Otto-Nagel-Gymnasium, Berlin Interessengemeinschaft (IG) Friedenstaube
Seit 2014 engagieren sich Schüler*innen, Bundesfreiwillige und Studierende unter dem Motto „Soziale Schule. Humane Welt.“ selbst organisiert für eine sozialere Welt. Jährlich werden sechs Jahrgangsprojekte (jeweils 120–150 Teilnehmende) zu verschiedenen sozialen Fragestellungen organisiert.
- Schulform:
- Gymnasium
- Handlungsfelder:
- Diskriminierung als Thema im Unterricht, Durchführung von Projekttagen, Kooperationen mit außerschulischen Partner*innen
- Bundesland:
- Berlin
- Diskriminierungskategorie:
- alle Diskriminierungskategorien
- Durchführung:
- seit 2014
Kontakt
Jannis Koll, Co-Leiter und Ansprechperson für externe Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit
Anna Wolfram, Gründerin IG Friedenstaube
Otto-Nagel-Gymnasium, Schulstraße 11, 12683 Berlin-Biesdorf
E-Mail:
friedenstaube@ong.berlin
Telefon:
030 5143864
Durchführende Organisation
Das Otto-Nagel-Gymnasium, Berlin, liegt im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Die Klassenstufen sind von der 5. bis zur 12. Klasse.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
Am Reflexionsgespräch haben die Gründerin, die Leitung der IG Friedenstaube und der Co-Leiter der IG Friedenstaube teilgenommen. Die drei sind ehemalige Schülerin*innen.
Ausgangslage und Motivation
Die IG Friedenstaube ist eine selbst organisierte Gruppe aus engagierten Schüler*innen, Studierenden und Bundesfreiwilligen. Unter ihrem Motto „Soziale Schule. Humane Welt.“ gestaltet die Interessengemeinschaft seit 2014 ehrenamtlich soziale Bildung in der regulären Schulzeit. In dieser Zeit hat sie mehr als 50 Projekte organisiert.
Die Friedenstaube vertritt die Überzeugung, dass Menschen nur dann einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können, wenn sie in der Lage sind, Probleme 1) zu erkennen, 2) zu benennen und 3) Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dieser Gedanke ist fest in der Motivation verankert: die soziale Bildung möglichst vieler junger Menschen, um eine humanere Gesellschaft für eine bessere und faire Zukunft zu gestalten.
Maßnahmenbeschreibung
Beschreibung des Praxisbeispiels
Das Ziel ist es, Kinder und Jugendliche früh auf gesellschaftliche Herausforderungen und Missstände aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungsansätze zu finden. Bildungsarbeit ist ihr Lösungsansatz zur Bekämpfung von gesellschaftlichen Missständen.
Die IG Friedenstaube integriert soziale Bildung in das Schulprogramm. Jährlich werden sechs Jahrgangsprojekte (jeweils 120–150 Teilnehmende) zu verschiedenen sozialen Fragestellungen organisiert.
Die thematischen Schwerpunkte der Projekte sind:
- Gleichhberechtigte Teilhabe
- Gewaltprävention
- Antidiskriminierungsarbeit
Die IG verfolgt den Peer-to-Peer-Ansatz mit den folgenden Zielen:
- soziale Problemstellungen zu erkennen,
- diese aktiv zu benennen,
- Lösungsansätze zu formulieren.
Mit jedem Projektangebot wird ein gesamter Jahrgang geschult. Die Klassen werden in acht klassengemischte Projektgruppen unterteilt. Pro Tag wird mit vier Gruppen à 15 Lernende gearbeitet. Die Leitung der Kleingruppen übernehmen zwei Friedenstauben (Schüler*innen). Die Struktur des Projektangebots setzt sich aus Informationsvermittlung, Austausch/Diskussion unter den Teilnehmenden und der Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten zusammen.
