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Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Fair mieten – Fair wohnen
UP19 Stadtforschung + Beratung GmbH,
Türkischer Bund in Berlin Brandenburg e. V. (TBB)

Die vom Berliner Senat geförderte Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt bündelt und vermittelt Wissen zum Themenfeld, tritt in Dialog, Kooperation und Vernetzung mit wesentlichen Akteuren auf dem Wohnungsmarkt, aus der Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Sie entwickelt Strategien gegen Diskriminierung und berät und begleitet die Betroffenen direkt in Diskriminierungsfällen.

Art des Wohnungsmarktakteurs:
Antidiskriminierungsstelle
Diskriminierungsmerkmale:
Behinderung, Ethnische Herkunft / Rassismus, Familiengröße, Fluchthintergrund, Geschlecht, Religion / Weltanschauung, Sexuelle Identität, Sozioökonomischer Status, Wohnungslosigkeit
Durchführung:
vor allem Land Berlin, einige Angebote auch bundesweit, seit 2017

Kontakt

Dr. Christiane Droste - UP19, Koordination und Arbeitsbereich Strategie + Vernetzung E-Mail: christiane.droste@fairmieten-fairwohnen.de Telefon: (0 30) 21 95 33 58 Remzi Uyguner - TBB, Arbeitsbereich Beratung + Begleitung E-Mail: remzi.uyguner@fairmieten-fairwohnen.de Telefon: (0 30) 62 73 16 68

Angaben zum Wohnungsmarktakteur

Die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Fair mieten – Fair wohnen ist die bundesweit einzige Fachstelle, die sich nur mit diesem Thema befasst. Sie wird von zwei Organisationen getragen. Die UP19 Stadtforschung + Beratung GmbH (UP19) ist zuständig für den Bereich Strategie + Vernetzung sowie die Koordination der Zusammenarbeit, und der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) ist für den Bereich Beratung + Begleitung von Menschen, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erfahren haben, zuständig. Die Fachstelle wird von der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung mit Mitteln der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) gefördert. Im Team arbeiteten Stand Februar 2022 sieben Personen, fünf Personen bei UP19 auf 2,4 Vollzeitäquivalenten und zwei Personen beim TBB auf 1,3 Vollzeitäquivalenten.

Ausgangslage und Motivation

Im Rahmen eines 2016 vom Berliner Senat in Auftrag gegebenen Gutachtens wurde als Instrument zur Prävention von Diskriminierung auf dem Berliner Wohnungsmarkt die Einrichtung einer themenbezogenen Fachstelle vorgeschlagen. Hintergrund der Initiative war zum einen der große Stellenwert wohnungspolitischer Fragen in Berlin, zum anderen, dass Diskriminierung beim Zugang zu Wohnen in der Umsetzung des AGG in Berlin bis dahin eine untergeordnete Rolle spielte. Die damalige Regierungskoalition nahm die Einrichtung einer Fachstelle in das 100-Tage-Programm der Regierung auf. Nach Ausschreibung der Stelle erhielten UP19 und der TBB den Zuschlag, da das Zusammenspiel der Kompetenzen beider Organisationen als erfolgversprechend erachtet wurde. Am 1. Juli 2017 begann die Fachstelle ihre Arbeit.

Die Fachstelle, so Christiane Droste, reagiere auf das Problem, dass Diskriminierung vorkomme, zugleich aber Dimensionen und Strukturen von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt auf Seiten der Wohnungswirtschaft unterschätzt und teils bagatellisiert und auch gesamtgesellschaftlich nicht hinreichend wahrgenommen werden. Zudem werde auf den konkreten Unterstützungsbedarf der Betroffenen reagiert, denn das Machtgefälle zwischen Betroffenen und der Wohnungswirtschaft sei groß und Diskriminierungserfahrungen seien extrem belastend. Hintergrund sei zudem, dass auf dem sehr angespannten Wohnungsmarkt die Konkurrenz um Wohnungen stetig wächst, was den Zugang zu Wohnraum vor allem für benachteiligte Bevölkerungsgruppen erschwere. Diese Situation erhöhe zusätzlich das Risiko, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu erfahren.

