OEKOGENO eG Selbstbestimmtes inklusives Wohnen in Genossenschaft
Die OEKOGENO eG entwickelt und setzt ausschließlich inklusive Wohnprojekte um. Ein Inklusionsmanager übernimmt dabei wichtige Funktionen.
- Art des Wohnungsmarktakteurs:
- Genossenschaft
- Diskriminierungsmerkmale:
- Behinderung
- Durchführung:
- vorrangig Baden-Württemberg seit 2010
- Weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung im Wohnungswesen:
-
Vielfalt im Wohnen
Kontakt
Simon Stott - Inklusionsmanager E-Mail: simon.stott@oekogeno.de Telefon: (0761) 383 885-43
Angaben zum Wohnungsmarktakteur
OEKOGENO eG ist eine Bürgerbeteiligungsgenossenschaft mit ökologisch sozialer Ausrichtung. Die frühere Gründungsgenossenschaft der Ökobank setzte nach Abgabe des Bankgeschäfts 2003 zunächst vor allem Projekte im Bereich regenerative Energien um und professionalisierte sich darüber in der Projektentwicklung. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Planung, im Bau und der Bewirtschaftung von inklusiven Mehrgenerationen-Wohnprojekten. Die OEKOGENO hatte 2022 mehr als 15.500 Mitglieder bundesweit. Die Mitglieder fördern die Projekte mit ihren Anteilen und Förderkrediten.
Ausgangslage und Motivation
Wichtiger Motor der Hinwendung der Genossenschaft zum inklusiven MehrgenerationenWohnen im Jahr 2010 war, dass damals aktive Vorstände der OEKOGENO selbst Kinder mit Behinderungen hatten. Sie erlebten, dass es insgesamt zu wenige Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und kaum Alternativen zum abgesonderten Wohnen in Heimen gab. Die Hürden beim Zugang zu Wohnraum sind im Jahr 2022 – so der Inklusionsmanager Simon Stott – unter den Bedingungen eines angespannten Wohnungsmarkts immer noch hoch. Um selbstbestimmtes Wohnen realisieren zu können, müssen Angebote geschaffen werden. Durch die inklusiven Wohnprojekte soll es Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden, das Wunsch- und Wahlrecht im Bereich Wohnen nach UN-Behindertenrechtskonvention und Bundesteilhabegesetz umzusetzen. Dazu gehört es, echte Teilhabe und Mitbestimmung zu realisieren, unabhängig von Assistenzdienstleistern lebenslanges Wohnrecht in bezahlbaren Wohnungen zu sichern und Begegnungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu ermöglichen.
Maßnahmenbeschreibung
Im ersten inklusiven Wohnprojekt der OEKOGENO – der 2013 bezogenen VAUBANaise in Freiburg – waren circa 15 Prozent der Bewohner*innen Personen mit unterschiedlich hohem Assistenzbedarf. Aufgrund des Erfolgs dieses Projekts entschied sich die Genossenschaft, die Kompetenzen in diesem Bereich weiter auszubauen und für die damit verbundenen Aufgaben die Stelle eines Inklusionsmanagers zu schaffen. Mittlerweile versteht die OEKOGENO Inklusion als Kernelement ihrer Wohnprojekte, und bei allen Vorhaben wird mindestens eine Wohnung für eine Wohngemeinschaft von Menschen mit Unterstützungsbedarf vorgesehen. Seit 2013 hat die OEKOGENO vier inklusive Wohnprojekte erfolgreich umgesetzt, drei weitere Wohnquartiere sind in der Planungs- und Bauphase. In den Quartieren und Häusern der OEKOGENO gibt es ambulante Wohngemeinschaften, Clusterwohnungen und Einzelwohnungen mit Gemeinschaftsflächen, in denen Menschen mit (auch schwerer) geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung und solche, die aufgrund von Krankheit oder Unfall Betreuungs- und Pflegebedarf haben, von professionellen Versorgungsdienstleistern je nach Bedarf unterstützt leben können. Der Anteil von Menschen mit Behinderungen an allen Bewohner*innen liegt in den Projekten bei zwölf bis 15 Prozent. Grundprinzipien sind nachbarschaftliche Normalität und Integration von Menschen mit Assistenzbedarf in die Hausgemeinschaften. Bewohner*innengremien ermöglichen Mitbestimmung und die Einbindung der WG-Bewohner*innen in die Hausgemeinschaft, und das Quartier wird von der Genossenschaft aktiv unterstützt. Die OEKOGENO plant und baut die Wohnanlagen, organisiert die Vermietung und kümmert sich um die Finanzierung.