Die Projektthemen orientieren sich unter anderem an den Bedürfnissen der Schüler*innen, aus dem Themenfeld Antidiskriminierung sind es:
- Chancengleichheit
- Inklusion
- Geschlechtergerechtigkeit
- LGBTQIA*-Awareness
- Antirassismus und aktive Erinnerungskultur
Es werden interne (innerhalb der Friedenstaube) und externe (von Teilnehmenden und Kooperationspartner*innen) Evaluationen und Feedbackrunden umgesetzt. Dabei wird unter anderem eine anonymisierte Online-Umfrage unter den teilnehmenden Schüler*innen durchgeführt. Die Ergebnisse der Online-Umfrage werden mit der Schulgemeinschaft aus Lernenden, Lehrenden und Erziehenden geteilt.
Über Kooperationen mit außerschulischen Projektpartner*innen, beispielsweise UN Women Deutschland, dem Kinder- und Jugendhaus Bolle und dem Kinderhospiz Berliner Herz, wird externe Expertise in die Bildungsarbeit eingebunden.
Verstetigung und Verankerung
Die Arbeit der IG Friedenstaube ist Teil der individualisierten Unterrichtsgestaltung der Schule und lässt sich in folgende Bereiche unterteilen:
- Peer-Teaching
- Projektbasiertes Lernen
- Lernen an außerschulischen Lernorten
Zudem ist die Arbeit der IG Friedenstaube in der Schule strukturell verankert:
- im Schulprogramm und im Schulleitbild
- im Lernkonzept
- im Schuljahreskalender
- auf der Website
- auf den Social Media Channels
Die Schüler*innen, Studierenden und Bundesfreiwilligen planen die Projekte ein Jahr im Voraus. Sie legen Termine und Projektorte in enger Abstimmung mit allen Schulgremien fest.
Die Schüler*innen, die die Workshops organisieren und durchführen, treffen sich zusätzlich einmal wöchentlich für 90 Minuten, um interne Absprachen zu treffen und sich weiterzuentwickeln. Dabei erhalten sie kontinuierliche Unterstützung von den Bundesfreiwilligen sowie dem Leitungsteam, das aus ehemaligen Schülerinnen besteht.
Die praktische Umsetzung der Projekte liegt in den Händen der aktiven Schüler*innen, um ein optimales Peer-to-Peer-Teaching zu ermöglichen.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Unter dem Motto „Soziale Schule. Humane Welt.“ werden die Teilnehmenden von der IG Friedenstaube frühzeitig mit sozialen Herausforderungen konfrontiert. Diese Begegnungen in den entscheidenden Entwicklungsphasen der Kindheit und frühen Jugend tragen dazu bei, dass die Teilnehmenden nachhaltig sensibilisiert werden.
Großes Engagement der Schüler*innen
Seit der Gründung 2015 kann die IG Friedenstaube beachtliche Fortschritte und Erfolge verzeichnen. Über 4.000 Schüler*innen haben sich während ihrer Schulzeit intensiv mit mindestens vier sozialen und gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandergesetzt. Von den 4.000 teilnehmenden Schüler*innen haben über 50 soziale Verantwortung übernommen, indem sie als Projektleitende in der IG Friedenstaube aktiv wurden. Zudem fördert die IG Friedenstaube ein jahrgangsübergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl, das sogar ehemalige Schüler*innen dazu motiviert, die Arbeit langfristig zu unterstützen.
Kooperationen und Spenden
Es wurden mehr als acht Kooperationen mit bedeutenden Partner*innen etabliert, darunter UN Women Deutschland, das Kinderhospiz Berliner Herz und das Kinder- und Jugendhaus Bolle. Darüber hinaus konnte ein Gesamtbetrag von fast 20.000 Euro im Rahmen der sozialen Projekte gesammelt und für wohltätige Zwecke gespendet werden.
Die IG Friedenstaube prägt die Schulkultur
Die Schulkultur hat sich positiv entwickelt, das spiegelt sich im Leitbild der Schule wider. Darin sind die Werte Engagement, Toleranz und Respekt fest integriert. Ein Ausdruck dieser Werte ist, dass Probleme von allen Beteiligten auf allen Ebenen offen angesprochen werden können. Das Engagement der IG Friedenstaube wirkt sich auch auf das Schulprogramm aus. Darin ist soziale Bildung eingebunden. Außerdem sind im Rahmen der Arbeit der IG Friedenstaube soziale Projekte entstanden, darunter ein Bildungsprojekt, das Lernende aus Gymnasien und Förderschulen
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Kontinuität durch engagierte Kerngruppe
Im Laufe der Projektarbeit wurde deutlich, dass die kontinuierliche Projektarbeit eine engagierte Kerngruppe erfordert, um ihre Fortführung sicherzustellen. Bis heute sind Gründungsmitglieder, mittlerweile ehemalige Schüler*innen, im Leitungsteam aktiv, was einen kontinuierlichen Wissenstransfer über die Jahre hinweg gewährleistet.