Maßnahmenbeschreibung

Die Fachstelle hat sich vorgenommen, eine Kultur diskriminierungsfreier Vermietung in Berlin weiterzuentwickeln. Dafür sind die Arbeitsbereiche Strategie + Vernetzung und Beratung + Begleitung erforderlich. In einem beratenden und unterstützenden Fachbeirat sind 26 Institutionen vertreten, dazu gehören Interessenvertretungen für von Benachteiligung oder Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Betroffene, zuständige Berliner Verwaltungen, Vertreter*innen der landeseigenen und privaten Wohnungswirtschaft und ihrer Verbände sowie der Rechtsprechung und der Forschung. Der Arbeitsbereich Strategie + Vernetzung arbeitet einzelfallübergreifend, koordiniert die fachlichen und politischen Interventionen der Fachstelle und kooperiert mit verschiedenen Institutionen, Organisationen sowie Initiativen. Ein Schwerpunkt dieses Arbeitsbereichs ist die Durchführung von Veranstaltungen.

Ein Format sind Fachdialoge zur Frage, wie ein diskriminierungsfreier Zugang zum Wohnungsmarkt für spezifische Gruppen möglich ist (zum Beispiel für Menschen nach dem Strafvollzug, für Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen, queere Personen). Dafür bringt die Fachstelle die verschiedenen relevanten Akteur*innen ins Gespräch und dokumentiert die Ergebnisse. Weitere Veranstaltungen befassen sich zum Beispiel mit Alternativen zur öffentlichen Unterbringung geflüchteter Menschen und dem Leitbild Berlin vermietet fair!. Der Salon Faire Vermieter*innen bietet Raum für informellen Austausch (Runder Tisch 2019-2020 / Leitbild 2018-2021, Salons seit 2021) zu Umsetzungsfragen desselben.

Im Arbeitsbereich Strategie + Vernetzung werden auch Themen gezielt bearbeitet, deren Relevanz sich durch die Auswertung der Beratungsarbeit zeigt. So wurde zum Beispiel das zunehmend relevante Thema Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Expert*innendialogen vertieft und eine Arbeitshilfe zu Handlungsmöglichkeiten erarbeitet. Zudem bietet die Fachstelle verschiedene Weiterbildungen an, dazu gehören Empowerment-Workshops für Betroffene, Fortbildungen für Beratungsstellen und Initiativen sowie Schulungen für Akteur*innen des Wohnungsmarkts. Auf der Homepage steht ein reicher Fundus an Informationen zu den Aktivitäten der Fachstelle (auch mehrsprachig) und zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung. Es gibt umfangreiche Texte, Pressemeldungen, viele eigene Publikationen der Fachstelle (zum Beispiel eine Arbeitshilfe für Testings), Broschüren, Hinweise auf andere Publikationen und einen Newsletter.

Eine zusätzliche Homepage hat die Fachstelle für das Leitbild Berlin vermietet fair! aufgebaut. Mit diesem gemeinsam mit Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Wohnungswirtschaft erarbeiteten Leitbild sollen Berliner Vermieter*innen auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien Wohnungsbewerbung, Vergabe, Vermietung und Verwaltung von Wohnraum unterstützt und motiviert werden, sich auf diesen Weg zu machen. Berliner Vermieter*innen verpflichten sich durch Unterzeichnung, das Leitbild umzusetzen, Kontrolle und Sanktionen sind nicht vorgesehen, jedoch die Teilnahme an einer jährlichen Nachhaltigkeitsveranstaltung. Das Leitbild besteht aus neun Leitsätzen, die erläutert werden und mit Vorschlägen für die Umsetzung unterfüttert sind, differenziert für private Vermieter*innen, Hausverwaltungen, Genossenschaften und Wohnungsunternehmen.

