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XENION, psychosoziale Hilfen für politische Verfolgte e. V. und
Stiftung trias
Sondervermögen ANKOMMEN UND BLEIBEN – Wohnen für Geflüchtete

Die Zugangsmöglichkeiten für Geflüchtete zu Wohnraum werden erleichtert durch einen stiftungsbasierten Fonds für kapitalintensive Einlagen bei genossenschaftlich organisierten Gemeinschaftsprojekten.

Art des Wohnungsmarktakteurs:
Stiftung
Diskriminierungsmerkmale:
Ethnische Herkunft / Rassismus, Familiengröße, Fluchthintergrund, Sozioökonomischer Status
Durchführung:
seit 2002
Weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung im Wohnungswesen:

Stiftung trias über allgemeine finanzielle und ideelle Förderung von Wohnprojekten, XENION über die Beratung von Geflüchteten zu Wohnraumfragen und die Begleitung von Wohnprojekten

Kontakt

XENION: Bea Fünfrocken - Beraterin und zuständig für die Akquise von Wohnraum für Geflüchtete E-Mail: wohnen@xenion.org Telefon: 0179 13 56 751 Stiftung trias: David Matthée - Vorstand und zuständig für Projektentwicklung und Vermögensanlage E-Mail: david.matthee@stiftung-trias.de Telefon: 02324 5 69 70 0

Angaben zum Wohnungsmarktakteur

XENION e. V. besteht seit 1986 als psychosoziales Behandlungszentrum für traumatisierte Geflüchtete sowie Opfer von Folter, Krieg und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen und ihre Angehörigen. Die Menschenrechtsorganisation bietet in Berlin geflüchteten Menschen Schutz, professionelle psychotherapeutische Hilfe, soziale Beratung und Begleitung. Ein Schwerpunkt ist seit 2016 das vom Land Berlin geförderte Projekt Wohnraum für Geflüchtete.

Die Stiftung trias ist eine gemeinnützige Bürgerstiftung für die Themen Boden, Ökologie und Wohnen, die 2002 gegründet wurde. Sie investiert in Grundstücke und Gebäude, entzieht diese so der Spekulation und führt Grundstücke mittels Erbbaurecht einer sozialen und ökologischen Nutzung zu. Schwerpunkt der Arbeit ist die Unterstützung gemeinschaftlicher Wohnprojekte. Stifter*innen können die Arbeit der Stiftung insgesamt oder über Sondervermögen bestimmte Vorhaben gezielt unterstützen.

Ausgangslage und Motivation

Bea Fünfrocken von XENION zufolge ist eine eigene angemessene Wohnung eine zentrale Voraussetzung, um als Geflüchtete*r die vielen weiteren Herausforderungen eines neuen Lebens in Deutschland bewältigen zu können. Zugleich ist der Zugang zu Wohnraum für Geflüchtete aufgrund von geringen finanziellen Mitteln und Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt stark eingeschränkt. Geflüchtete im Asylverfahren haben zudem in der Regel keinen Anspruch, in Sozialwohnungen einzuziehen, und die vom Preisniveau vielfach angemessenen Wohnungen im Bestand von Wohnungsgenossenschaften sind für Geflüchtete häufig nicht verfügbar, weil sie nur Mitgliedern zur Verfügung stehen und in der Regel bei der Vergabe die Dauer der Mitgliedschaft zählt.

