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SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik gGmbH „Gemeinsam:SchlaU – für starke Schulen in der Migrationsgesellschaft“

„Gemeinsam:SchlaU“ ist ein diskriminierungskritisches Schulentwicklungsprogramm für Schulen in ganz Deutschland. Das Team begleitet teilnehmende Schulen über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren in Fragen einer diskriminierungskritischen und diversitätsorientierten pädagogischen Praxis. Eingeladen sind alle Lehrer*innen und weitere pädagogische Fachkräfte, Elternvertreter*innen, Schüler*innen und externe Kooperationspartner*innen der Schule.

Schulform:
Berufsschule, Förderschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Grundschule, Gymnasium, Oberschule, Sekundarstufe
Handlungsfelder:
Impulse für diskriminierungskritische Schulentwicklung, Angebote für Fort- und Weiterbildung
Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
Außerschulischer Bildungsträger, der mit allen Schulformen arbeitet
Bundesland:
bundesweit
Diskriminierungskategorie:
alle Diskriminierungskategorien (mit dem Schwerpunkt rassistische Zuschreibungen)
Durchführung:
seit 2021

Kontakt

Anja Kittlitz, Geschäftsführung und Co-Gründerin E-Mail: a.kittlitz@schlau-werkstatt.de SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik gGmbH, Schertlinstraße 4, 81379 München E-Mail: info@schlau-werkstatt.de Mobiltelefon: 0176 60389421

Durchführende Organisation

Die SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik unterstützt Schulen, Bildungseinrichtungen und andere Institutionen dabei, ihre Bildungspraxis inklusiv, diskriminierungskritisch und diversitätsorientiert zu gestalten.

Am Reflexionsgespräch Beteiligte

Am Gespräch beteiligt waren zwei Mitglieder der Geschäftsführung der SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik sowie eine Vertreterin des Landesinstituts für Schule in Bremen, das der Kooperationspartner in der Pilotphase war.

Ausgangslage und Motivation

Das Programm „Gemeinsam:SchlaU“ reagiert auf bestehende institutionelle Diskriminierung im Schulsystem. Es will Schulen und Bildungseinrichtungen dabei unterstützen, strukturelle Chancenbenachteiligung abzubauen. Dabei zielt es speziell auf Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Es versteht diskriminierungs- und rassismuskritisches Wissen als Basisqualifikation für Pädagog*innen, Selbstreflexion als Professionskompetenz und Partizipation als Grundlage für gelingende Gemeinschaft.

Maßnahmenbeschreibung

Durchführung des Programms an der Schule

„Gemeinsam:SchlaU“ begleitet die teilnehmenden Schulen über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Die Schule stellt dafür ein Projektteam zusammen, in dem Personen aus der Leitung, Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen vertreten sind, optional auch die Eltern- und Schüler*innenvertretung. An manchen Schulen bilden sich Arbeitsgruppen, an anderen Schulen nimmt fast das gesamte Kollegium teil. Die Inhalte sollen auch mit den nicht teilnehmenden Kolleg*innen geteilt werden.
Das Programm startet an jeder Schule mit einem Auftaktworkshop, zu dem alle Interessierten eingeladen sind. Gemeinsam wird der Istzustand beim Umgang mit den Themenfeldern Vielfalt und Differenz an der Schule erhoben. Im Anschluss bildet sich eine Projektgruppe, die fortan regelmäßig am Programm teilnimmt. Im nächsten Schritt werden in zwei aufeinanderfolgenden Basisworkshops grundlegende Begrifflichkeiten und Konzepte in den Bereichen Diversity, Diskriminierung und Rassismus geklärt und ein erster Transfer von Fallbeispielen auf die eigene pädagogische Praxis wird ermöglicht. Zudem werden programmbegleitende Projekte definiert, die zu Veränderungsprozessen an den Schulen führen sollen.

Nach circa sechs Monaten reflektieren die Teilnehmenden in einem Zwischengespräch ihren bisherigen Lernprozess und wählen auf dieser Grundlage thematische Workshops wie zum Beispiel rassismuskritische Didaktik, partizipative Schulgemeinschaft, Mehrsprachigkeit und Elternarbeit. Abgeschlossen wird das Programm mit einem Workshop, in dem definiert wird, wie die Schule nach Programmende an den Themen weiterarbeiten wird.

Jede Schule kann selbst den zeitlichen Rhythmus und das Format der einzelnen Veranstaltungen gestalten. Viele Schulen entscheiden sich aufgrund der Zugänglichkeit für Teilzeitkräfte für ein digitales Format im Umfang von je zweieinhalb Stunden im Abstand von circa sechs Wochen.

