Schulen im Hinblick auf die Umsetzung des im Hamburgischen Schulgesetz verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrags. Dabei versteht es sich als ein Ort der Begegnung und des Austauschs, um pädagogische Leitvorstellungen und Handlungsmodelle weiterzuentwickeln.

Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V.

Die Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf die Koordination von Weiterbildungsmaßnahmen und Beschäftigungsförderung spezialisiert hat. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Bildungsgerechtigkeit, zum Beispiel den Lehrkräftequalifizierungen, Mentorenprogrammen und Schulentwicklungsberatungen. Die bei der KWB e. V. angesiedelte Anti-Bias-Praxis bietet zudem Weiterbildung und Organisationsberatung im Bereich diversitätssensibler und diskriminierungskritischer Öffnung an.

Am Reflexionsgespräch Beteiligte

Am Reflexionsgespräch haben Dr. Rita Panesar (Projektleitung) von der Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. und Regine Hartung (Projektleitung) vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung teilgenommen.

Ausgangslage und Motivation

Um das Schul- und Lernklima zu verbessern, die eigene professionelle Arbeitskultur weiterzuentwickeln und Schulerfolge zu steigern, setzen Schulen vermehrt auf diversitätsbewusste Schulentwicklung und den Abbau von Bildungsbarrieren als gemeinschaftliche Aufgabe.

Einzelne Sensibilisierungsfortbildungen wirken meist nicht nachhaltig. In Hamburg haben das LI Hamburg und die Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. daher 2012 erstmals eine Qualifizierungsmaßnahme gestartet, die darauf abzielt, Schule als Gesamtsystem diversitätsbewusst und diskriminierungskritisch zu gestalten. Im Zeitraum 2022–2024 findet der sechste Durchgang der zweijährigen Qualifizierung statt.

Maßnahmenbeschreibung

Das Weiterbildungsprogramm

Im modularen Weiterbildungsprogramm „Qualifizierung zur Interkulturellen Koordination“ werden Lehrkräfte zu Berater*innen im Bereich diversitätsbewusster und diskriminierungskritischer Schulentwicklung ausgebildet. Um an ihrer Schule aktiv zu werden, erwerben sie grundlegende Kompetenzen in drei Themenfeldern, die inhaltlich miteinander verflochten sind:

  1. Anti-Bias-Ansatz: vorurteilsbewusste und diskriminierungskritische Pädagogik (Arbeit an der eigenen Haltung/Professionskompetenz)
  2. Diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Schulentwicklung (Unterrichts-, Personal-, Organisationsentwicklung)
  3. Interne und externe Vernetzung: Unterstützungsangebote, Fachaustausch und Coaching

Die Themen der Qualifizierungsreihe

Die 100-stündige Qualifizierung umfasst 20 Module. Die Teilnahme an allen Modulen ist verpflichtend. Die Themen der Module (mit Stundenumfang) sind unter anderem:

  • Anti-Bias
  • Diskriminierungskritische Schulentwicklung
  • Diskriminierungskritische Unterrichtsentwicklung
  • Diversitätssensible Elternkooperation/Vernetzung
  • Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Vielfalt
  • Diversitätssensible Beratung und Antidiskriminierungsberatung
  • Umgang mit diskriminierenden Äußerungen/Demokratiebildung

Neben den Modulen müssen die Lehrkräfte Projekte an ihren Schulen im Rahmen der Qualifizierungsreihe umsetzen. Zudem ist die Teilnahme am jährlichen Fachtag verpflichtend. Nach Abschluss der Qualifizierung nehmen die Absolvent*innen zur Unterstützung und Qualitätssicherung an verpflichtenden Jahreskonferenzen teil.