Die Aufgaben des Inklusionsmanagers der OEKOGENO sind umfangreich und haben sich im Laufe der Jahre etwas verändert. Bei den ersten Wohnprojekten suchte der Inklusionsmanager der OEKOGENO erst Interessent*innen für die Projekte und dann den Assistenzdienstleister, er übernahm sämtliche organisatorische Aufgaben beim Aufbau der Wohngemeinschaft. Mittlerweile wurde das Inklusionsmanagement professionalisiert und Strukturen und Prozesse wurden weiterentwickelt, wobei zunehmend Aufgaben an die Assistenzdienstleister übertragen und ihre Kompetenzen und Kenntnisse stärker genutzt werden. Nun sucht die OEKOGENO erst die Assistenzdienstleister, die in der Regel bereits Listen mit Interessent*innen für inklusives Wohnen haben, weil sie engen Kontakt mit Menschen mit Behinderungen haben. Die Assistenzdienstleister planen auch die Versorgung. Der Inklusionsmanager trifft die Vereinbarungen mit dem Assistenzdienstleister und übernimmt die konkrete Planung der Wohnform und die Organisation von Ausstattungsgegenständen. Um Genehmigungen für den Betrieb einzuholen, stellen die OEKOGENO und der Assistenzdienstleister der Heimaufsicht und Eingliederungshilfe in den zuständigen Landratsämtern als Kostenträgern die Projekte vor.
Wichtige Aufgabe des Inklusionsmanagers ist die Kommunikation mit und Auswahl der Bewohner*innen, das Vorschlagsrecht liegt bei den Assistenzdienstleistern. Dabei gilt es, die potenziellen Bewohner*innen kennen zu lernen und zusammenzubringen, ihnen die Idee einer inklusiven WG zu erläutern und sie bei der Entscheidung zu unterstützen, ob ein Leben in Gemeinschaft für sie tatsächlich richtig ist. Besonders wichtig, aber auch aufwändig und nicht immer erfolgreich sind dann, so Simon Stott, die Verhandlungen mit den Landratsämtern über die Refinanzierung der individuellen Kosten. Der Inklusionsmanager ist zudem im Rahmen der Akquise dafür zuständig, interessierten Kommunen die Idee der inklusiven Wohnprojekte vorzustellen und deutlich zu machen, welchen Mehrwert sie von einem Wohnprojekt der OEKOGENO haben. Dies ist wichtig, da die OEKOGENO beim Kauf von Grundstücken nicht mit rein profitorientierten Investoren konkurrieren kann.
Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit
Aus Perspektive der OEKOGENO eG geht das Konzept der inklusiven Wohnprojekte auf. Bewohner*innen mit Behinderungen selbst betonen nach Auskunft von Simon Stott vor allem, dass es für sie wichtig ist, so wohnen zu können, wie sie es wünschen und dabei Verbindung zu Menschen ohne Behinderung zu haben. Dies sei keine Selbstverständlichkeit, da das Leben von Menschen mit Behinderungen häufig in abgesonderten Bereichen wie Werkstätten und Wohnheimen stattfinde. Natürlich ist das Zusammenleben nicht ganz reibungsfrei. Zuweilen gebe es Vorurteile und Unsicherheiten auf Seiten von Bewohner*innen ohne Behinderungen, die aus falsch verstandenem Verantwortungs- und Mitgefühl teils auch paternalistisch auftreten. Hier sei es wichtig zu vermitteln und zu beruhigen. Das alltägliche Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft ermögliche die Erfahrung, dass Menschen mit Behinderungen unterschiedliche Persönlichkeiten sind, und dass es – wie mit anderen Menschen auch – Spaß machen kann, mit ihnen etwas gemeinsam zu machen.
