wbg Nürnberg GmbH Immobilienunternehmen Gesellschaftspolitisches Engagement
Die wbg positioniert sich durch Öffentlichkeitsarbeit, Teilnahme an Bündnissen und Förderung externer Projekte eindeutig gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Rechtsextremismus.
- Art des Wohnungsmarktakteurs:
- Kommunales / landeseigenes Wohnungsunternehmen
- Diskriminierungsmerkmale:
- Behinderung, Ethnische Herkunft / Rassismus, Familiengröße, Fluchthintergrund, Geschlecht, Religion / Weltanschauung, Sexuelle Identität, Sozioökonomischer Status, Wohnungslosigkeit
- Durchführung:
- in Nürnberg mindestens seit 2002
- Weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung im Wohnungswesen:
-
inklusive Wohnformen für diverse Mieter*innenschaft, Unterstützungsangebote für verschiedene Zielgruppen, mehrsprachiges Registrierungsportal, mehrsprachige Informationen, AGG-Schulungen, Wohnraum für Kriegsflüchtlinge
Kontakt
Dieter Barth - Leiter Unternehmenskommunikation, Pressesprecher E-Mail: Barth@wbg.nuernberg.de Telefon: (0911) 8004-139
Angaben zum Wohnungsmarktakteur
Die wbg Nürnberg GmbH Immobilienunternehmen ist die größte Immobilienunternehmensgruppe in Nürnberg. Der Marktanteil liegt bei zehn Prozent. Das Unternehmen verwaltet rund 18.000 eigene Wohneinheiten. Die Kommune ist Hauptgesellschafterin des über 100-jährigen Unternehmens. Das Unternehmen hat rund 370 Mitarbeitende.
Ausgangslage und Motivation
Die wbg sieht sich traditionell als kommunales Immobilienunternehmen grundsätzlich in der gesellschaftspolitischen Verantwortung für die Stadtgesellschaft. Allerdings war es eine längere Entwicklung, bis sich die wbg nach innen und außen mit der heutigen Eindeutigkeit zu gesellschaftspolitischen Fragen positionierte. Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg dahin war, dass 2002 der damalige Geschäftsführer den Leiter der Unternehmenskommunikation Dieter Barth ausdrücklich unterstützte, als dieser ehrenamtlich die Öffentlichkeitsarbeit für die Initiative des ersten Nürnberger Christopher Street Days übernahm und sich damit outete. Der satzungsgemäße Auftrag der wbg, für breite gesellschaftliche Schichten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, bedeutete aus Sicht des Geschäftsführers auch, dass Menschen, die anderswo wegen ihrer Sexualität oder anderer Gründe auf dem Wohnungsmarkt schwerer eine Wohnung finden, bei der wbg willkommen sind. Dies solle das Unternehmen nach außen offensiv vertreten. Auf dieser Grundlage sah es die Unternehmenskommunikation als Auftrag für die folgenden Jahre, das Unternehmen durch Öffentlichkeitsarbeit und Projektförderung entsprechend zu positionieren. Hintergrund für das gesellschaftspolitische Engagement gegen Ausgrenzung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit war aber auch die eindeutige Positionierung der Kommune als Stadt des Friedens und der Menschenrechte (vergleiche Antidiskriminierungsstelle Nürnberg).
Maßnahmenbeschreibung
Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich und anlassbezogen gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus positioniert. So ist die wbg Mitglied der 2009 gegründeten Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, einem Netzwerk mit über 400 Mitgliedern. Eine Besonderheit ist, dass neben vielen zivilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen über 150 Städte, Gemeinden und Landkreise im Netzwerk vertreten sind. In diesem Bündnis nahm und nimmt die wbg durch langjährige Vorstandsarbeit sowie die Initiierung eines Fördervereins eine wichtige Funktion ein.