Die Mitarbeiter*innen im Arbeitsbereich Beratung + Begleitung beraten und unterstützen bei allen Fragen zu Diskriminierung im Wohnungswesen aufgrund zugeschriebener Herkunft, Sprache, Religion, Geschlechteridentität, sexueller Orientierung, Behinderung, Alter und sozialem Status. Die Beratungsstelle ist unabhängig, parteilich und berät nach den Standards für eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung und auf Wunsch in der Sprache der Ratsuchenden und wenn gewünscht, vertraulich anonym. Sie lotet die gesetzlichen Möglichkeiten im Sinne der Betroffenen aus. Auf der Homepage sind verschiedene Beispiele für Diskriminierung bei der Wohnungssuche, in Wohnverhältnissen und in Nachbarschaftskonflikten aufgeführt. Unter der Überschrift „Erste Hilfe“ finden sich Hinweise zum Vorgehen, Antworten auf häufige Fragen erläutern Diskriminierung im Wohnbereich und das Angebot der Beratungsstelle und beschreiben Handlungsmöglichkeiten. Die Erfahrungen aus der Diskriminierungsberatung werden ausgewertet, anonymisierte Fälle veröffentlicht. Das von der Fachstelle entwickelte Dokumentationssystem wird auch von anderen Antidiskriminierungsberatungsstellen in Berlin genutzt, es ermöglicht nicht nur, Fälle zu dokumentieren, sondern auch, die Fallkonstellationen für sogenannte Testings zu nutzen.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Arbeit betonen Christiane Droste und Remzi Uyguner, dass die verschiedenen Vernetzungsformate der Fachstelle als Forum für die Verständigung verschiedener Akteur*innen angenommen werden. So sei ein konstruktiver Dialog zwischen den Interessenvertretungen von häufig von Diskriminierung betroffenen Personengruppen und Vertreter* innen der Wohnungswirtschaft sowie zuständigen Senatsverwaltungen und Landesantidiskriminierungsstelle möglich. In diesem Rahmen habe zum Beispiel das Leitbild beteiligungsorientiert entwickelt werden können und es sei gelungen, dabei die verschiedenen Perspektiven gut auszubalancieren. Dank der übergeordneten Perspektive der Fachstelle könne sie zudem die Vielzahl von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt betroffener Gruppen und die Bedeutung von Intersektionalität sichtbar machen und der partikularen Ausrichtung der Interessenvertretungen Kooperationsimpulse entgegensetzen und Synergieeffekte aufzeigen. Die beiden Arbeitsbereiche der Fachstelle sind aus Sicht der Mitarbeiter*innen eine Bedingung des Erfolgs. So könnten zum einen in verschiedenen Formaten Fallschilderungen eingebracht und so könnte das Erlebte aus der Sicht der Betroffenen sichtbar gemacht werden. Zum anderen könnten relevante Themen aus der Beratung dadurch strategisch angegangen werden.

Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins Reiner Wild nimmt wahr, dass durch die Thematisierung durch die Fachstelle das Problem „in der Politik und der Gesellschaft ankommt“. Da im Einzelfall der Nachweis schwer sei, dass bei der Vergabe diskriminiert wurde, sei es umso wichtiger, strukturelle Veränderungen anzugehen. Auch Christiane Droste und Remzi Uyguner sehen, dass durch die Arbeit der Fachstelle das Thema zunehmend Bedeutung bekomme. Vor dem Hintergrund, dass die Fachstelle erst 2017 die Arbeit aufnahm, seien die Erfolge beachtlich. Ein wichtiger Erfolg sei das wachsende Bewusstsein auch bei Wohnungsunternehmen, dass das Engagement von Wohnungsunternehmen und Verbänden gegen Diskriminierung kein Eingeständnis von diesbezüglichen Defiziten, sondern vielmehr ein Qualitätsmerkmal sei. Die zunehmende Relevanz des Themas in den Unternehmen gehe auch auf die Beiträge der Fachstelle zu öffentlichen Debatten, den Diskussionen in den Vernetzungsformaten und konkreten Diskriminierungsbeschwerden und -urteilen zurück. Die Fachstelle „nötige“ die wohnungswirtschaftliche Seite, das Problem zur Kenntnis zu nehmen, mache aber zugleich ein Angebot, durch Wissensbildung und Dialog die eigenen Kompetenzen zur Lösung des Problems auszuweiten.

Dass die Fachstelle tatsächlich wirksam sei, wird aus Sicht der Koordinatorin Christiane Droste auch daran deutlich, dass sie unter anderem im Beirat durch wichtige Akteur*innen aus Wohnungsunternehmen und ihren Verbänden dauerhaft begleitet wird und Veröffentlichungen zur Fachstelle und zum Leitbild durch wohnungswirtschaftliche Verbände erfolgen. Dies sei beachtlich, denn „es sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen“.