Breite Unterstützung in der Schulgemeinschaft
Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor ist die anhaltende Unterstützung aus der Schulgemeinschaft, insbesondere von der Schulleitung. Ohne diese Unterstützung wären die Implementierung und Umsetzung der Projekte im regulären Schulbetrieb nicht möglich. Die Friedenstaube pflegt proaktiv und transparent die Kommunikation mit allen Beteiligten, darunter Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern, um diesen langfristigen Support zu sichern.
Qualitätssicherung
Um die hohe Qualität der IG Friedenstaube sicherzustellen, werden folgende Maßnahmen ergriffen:
- Kontinuierliche Ausbildung neuer Projektleiter*innen, um jüngere Schüler*innen zu ermutigen und zu befähigen, Verantwortung in der Projektleitung zu übernehmen.
- Schulung neuer Leiter*innen für die IG Friedenstaube, die Schüler*innen, Bundesfreiwillige oder Studierende sein können. Sie übernehmen Aufgaben im übergeordneten Management, wie Finanzierung, Kommunikation mit externen Stakeholdern und das Anwerben neuer Partner*innen.
- Wissenssicherung: Ein Handbuch dokumentiert sämtliche Inhalte, Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen, um als Grundlage für die Übertragung des Konzepts auf andere Schulen und Projekte zu dienen.
Zu den weiteren Erfolgsfaktoren gehört, dass die Teilnahme an den Projektangeboten für alle Schüler*innen stets kostenfrei ist. Zudem erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Inhalte eigenständig zu gestalten, was ein aktives Lernen ermöglicht. Darüber hinaus fördert es kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation und Zusammenarbeit. Dies ermöglicht aktives Lernen und führt zur Aufweichung klassischer Klassenstrukturen und Hierarchien.
Herausforderungen und Grenzen
Das Praxisbeispiel ist stark von der Eigenmotivation und dem Engagement der Schülerschaft abhängig. Zudem müssen diese Strukturen wachsen und insbesondere Kooperationen müssen sich langfristig entwickeln.
Eine weitere Herausforderung stellt die Fluktuation unter den Schüler*innen dar. Es gibt Strategien, die Kontinuität der Projektarbeit abzusichern, aber es bleibt dennoch eine Herausforderung.
Tipps für die Übertragung
Die Umsetzung der Projektarbeit nimmt umfangreiche zeitliche Ressourcen in Anspruch. Die leitenden Personen der IG Friedenstaube wenden vier bis sechs Stunden pro Woche für ihr Engagement auf. Ein großer Teil wird über ehrenamtliches Engagement abgedeckt, es gibt nur geringe Aufwandsentschädigungen.
Ein weiterer zeitlicher Faktor ist die Einplanung einer konzeptionellen Phase für die Entwicklung der Projekte.
Neben dem Faktor Zeit ist die Finanzierung der Projekte ein wichtiger Merkpunkt. In den Anfangsjahren haben die ersten Projekte kein Geld gekostet. Mit dem Wachstum der Projekte kam die Frage der Finanzierung auf – jährlich werden circa 2.500 Euro für die Umsetzung veranschlagt. Die Kosten werden bis heute zu 100 Prozent von der Friedenstaube übernommen. Die Finanzierung läuft über (Eltern-)Spenden und Preisgelder. Gleichzeitig arbeiten viele Partner*innen der IG Friedenstaube ohne Bezahlung.
Das Handbuch "Für erfolgreiche Taubenarbeit - IG Friedenstaube" ist im Juli 2022 erschienen und auf Anfrage erhältlich.