Ganz praktisch ging die wbg 2011 gegen ausländerfeindliche Wahlwerbung in den eigenen Quartieren vor. Ein im Stadtrat vertretener NPD-Ableger, die Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA), die in einigen Wohnsiedlungen der wbg vergleichsweise viele Wähler*innen fand, hatte in den Quartieren Wahlwerbung auf Haustüren und Dachrinnen geklebt. Das Unternehmen verklagte daraufhin den dafür verantwortlichen Stadtrat der Partei auf Unterlassung. Dies hat die gewünschte Wirkung ergeben und derartige Wahlwerbung ist seither unterblieben. Mittlerweile habe es sich die wbg zur Regel gemacht, bei jeder Wahl Flyer der Allianz gegen Rechtsextremismus in den Briefkästen der Bestände verteilen zu lassen, in denen vor den Folgen der Wahl rechtsextremer Parteien gewarnt wird, damit, so Dieter Barth „die Menschen auch da erkennen, dass wir eine Haltung haben und dass wir rechtes Gedankengut gerade in unserer Stadt nicht mehr brauchen“.
Auch im Kundenmagazin positionierte sich die wbg. Sie wies auf die Verteilaktion der Flyer hin und druckte ein Interview mit dem Vorsitzenden der Allianz gegen Rechtsextremismus. Klar bezieht das Unternehmen auch Position gegen Trans- und Homophobie. Im Jahr 2002 unterstützte die wbg erstmals den Christopher Street Day in Nürnberg und bezog damit zu einem relativ frühen Zeitpunkt Stellung (siehe auch oben). Die wbg war im Jahr 2014 eines von 20 Gründungsmitgliedern des Nürnberger Bündnisses gegen Trans- und Homophobie. Ein wichtiger Schritt war auch, dass die wbg als kommunales Immobilienunternehmen zu den Erstunterzeichnern der Selbstverpflichtungserklärung der Nürnberger Wohnungswirtschaft – der Leitlinien und Verhaltenscodizes zur Vermietung und zum Verkauf von Wohnraum gehörte. Auch in der Unterstützung konkreter Projekte durch das Unternehmen und die eigene Stiftung drückt sich die Haltung der wbg aus. So fand sich unter den geförderten Projekten die Initiative Stolpersteine in Nürnberg. Im Rahmen des Sponsorings werden das Afrikafestival, das deutsch-türkische Filmfestival sowie viele Bildungs- und Teilhabeprojekte für Kinder und Jugendliche und Geflüchtete gefördert. Zudem stellt die wbg eine Wohnung für das PEN-Programm Writers in Exile zur Verfügung.
Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit
Das gesellschaftspolitische Engagement der wbg und die klare öffentliche Haltung zu Vielfalts- und Diskriminierungsthemen wirke sowohl nach außen in die Mieter*innenschaft und die Stadtgesellschaft als auch nach innen in den Betrieb, so die Befragten. So sei bei der wbg beispielsweise klar, dass vielfältige sexuelle Orientierungen im Betrieb akzeptiert sind und niemand bei Offenlegung Nachteile befürchten muss. Dieses Signal der Anerkennung sei entlastend und führe zu einer starken Identifikation mit dem Betrieb. Beschäftigten sei zudem klar, welche Wertorientierung ihrem Handeln zugrunde liegen soll, und sie handeln dann auch entsprechend. Nach außen wirke das gesellschaftspolitische Engagement als Aushängeschild und Legitimation. Manche Menschen, die über lange Zeit immer wieder Absagen auf Wohnungsbewerbungen erhalten, vermuten, dass sie diskriminiert werden. In diesen Fällen sei es für das Unternehmen hilfreich, darauf verweisen zu können, dass die wbg und ihre Mitarbeiter*innen eine offene Haltung haben und Vielfalt in den Beständen schätzen. Ein weiterer positiver Effekt sei, dass das Unternehmen als Arbeitgeber für die dringend benötigten Fachkräfte attraktiver ist.
Durch die aktive Beteiligung am Bündnis gegen Rechtsextremismus sendet die wbg an Mieter*innen die Botschaft aus, dass das Unternehmen Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund der Herkunft und aus anderen Gründen nicht akzeptiert. Diese Botschaft sei wichtig, so Robert Schumbrutzki, der lange im Konfliktmanagement gearbeitet hat, da es immer wieder in den Quartieren kulturell aufgeladene Auseinandersetzungen gebe, in die steuernd eingegriffen werden müsse. In solchen Konflikten seien für die Zuständigen die klare Positionierung des Unternehmens und die Unterstützung der Geschäftsführung wichtig. Aber natürlich seien nicht alle Beschäftigten immer einer Meinung zu solchen Wertefragen. Hier versuche das Unternehmen den Mitarbeiter*innen beizubringen, eigene Haltungen zu hinterfragen.