Die wichtigsten Hürden seien nach wie vor unklare rechtliche Rahmenbedingungen und die schwierigen Verhandlungen mit den Verwaltungen über die Finanzierung. Hier wünscht sich der Inklusionsmanager, dass die Prinzipien des Bundesteilhabegesetzes auf kommunaler Ebene konsequent umgesetzt werden und Menschen mit Behinderungen tatsächlich ein Wunsch- und Wahlrecht im Hinblick auf das Wohnen bekommen. Es zeige sich immer wieder, dass die Menschen mit Behinderungen und die Angehörigen selbst die Kämpfe um die Finanzierung nicht führen können, weil sie nicht die Kraft dafür haben, und dass auch sonst keine Institution dies für sie übernimmt. Der Inklusionsmanager könne mit sozialrechtlichem Hintergrundwissen personenzentrierte Beratung und Unterstützung für den Zugang zu den inklusiven Wohnprojekten bieten und die Verhandlungen führen. Gleichwohl bestehe hier ein grundsätzliches Defizit, hier sei noch abzuwarten, welchen Beitrag die unabhängigen Teilhabeberatungsstellen dazu leisten können.
Assistenzdienstleister – so die Erfahrung von Simon Stott – nehmen das Angebot der OEKOGENO gerne in Anspruch. Es ist für sie attraktiv, weil sie den Bedarf sehen, aber nicht selbst als Vermieter oder Bauträger auftreten wollen oder können. Die Fachbereichsleiterin der Abteilung Sozialpsychiatrie eines Wohlfahrtsverbands, die gemeinsam mit der OEKOGENO den Aufbau einer Wohngemeinschaft für Menschen mit psychischen Erkrankungen plant, begrüßt die Initiative der OEKOGENO. Die Gruppe der psychisch Erkrankten habe im ländlichen Raum aufgrund ihrer finanziellen Situation erhebliche Schwierigkeiten Wohnungen mit guter Anbindung an Versorgungsstrukturen zu finden. Der Aufbau einer WG sei für die Betroffenen selbst äußerst schwierig und riskant und wenn der Wohlfahrtsverband Wohnungen anmietet oder kauft, seien Vermietung und ambulante Betreuung in einer Hand, was eigentlich vermieden werden sollte. Durch die bei dem OEKOGENO-Projekt mögliche Trennung der Funktionen könnten sie sich auf die Assistenzdienstleistung konzentrieren und Bewohner*innen könnten auch bleiben, wenn der Assistenzdienstleister wechselt oder ausfällt. Zugleich hätten sie auf Grundrisse und Gestaltung der Wohnung im Planungsprozess Einfluss nehmen können. Weitere positive Aspekte des inklusiven Wohnprojekts seien die Barrierefreiheit, die Ausstattung der Zimmer mit eigenen kleinen Bädern und die Wohnlage. Die Fachbereichsleiterin hebt positiv hervor, dass die OEKOGENO der Personengruppe offen gegenübersteht und einen inklusiven Ansatz vertritt – beides sei keine Selbstverständlichkeit.
Einbettung der Maßnahme
Daneben achtet die OEKOGENO auch darauf, dass Menschen unterschiedlichen Alters und in unterschiedlichen familiären Situationen und Lebenslagen in den Quartieren Raum finden. Entsprechend vielfältig sind die Grundrisse. Über die Ansiedlung von Gewerbe und sozialen Dienstleistern schafft die OEKOGENO zudem lebendige Quartiere und wohnortnahe Unterstützungsstrukturen.
Tipps für die Übertragung
Das Modell der OEKOGENO, Wohnprojekte inklusiv aufzustellen, wird vom Inklusionsmanager als durchaus übertragbar eingeschätzt. Nur Gewinne, so seine Einschränkung, seien mit den inklusiven WGs nicht machbar, dieser Bestandteil der Wohnprojekte müsse quersubventioniert werden. Für Betriebe mit Gemeinwohlorientierung wie zum Beispiel Genossenschaften oder kommunale Wohnungsunternehmen komme dies aber in Frage. Für die Umsetzung der inklusiven Projekte benötige ein Wohnungsunternehmen allerdings zusätzliche personelle Ressourcen. Die Einsetzung eines Inklusionsmanagers hat sich bei der OEKOGENO bewährt. Erforderliches Rüstzeug für diese Stelle seien sozialrechtliche Kompetenzen, zudem die Bereitschaft, sich für Menschen einzusetzen. Der aktuell dort tätige Inklusionsmanager selbst hat es zudem als hilfreich erlebt, wirtschaftswissenschaftliche Kompetenzen und aufgrund der eigenen Familiensituation vertieftes Verständnis für Betroffene mitzubringen.