Das Ziel der Qualifizierungsreihe

Das Ziel der Qualifizierung für diversitätsbewusste Schulentwicklung ist es, Lehrkräfte als „Veränderungsakteur*innen“ auszubilden, die die eigenen Schulentwicklungsprozesse mit Diversity-Expertise unterstützen. Auf diese Weise leisten sie einen Beitrag zur Verbesserung des Schul-, Lern- und Arbeitsklimas, zu einer inklusiven, chancengerechten Schule und zum Abbau von Diskriminierung.

Verstetigung und Verankerung

Die Qualifizierung wird seit zehn Jahren erfolgreich durchgeführt. Die Weiterführung ist abhängig von der Förderung durch die Bildungsbehörde BSB, die die Qualifizierungsmaßnahme fachlich sehr schätzt und durch jährliche Budgetplanung absichert. Die Qualifizierungsreihe ist eingebettet in die antidiskriminierungspolitische Strategie der Stadt Hamburg.

Evaluation der Qualifizierungsreihe

Die Qualifizierung wurde von der Helmut-Schmidt-Universität (Prof. Mechtild Gomolla und Team) umfassend evaluiert: Evaluation der Lehrer*innenfortbildung zur Interkulturellen Koordination Teil II. Ein wesentliches Evaluierungsergebnis ist, dass sowohl die Teilnehmenden als auch die Schulleitungen die Qualifizierung als sehr sinnvoll erachten. Herausgestellt wird, dass es sich bei der Fortbildung um einen neuartigen, praxisrelevanten Handlungsansatz handelt, der die fachliche Qualifizierung für den Umgang mit Fragen der Differenz, Heterogenität und Diskriminierung im Schulalltag mit der Vermittlung von Kompetenzen verbindet, die sich auf die Steuerung, Beratung und Begleitung von Prozessen diversitätsbewusster und diskriminierungskritischer Schulentwicklung beziehen. Beteiligte Schulleitungen schätzen das Konzept der Qualifizierung als Spezialaufgabe und Querschnittsdimension der regulären Schulentwicklung.

Handlungssicherheit der Teilnehmenden wird gestärkt

Die Teilnehmenden melden zurück, dass sie Professionskompetenz in einem Feld gewinnen, in dem viel Handlungsunsicherheit herrscht. Zudem schätzen sie die konkreten Impulse für die Veränderung ihrer Praxis, das Empowerment durch den Vertrauensraum, die Reflexion und die strategische Beratung in der Lerngruppe und die Lobbyarbeit durch Einbeziehung der Schulleitung im Hinblick auf ihre definierten Ziele diversitätsbewusster und diskriminierungskritischer Personal-, Unterrichts- und Organisationsentwicklung.

Stärkung der Rolle der Veränderungsakteur*innen

Ein weiterer Effekt ist die Stärkung der Position und Rolle der Teilnehmenden in der Schule, die in der mittleren Managementebene, beispielsweise in einer Steuerungsgruppe, sind. Sie haben die Möglichkeit, im engen Kontakt mit der didaktischen Leitung, in Fachteams und Jahrgangsteams Einfluss zu nehmen.

Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen

Gelingensfaktoren

Einbindung der Schulleitung

Ein wichtiger Gelingensfaktor ist die Einbindung der Schulleitungen in Form der verpflichtenden Teilnahme an vier Veranstaltungen im Rahmen der Qualifizierungsreihe. Sie muss entsprechende zeitliche, finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung stellen. Das wird von den Teilnehmenden der Qualifizierungsreihe als Rückhalt wahrgenommen. Daneben erleben die Teilnehmenden die Schulleitung als ansprechbar und schätzen die Möglichkeit des regelmäßigen Austauschs.

Rahmenbedingungen

Der Gesamtpersonalrat genehmigt die Ausschreibung des Weiterbildungsprogramms, die Teilnahme der Lehrkräfte und die Zusagen an die Lehrkräfte und sorgt für einen niedrigschwelligen und barrierefreien Zugang.

Die Teilnahme an der Qualifizierungsreihe ist in vollem Umfang auf die Arbeitszeit anrechenbar. Da die Module sowohl in der Unterrichtszeit als auch außerhalb des Unterrichts stattfinden, ist dies besonders wichtig.

