Landeshauptstadt München SOWON – Soziales Wohnen online
Mit ihrer onlinegestützten Wohnungsvergabe für soziales Wohnen praktiziert die Landeshauptstadt München ein transparentes Verfahren, bei dem sich die potenziellen Mieter*innen gezielt auf bestimmte Wohnungen bewerben können.
- Art des Wohnungsmarktakteurs:
- Kommune / Land
- Diskriminierungsmerkmale:
- Behinderung, Ethnische Herkunft / Rassismus, Familiengröße, Fluchthintergrund, Geschlecht, Religion / Weltanschauung, Sexuelle Identität, Sozioökonomischer Status, Wohnungslosigkeit
- Durchführung:
- Stadt München seit 2020, die Sowon gibt es seit Oktober 2016
Kontakt
Monika Betzenbichler - Abteilungsleiterin Soziale Wohnraumversorgung E-Mail: monika.betzenbichler@muenchen.de
Angaben zum Wohnungsmarktakteur
Die Landeshauptstadt München ist mit gut 1,5 Millionen Einwohner*innen die drittgrößte Stadt Deutschlands mit rund 120 Vermieter*innen von geförderten oder vertraglich gebundenen Wohnungen, darunter zwei kommunale Wohnungsbauunternehmen. Die Stadtverwaltung ist zuständig für die ordnungsgemäße Belegung dieser Wohnungen. Der zur Verfügung stehende Wohnungsbestand beträgt rund 89.000 Wohnungen, von denen jährlich rund 3.400 Wohnungen zur Belegung frei werden.
Ausgangslage und Motivation
Die Vergabe von Wohnungen durch die Stadt München basierte bisher auf einem Regelwerk, das in den 1980er Jahren entwickelt worden war. Im Laufe der Zeit kamen diverse Einzelfallregelungen hinzu, sodass sich mit den Jahren ein sehr komplexes Regelwerk entwickelt hatte, das viel Arbeit im Vollzug auslöste. Von außen waren die Regelungen meist schwer nachvollziehbar, was zu häufigen Beschwerden führte.
Aus diesem Grund wurde von der Verwaltung ein neues IT-gestütztes Wohnungsvergabeverfahren entwickelt, das zunächst vor allem zwei zentrale Zielvorgaben hatte. Es sollte gerecht und transparent sein.
Maßnahmenbeschreibung
Das neue Verfahren wurde im Jahr 2020 fertig gestellt. Im Kern besteht es aus zwei zentralen Elementen:
- der digitalen Wohnungsplattform SOWON – Soziales Wohnen online und
- der Punktetabelle zur Priorisierung der Bewerber*innen.
Damit sich die Menschen für eine Sozialwohnung bewerben können, müssen sie zunächst auf der Plattform SOWON einen Wohnungsantrag stellen. Hierfür sind Angaben zu ihrer aktuellen Wohn-, Haushaltsund Einkommenssituation notwendig. Der Wohnungsantrag kann auch mit mobilen Endgeräten (zum Beispiel Smartphone, Tablet) ausgefüllt werden. Unterstützung und Beratung zum Antrag leistet der zuständige Fachbereich. Grundsätzlich können die Anträge aber auch per Papier abgegeben werden. Zur Anleitung für die Antragstellung gibt es einen Flyer, der in Bildern die neun notwendigen Schritte erläutert. Darüber hinaus gibt es auch ein Erklärvideo, mit dem die wichtigsten Schritte der Antragstellung vorgestellt werden.
Anhand der gemachten Angaben im Wohnungsantrag wird überprüft, ob eine Berechtigung zum Bezug einer sozialen Wohnung besteht. Dabei darf beispielsweise das Einkommen des Haushalts bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Grundsätzlich sind Haushalte mit niedrigem (klassische Sozialwohnung) bis mittlerem Einkommen (München-Modell) berechtigt. Für die Haushalte mit niedrigem Einkommen gelten die Einkommensobergrenzen des Gesetzes über die Wohnraumförderung in Bayern. Beim München- Modell können auch Haushalte mit einem Einkommen berücksichtigt werden, die bis zu 25 Prozent über diesen Einkommensgrenzen liegen.