Ein Gelingensfaktor für das Engagement sei die besondere Kultur im Unternehmen, die stark von der Führungsebene geprägt sei. Auch spiele eine Rolle, dass Nürnberg sich als Stadt der Menschenrechte und des Friedens versteht.
Im März 2021 erhielt die wbg den Nürnberger Preis für diskriminierungsfreie Unternehmenskultur 2020. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die wbg ihren sozialpolitischen Auftrag beispielhaft umsetze, indem sie „das elementare Menschenrecht auf Wohnen zur Leitlinie ihres Handelns“ nehme. Dies, so heißt es weiter, zeige sich „in einem umfassenden, weit über das normale Agieren eines sozialen Wohnungsbauunternehmens hinausgehenden Engagements“.
Für die wbg ist der Preis eine Würdigung der Summe der Aktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten. Er wird aber auch – so der Betriebsratsvorsitzende – als mahnender Auftrag für die Zukunft verstanden.
Einbettung der Maßnahme
Die wbg bietet vielfältige Wohnformen für eine diverse Mieter*innenschaft an. Neben barrierefreien und pflegefreundlichen Wohnungen gibt es zum Beispiel ein Wohnprojekt von Alleinerziehenden (FRIDA), ein Wohnprojekt von alleinstehenden älteren Frauen (OLGA), ein Projekt Wohnen in allen Lebensphasen mit senioren- und teils behindertengerechte Wohnungen und Gemeinschaftsräumen sowie ein Projekt frauenfreundliches Wohnen. Besonderer Wert wird im Unternehmen auf Unterstützungsangebote für Senior* innen gelegt. Die mittlerweile fünf von der wbg finanziell geförderten und von Wohlfahrtsverbänden betriebenen SIGENA Nachbarschaftstreffs in den Quartieren bieten Unterstützung und soziale Anbindung. Eine Beraterin für behindertengerechtes und barrierefreies Wohnen steht zur Verfügung. In den Kundenzentren in den Quartieren können Menschen, für die der digitale Vermietungsprozess eine Barriere darstellt, Beratung und (auch technische) Unterstützung für Wohnungsbewerbungen bekommen. Die wbg legt ebenfalls Wert auf niedrigschwellige Information und Kommunikation mit den (potenziellen) Mieter* innen. So können sich Bewerber*innen im Vermietungsportal auf 13 Sprachen als Wohnungssuchende registrieren. Zudem liegen fünf der Broschüren für Mieter*innen in vier Sprachen vor. Aktuell stellt die wbg der Kommune für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Wohnraum zur Verfügung. Eine Vereinbarung mit dem Sozialamt regelt die Quote der Mieter*innen mit WBS-Berechtigung (vergleiche Senat Berlin und landeseigene Wohnungsunternehmen). Intern durchläuft die wbg seit einigen Jahren einen Modernisierungsprozess unter der Überschrift „werteorientierte Unternehmenskultur“, in dessen Kontext ein Leitbild entwickelt wurde und Hierarchien und Einheiten übergreifend Mitarbeiter*innen in Workshops sich über die Werte des Unternehmens verständigen. Regelmäßig führt die wbg Schulungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz durch.
Tipps für die Übertragung
Das gesellschaftspolitische Engagement der wbg kann von anderen Wohnungsunternehmen ähnlich umgesetzt werden, da sind sich die Befragten einig. Grundvoraussetzung sei dabei, so der Betriebsratsvorsitzende Robert Schumbrutzki, dass die Geschäftsführung dies aktiv fördert und das Potenzial einer klaren nach außen kommunizierten Haltung gegen Ausgrenzung und Diskriminierung für das Unternehmen sieht. Glaubwürdig könne aber, so Robert Schumbrutzki, ein Unternehmen nur nach außen treten, wenn auch die vertretene Werthaltung intern konsequent umgesetzt werde. Voraussetzung sei daher, dass es betriebsintern auch eine aktive Auseinandersetzung über Werte gibt. Diese müsse gewollt sein und gefördert werden.