Die Schulen können auch die inhaltlichen Schwerpunkte mitbestimmen. Aus der SchlaU-Tradition heraus liegen die Schwerpunkte oft bei den Themen Migration, Sprache und Rassismus. Daneben werden auf Wunsch von den Schulen auch queere Themen oder das Thema Behinderung aufgegriffen. In diesen Fällen werden lokale Organisationen, die zu diesen Themen schwerpunktmäßig arbeiten, in das Programm eingebunden.

Die Trainer*innen

Das Team besteht aus hauptamtlichen Trainer*innen mit einem Pädagogikstudium und einer explizit rassismuskritischen Haltung. Alle Trainer*innen betreuen mehrere Schulen und arbeiten dabei in unterschiedlichen Tandems zusammen. So bauen sich durch den intensiven Austausch im Team eine eigene Expertise und Qualifikation auf.
Schwierige Themen wie die Reproduktion von Rassismus in den Veranstaltungen durch einzelne Teilnehmende können in einer Supervision bearbeitet werden. Sind Widerstände in den Schulen so groß, dass es den Trainer*innen nicht zugemutet werden kann, diese Schule zu begleiten, kann die Schule aus dem Programm genommen werden.

Weiterführende Angebote

„Gemeinsam:SchlaU“ versteht sich als Einstiegsprogramm zum Thema Antidiskriminierung. Allein die Teilnahme am Programm reicht nicht aus, dass es an der Schule zu einer nachhaltig wirksamen Veränderung kommt. Die Trainer*innen stehen den Schulen daher während der Laufzeit auch über die Module hinaus als Ansprechpartner*innen für bedarfsgenaue Beratung zur Verfügung. Schulen, die das Programm abgeschlossen haben, können weiterhin an den bundesweiten Netzwerkangeboten teilnehmen. Die Angebote für dieses Netzwerk sollen sukzessive ausgebaut werden.

Verstetigung und Verankerung

„Gemeinsam:SchlaU“ ist ein stiftungsfinanziertes Projekt. Für die teilnehmenden Schulen entstehen keine Teilnahmekosten. Eine Weiterführung ist über die Finanzierungsstrukturen der SchlaU-Werkstatt als Träger des Programms sichergestellt.
Das Pilotprogramm hat im Schuljahr 2021/2022 in Bremen 15 Schulen erreicht. Im Schuljahr 2022/2023 waren 45 Schulen in sieben Bundesländern beteiligt, im Schuljahr 2023/2024 wurden 20 Schulen in Hessen in das Programm aufgenommen.
Das Programm wird unter anderem mit einem wissenschaftlich besetzten Programmbeirat kontinuierlich konzeptionell weiterentwickelt.

Die Evaluation des Pilotprogramms hat gezeigt, dass über 90 Prozent der teilnehmenden Schulen „Gemeinsam:SchlaU“ weiterempfehlen. Durch das Programm entsteht an allen teilnehmenden Schulen eine fest etablierte Arbeitsgruppe. Sie besteht aus in der Regel zehn bis 20 Personen, die sich aktiv mit diskriminierungskritischer Schulentwicklung auseinandersetzen. In den AGs sind immer auch Teile der Schulleitung sowie die verschiedenen pädagogischen Professionen an der Schule vertreten.

In den Veränderungsprojekten arbeiten einzelne Schulen an konkreten Umsetzungen, wie zum Beispiel

  • einer diskriminierungssensiblen Schulbibliothek,
  • mehrsprachiger Elternkommunikation,
  • einem veränderten Umgang mit rassismusrelevanten Inhalten in Unterrichtsmaterialien,
  • der Überarbeitung partizipativer Strukturen an der jeweiligen Schule,
  • der Schaffung von Anlaufstellen für von Diskriminierung betroffene Schüler*innen.

Ein weiterer beobachteter Effekt ist ein verändertes Teamgefühl im Kollegium. Die Teilnehmerin einer Weiterbildungsgruppe erlebte es so: „Ich wusste gar nicht, dass sich meine Kolleg*innen darüber auch Gedanken machen, und bin froh, Mitstreiter*innen gefunden zu haben.“ Engagierte Lehrkräfte erleben, dass sie nicht mehr die „Minderheit am Konferenztisch in den Schulen“ sind. Dadurch entsteht auch eine neue Form der Verantwortungsübernahme. Eine andere Kollegin: „Mir war zwar bewusst, dass ich hier eine Verantwortung trage, aber ich wusste nicht, wie zentral meine Position tatsächlich ist.“

Durch seine Größe und die transparente Außenkommunikation wirkt das Programm auch in Richtung Politik und Förderpartner*innen im Hinblick darauf, dem Thema „Diskriminierungskritische Schulentwicklung“ eine größere Aufmerksamkeit auf bildungspolitischer Ebene zuteilwerden zu lassen.

Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen

Gelingensfaktoren

Zusammenwirken verschiedener Handlungsebenen

Als zentral an der Konzeption hat sich die gleichzeitige Bearbeitung der Themen auf drei Ebenen herausgestellt:

  • Selbstreflexion der eigenen Haltung der Lehrkräfte
  • Reflexion der Unterrichtsgestaltung und Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden
  • Weiterentwicklungsimpulse auf der Ebene der Schulstruktur und der Schulkultur

Die strukturelle Ebene soll dabei in Zukunft noch gestärkt werden, indem bereits bei der Bewerbung der Schule ein Feld genannt werden soll, in dem strukturelle Veränderungen angestrebt werden.

Voraussetzung aufseiten der beteiligten Schulen

In der Auswertung des Pilotdurchgangs haben sich verschiedene Faktoren gezeigt, die einen Erfolg des Programms begünstigen:

Die Gesamtlehrer*innenkonferenz entscheidet gemeinsam, dass die Schule am Programm teilnimmt.

Es gibt ein intrinsisch motiviertes Kernteam.

  • Die Leitungsebene ist direkt in das Programm eingebunden oder begleitet es zumindest sehr engmaschig.
  • Wenn die Leitung nicht von Beginn an für eine Beteiligung zu gewinnen ist, kann ein selbstbewusstes Projektteam das Thema im Kollegium so verankern, dass die Schulleitung nachhaltig gefordert wird, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Kostenloses Programm

Die Teilnahme ist für die Schulen kostenfrei. Dies ermöglicht für viele einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema „Diskriminierungskritische Schulentwicklung“.

Herausforderungen und Grenzen

Begrenzte Reichweite

„Gemeinsam:SchlaU“ erreicht unmittelbar immer nur einen Teil der Schulgemeinschaft. Kolleg*innen mit einer dezidierten Abwehrhaltung können sich leicht entziehen. Inwieweit es nachhaltige Effekte auf das ganze Kollegium gibt, hängt daher stark von Schulleitungen und dem Engagement der Projektgruppe ab.

Bisher waren strukturelle Veränderungen in der Schule kein verbindlicher Bestandteil des Programms und wurden auch nur von wenigen Schulen umgesetzt. Auch dies erhöht die Gefahr, dass die Wirkung über die teilnehmenden Personen hinaus begrenzt bleibt. In der Weiterentwicklung soll daher die Einbeziehung der Schulentwicklung verbindlicher verankert werden.

Personalengpässe

Ein Risiko für eine nachhaltige Auseinandersetzung mit den Themen besteht auch durch Personalengpässe, wie sie an Schulen immer mehr zu verzeichnen sind. Die Bearbeitung der Themen kann dann in Konkurrenz zu tagesaktuellen Herausforderungen in den Hintergrund rücken.

Finanzielle Ressourcen

Die Teilnahme am Programm und an den Netzwerkangeboten ist für die Schulen zwar kostenfrei. Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Themen fehlen Schulen aber oft die finanziellen Mittel und – insbesondere auch in ländlichen Gebieten – die lokalen Unterstützungsstrukturen.

In der Weiterentwicklung des Konzepts sollen die offenen Angebote für Schulen zur gegenseitigen Motivation und zum Voneinanderlernen ausgebaut werden.

Beteiligung der gesamten Schulgemeinschaft

„Gemeinsam:SchlaU“ hat die Idee, nicht nur das pädagogische Team, sondern auch Schüler*innen und Eltern/Bezugspersonen in den Prozess einzubinden. Dies gelingt bisher allerdings nur in wenigen Fällen. Auch ist die Sichtbarkeit in Richtung Schüler*innen begrenzt.

Obwohl an verschiedenen Schulen wiederholte Aktivitäten zur Einbindung von Eltern- und Schüler*innenvertretung unternommen wurden, ist dies nur zehn Prozent der Schulen gelungen. Wenn es gelungen ist, waren die Effekte beachtlich. Die Kommunikation in der Lerngruppe hat sich verändert und die Gruppe wurde als Erfahrungsraum für eine bessere Kommunikation in der gesamten Schule wahrgenommen.

Für gesonderte Angebote für Eltern/Bezugspersonen sowie für Schüler*innen stößt das Programm derzeit noch an kapazitäre und finanzielle Grenzen. Ab dem Schuljahr 2023/2024 wird es an allen teilnehmenden Schulen ein mehrmoduliges Angebot für Schüler*innen geben, um an Workshops im Rahmen des Programms teilzunehmen und ihre Stimmen nachhaltig einzubringen. Für Lehrkräfte of Colour gibt es einen bundesweiten digitalen Empowermentraum, der mehrmals im Jahr angeboten wird und der ebenso kostenfrei zugänglich ist.

Tipps für die Übertragung

Die flexible Gestaltung der Inhalte in Aushandlung mit den Schulen ermöglicht eine gute Anpassung an den jeweiligen Bedarf.Die kritische Auseinandersetzung des Teams mit den erzielten Wirkungen und die Transparenz dazu gegenüber den Partner*innen ermöglichen gemeinsame Lernprozesse und eine Weiterentwicklung der Projektkonzeption.

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