Nach Prüfung der Berechtigung erhalten die Bewerber*innen eine Mitteilung, ob ihr Wohnungsantrag genehmigt wurde. Danach besteht auf der Wohnungsplattform SOWON die Möglichkeit, nach freien Wohnungen zu suchen. Hierbei werden nicht alle Wohnungen angezeigt, sondern nur die, für die auch eine Berechtigung besteht. So können sich zum Beispiel Haushalte mit mittlerem Einkommen nicht auf Wohnungen bewerben, die für Haushalte mit niedrigem Einkommen vorgesehen sind, oder Einpersonenhaushalte nicht auf Vierzimmerwohnungen.
Bei der Prüfung der Wohnungsanträge werden auch die Punkte für die Priorisierung der Bewerbungen festgelegt. In der der Prüfung zugrunde liegenden Punktetabelle (vergleiche Materialien) werden verschiedene Wohn- und Lebenssituationen unterschieden, für die die Bewerber*innen Punkte erhalten. Liegen mehrere Gründe vor, wird die höchste Punktzahl gewertet. Als Gründe werden herangezogen:
- Wohnungslosigkeit
- drohende Wohnungslosigkeit (zum Beispiel Kündigung)
- eine zu große oder zu kleine Wohnung
- zu hohe Mietkosten
- gesundheitliche Gründe
- Trennung
- Haushaltsgründung
- andere Gründe (zum Beispiel Nachbarschaftskonflikte oder Lärmbelästigungen in der aktuellen Wohnung)
Aus den vorgenannten Gründen kann ein*e Bewerber*in maximal 120 Punkte erhalten. Zusätzlich gibt es Vorrangpunkte bei Zugehörigkeit zu einer besonderen Personengruppe, wie im Gesetz definiert. Dies sind Schwangere, ältere Menschen, Menschen mit Schwerbehinderung, Haushalte mit Kindern und Alleinerziehende.
Wenn Wohnungen frei werden, werden diese 14 Tage auf der Wohnungsplattform SOWON angeboten, und alle, die die Berechtigung für diese Wohnung haben, können sich darauf bewerben.
Nach Abschluss der 14-tägigen Angebotslaufzeit werden dem/der Vermieter*in fünf Bewerber*innen vorgeschlagen, die anhand von vier Kategorien ausgewählt werden.
- Personen, die aktuell wohnungslos sind (eine Bewerbung)
- Personen, denen Wohnungslosigkeit droht (eine Bewerbung)
- Allgemein Wohnungssuchende (zwei Bewerbungen)
- Personen, zum Beispiel mit geregeltem Einkommen (eine Bewerbung)
Es werden die Bewerber*innen in den jeweiligen Kategorien ausgewählt, die die höchste Punktzahl haben. Sollten mehrere Bewerbungen dieselbe Punktzahl haben, entscheidet die Dauer der Anwesenheitszeit in München.
Der/die jeweilige Vermieter*in erhält die fünf Vorschläge und kann die Wohnung an den Haushalt vergeben, welcher aus ihrer/seiner Sicht am besten geeignet ist. Um zu überprüfen, ob auch aus allen Kategorien Bewerber* innen Wohnungen erhalten, führt die soziale Wohnraumversorgung Münchens ein regelmäßiges Monitoring durch, zu wie viel Prozent die Wohnungen an Bewerber*innen der vier verschiedenen Kategorien vergeben werden. Es wird angestrebt, dass 35 Prozent der zu vergebenden Wohnungen an Wohnungslose vergeben werden.
Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit
Monika Betzenbichler, Leiterin der Abteilung Soziale Wohnraumversorgung, ist mit dem entwickelten Modell sehr zufrieden: „Ich bin stolz auf das, was wir entwickelt haben. Das Verfahren ist für alle nachvollziehbar, es gibt deshalb keinen Spielraum für Diskriminierungen bei der Vergabe. Es macht die Arbeit auch noch einfacher, weil nur Haushalte für eine Wohnungsbesichtigung vorgeschlagen werden, die die Wohnung auch wirklich haben wollen.“ Sie betont, dass keine der oben genannten Kategorien bei der Auswahl dominiert und eine Auswahl tatsächlich nach Dringlichkeit erfolgt. Somit erhalten auch Personen, die sonst kaum Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt haben, Zugang zu preiswertem Wohnraum. Natürlich gebe es auch weiterhin Beschwerden von Menschen, die nicht zum Zuge kommen, so Betzenbichler. Das liegt aber daran, dass auch ein noch so gutes Vergabesystem nicht verhindern kann, dass zu wenig Wohnraum zur Verfügung steht. Bei circa 30.000 Wohnungsanträgen pro Jahr und über 25.000 registrierten Haushalten konnten in 2021 nur rund 3.400 Wohnungen vergeben werden. Das bedeutet, dass fast 90 Prozent der Antragsteller* innen leer ausgehen.
Helga Prinoth-Kurth, Beraterin in der Fachstelle für Beratung & Antidiskriminierung für Menschen mit Behinderungen bei der Landeshauptstadt München, betont darüber hinaus, dass das aktuelle Vergabeverfahren für Menschen mit Behinderung sehr vorteilhaft sei. Bei den Wohnungsanzeigen ist angegeben, ob und in welchem Umfang sie barrierefrei sind. Die Menschen mit Behinderungen können so ganz selbstbestimmt auswählen, welche Einschränkungen in Bezug auf Barrieren sie in Kauf nehmen können und welche nicht. Neben der digitalen Anzeige der Barrierefreiheit gibt es eine Vereinbarung zwischen der Stelle für Beratung & Antidiskriminierung und der Vergabestelle, dass sie über Wohnungen, die für Rollstuhlfahrer* innen geeignet sind, gezielt informiert wird, sodass sie im Newsletter über die Wohnungsangebote informieren kann. Außerdem führen gesundheitliche Einschränkungen zu zusätzlichen Punkten bei der Bewertung einer Bewerbung, sodass die Chancen von Menschen mit Behinderungen auf eine Wohnung steigen.
Einbettung der Maßnahme
Die Landeshauptstadt München hat insgesamt ein sehr detailliertes Konzept zum Umgang und zur Überwindung von Diskriminierungen in allen Lebensbereichen. Hierzu hat der Stadtrat 2012 ein Gesamtkonzept der verschiedenen Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsstellen verabschiedet. Intern gibt es eine zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt, eine AGG-Beschwerdestelle und eine psychosoziale Beratungsstelle für die Mitarbeiter*innen. Auch für Bürger*innen gibt es die Gleichstellungsstelle für Frauen, die Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*, die Fachstelle für Demokratie und eine spezifische Stelle für interkulturelle Arbeit.
Tipps für die Übertragung
Verwaltungen und/oder Kommunalpolitiker*innen, die ein ähnliches Verfahren für die Vergabe von Sozialwohnungen in ihrer Kommune einführen wollen, rät Monika Betzenbichler, dass sie die zwei zentralen Elemente beachten: zum einen die Wahlmöglichkeit der Bewerber*innen, sich für die Wohnungen zu bewerben, die sie auch wirklich interessieren, und zum anderen ein transparentes, einfach nachvollziehbares Punktesystem. Letzteres muss nach den Bedarfen des lokalen Wohnungsmarkts konzipiert sein. Hierfür sind der gemeinsame Wille und eine gemeinsame Zielsetzung von Politik und Verwaltung notwendig.