Bisher haben das Leitbild als Erstunterzeichner*innen zwei Berliner Hausverwaltungen und zahlreiche zivilgesellschaftliche Unterstützer*innen unterzeichnet. In Kommunikation war die Fachstelle dazu mit über 200 Vermieter*innen in verschiedenen Formaten, und viele Unterstützer*innen verweisen in ihrer Arbeit auf das Leitbild. Das Leitbild dient also bisher im Wesentlichen als ‚Anker‘ für die Auseinandersetzung mit dem Thema und gibt Orientierungshilfen und Qualitätskriterien für die Weiterentwicklung der wohnungswirtschaftlichen Praxis.

Die Mitarbeiter*innen der Fachstelle sind mit der Inanspruchnahme der Angebote zufrieden. Dies gilt für die Weiterbildungs- und Veranstaltungsangebote ebenso wie für die Angebote im Bereich Beratung + Begleitung. Ganz deutlich sei auch die positive Wirkung der Beratung. So weiß Remzi Uyguner, dass Menschen mit Diskriminierungserfahrungen „enorm verletzt“ in die Beratung kommen, nach der Beratung aber zumeist aufgebaut und zufriedener seien – und dies obwohl die Instrumente des AGG derzeit auch bei nachweisbaren Diskriminierungen maximal Entschädigungen, nicht aber Wohnungszusagen bewirken können. Für die Betroffenen sei es wichtig, dass ihnen zugehört und geglaubt wird und dass sie umfassende Unterstützung bekommen, wenn sie die erlebte Diskriminierung sichtbar machen und sich dagegen wehren möchten. Ein wichtiger Erfolg sind auch die Klagen, die durch die Beratungsstelle erfolgreich begleitet wurden und bundesweite Signalwirkung entfalten konnten, so zum Beispiel ein Urteil, in dem die Methode des Testings als Indiz für Diskriminierung anerkannt und § 19 III AGG europarechtskonform ausgelegt wurde (AG Berlin-Charlottenburg 14.1.2020, AZ: 203 C 31719).

Tipps für die Übertragung

Die Fachstelle wird bundesweit angefragt, um über das eigene Modell und die Erfahrungen in der Arbeit zu berichten, und es werden in anderen Kommunen und Bundesländern/Stadtstaaten teils Überlegungen angestellt, ähnliche Angebote aufzubauen. Eine grundsätzliche Übertragbarkeit des Modells wird von Christiane Droste und Remzi Uyguner durchaus bejaht, auch der Bedarf wird gesehen. Die wesentliche Voraussetzung einer Übertragung sei die Bereitschaft, eine solche Stelle auch zu finanzieren. Eine direkte Übertragung des Modells der Berliner Fachstelle ist aus ihrer Sicht in Stadtstaaten wie auch Metropolen möglich. Für die Bearbeitung der Thematik in der Fläche (zum Beispiel in Bundesländern) seien abgewandelte Modelle denkbar. Zum Beispiel könnten die bereits bestehenden lokalen Antidiskriminierungsstrukturen zum Thema Wohnen qualifiziert werden und den Beratungs- und Begleitungsanteil übernehmen und gesonderte Fachstellen mit übergreifendem Zuständigkeitsbereich für die Themen Vernetzung und Strategieentwicklung aufgebaut werden. Allerdings sei eine an lokalen Anforderungen ausgerichtete Vernetzung und Strategieentwicklung in der Fläche durch zentrale Stellen aufgrund der Vielzahl der wohnungswirtschaftlichen Akteur*innen nicht umsetzbar. Bei einer direkten Übertragung sei zu beachten, dass die enge Zusammenarbeit der beiden Stellen ein wichtiger Gelingensfaktor sei, zugleich sich aber bewährt habe, dass zwei unterschiedliche Träger auf Augenhöhe für die beiden Funktionsbereiche verantwortlich sind. Damit könnten Bedenken entkräftet werden, dass eine Fachstelle mit ihrem Anspruch der Zusammenarbeit auch mit der Wohnungswirtschaft als parteiliche Antidiskriminierungsberatungsstelle nicht glaubwürdig agieren könne.

Das offizielle Logo der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Weiterführende Materialien