Praxisanwendung

Die Teilnehmenden müssen ein eigenes Projekt während der Qualifizierung umsetzen. Im Projekt erarbeiten die Teilnehmenden Praxisstrategien für diversitätsbewusste Schulentwicklung und setzen diese gemeinsam mit der Schulleitung und dem Kollegium um. Diese Praxisanwendung ermöglicht den Teilnehmenden, die erlernten Inhalte der Qualifizierung im Rahmen eines Projekts an ihrer Schule umzusetzen.

Fachtagung mit Behörden während der Qualifizierung – Einbezug der Behörden

Einmal im Jahr findet in Kooperation mit der Behörde für Schule und Berufsbildung die IKO-Jahreskonferenz statt. Sie dient der nachhaltigen Vernetzung, Lobbyarbeit und Weiterbildung aller qualifizierten IKOs.

Darüber hinaus werden in Kooperation mit den Regelstrukturen Schulleitungsfortbildungen oder Qualitätsdialoge durchgeführt. Geplant ist, zukünftig ein Befragungsportal des IFBQ Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung Hamburg zu nutzen.

Herausforderungen und Grenzen

Personalwechsel

Die Teilnehmenden der Qualifizierung berichten, dass es eine Chance, aber auch eine Herausforderung darstellen kann, wenn zum Beispiel die Schulleitung wechselt, mit der die IKOs die Qualifizierungsreihe besucht haben. Hier ist es zum Teil erforderlich, zunächst einen Zugang zur Thematik oder auch Möglichkeiten zur Nachqualifizierung zu schaffen.

Themenkonkurrenz an Schulen

In manchen Schulen wird die Auseinandersetzung und Befassung mit dem Themenfeld (Anti-) Diskriminierung als eine zusätzliche Belastung gesehen. Hier gilt es aufzuklären, den Mehrwert und insbesondere Möglichkeiten aufzuzeigen, das Themenfeld (Anti-)Diskriminierung an laufende Schulentwicklungsprozesse anzudocken.

Hilfreich sind zudem Forderungen von Lehrkräften, Schüler*innen sowie Elternvertreter*innen, die in ihren Schulen mehr Handlungssicherheit des schulischen Personals und konkrete Maßnahmen in diesem aktuellen Themenfeld wünschen.

Tipps für die Übertragung

Kopplung an den Bildungsauftrag der Schule

Aus Sicht der Akteur*innen ist die Kopplung der diversitätsbewussten Schulentwicklung an den Bildungsauftrag der Schule ein wichtiger Gelingensfaktor. Der Bezug zu Menschenrechten, Grundrechten, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und der Landesschulgesetzgebung muss hergestellt und zugleich herausgestellt werden, dass die Schule die Bildungsmöglichkeiten gerecht und gleichberechtigt für alle Schüler*innen zugänglich machen muss. Zudem gehört eine diversitätsbewusste Schulentwicklung zum Bildungsauftrags der Schule. Schüler*innen können nicht gut lernen, wenn sie mit ihren Ausgrenzungserfahrungen alleingelassen werden. (Mikro-) Aggressionen schaffen kein gutes Lernumfeld und fördern nicht die schulischen Leistungen von Kindern.

Self-Empowerment der Teilnehmenden

Um diskriminierungskritische Schulentwicklung an der eigenen Schule voranzutreiben, braucht es Selbstbewusstsein, Rückendeckung und Selbstfürsorge. Die Absolvent*innen der Qualifizierung können – wie bei jedem neuen Schulentwicklungsthema – auch auf Widerstände in der Schule treffen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass die IKOs gut vorbereitet, vernetzt und professionell an die etablierten Strukturen herantreten beziehungsweise in ihnen agieren.

Logo: KWB - Koordinierungsstelle Weiterbildund und Beschäftigung e.V.