In Städten wie Berlin mit einem extrem angespannten Wohnungsmarkt warten Geflüchtete daher teils sehr lange, bevor sie aus Gemeinschaftsunterkünften ausziehen und sich in einer eigenen Wohnung und im nachbarschaftlichen Umfeld einleben können. Familien finden besonders schwer Wohnungen. Ein wichtiges Ziel des Wohnraumprojekts von XENION ist daher, möglichst viele Wohnungen für geflüchtete Menschen zu akquirieren. Die Mitarbeiter*innen nahmen deshalb zu kommunalen, privaten und genossenschaftlichen Wohnungsanbietern Kontakt auf und erfragten die Bereitschaft, an Geflüchtete Wohnraum zu vermieten. Positive Rückmeldungen erhielt XENION vor allem von Initiativen für genossenschaftlich organisierten Gemeinschaftswohnprojekten (vergleiche Am Ostseeplatz eG Seite 71). Einige dieser Neubauprojekte hatten das Interesse, die Bewohner*innenstruktur vielfältiger zu gestalten und auch auf dem Wohnungsmarkt Benachteiligten wie zum Beispiel Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Besonders attraktiv daran war für XENION, dass solche Gemeinschaftswohnprojekte Geflüchteten die Chance bieten, in sozialintegrativem und mutmaßlich diskriminierungsarmem Kontext zu wohnen.

Aufgrund der hohen Kosten müssen allerdings die zukünftigen Bewohner*innen solcher Wohnprojekte einen hohen Eigenanteil aufbringen. Diese wohnungsbezogenen Genossenschaftseinlagen beziehungsweise Eigenkapitalbeteiligungen können je nach Größe zwischen 15.000 bis 80.000 Euro pro Wohnung liegen. Sie sind die Voraussetzung für die Kreditaufnahme bei Banken und werden bei Auszug zurückgezahlt. Der Einzug von Geflüchteten ist häufig aufgrund der Höhe dieser Eigenanteile nicht möglich, Geflüchtete selbst haben die Mittel in der Regel nicht und Einlagen in dieser Höhe werden nicht von Sozialleistungsträgern übernommen. Auch eine Kreditaufnahme bei einer Bank ist nicht möglich, da Kreditwürdigkeit vorausgesetzt wird und zudem Darlehen während der Dauer des Aufenthalts zurückgezahlt werden müssen – was bei den genannten Summen und befristeten Aufenthaltstiteln nicht möglich ist. XENION suchte daher nach Möglichkeiten, diese Hürde für Geflüchtete durch eine Finanzierung der Eigenanteile aus anderer Quelle abzubauen.

Mit der Stiftung trias fand XENION für dieses Vorhaben einen Partner mit langjähriger Erfahrung in der Akquise und Anlage von Stiftungsgeldern für gemeinwohlorientierte Wohnprojekte. Für die Stiftung trias – so der Vorstand David Matthée – kam die Kooperationsanfrage von XENION „gerade recht“. Die Stiftung hatte bereits vorher das Ziel formuliert, verstärkt auch Menschen, die nicht die finanziellen Möglichkeiten dafür haben, die Teilhabe an Wohnprojekten zu ermöglichen. Eine Kooperation wurde als gute Möglichkeit gesehen, die Bewohner*innenstruktur der Wohnprojekte der Stiftung trias vielfältiger und weniger „mittelschichtslastig“ aufzustellen.

Maßnahmenbeschreibung

2019 riefen XENION und die Stiftung trias das Projekt ANKOMMEN UND BLEIBEN – Wohnungen für Geflüchtete ins Leben. Über ein Sondervermögen der Stiftung werden erforderliche Einlagen für Wohnungen in Gemeinschaftswohnprojekten eingezahlt, die einen Teil des Wohnraums für Geflüchtete zur Verfügung stellen und diese beteiligen wollen. Ein Sondervermögen ist ein separat geführtes Konto der Stiftung, auf dem Mittel für einen vorher definierten Zweck gesammelt werden. Zwischen XENION und der Stiftung trias wurde über die Errichtung des Sondervermögens ein Vertrag abgeschlossen, in welchem festgelegt ist, wie die Mittel eingesetzt werden. XENION legte den finanziellen Grundstock für das Sondervermögen, das dann durch Zustiftungen aufgestockt wird. XENION und die Stiftung trias entscheiden gemeinsam, für welche Projekte die Mittel im Fonds verwendet werden. Sie vereinbaren mit Genossenschaften oder anderen Wohnprojekten vertraglich, für welche Wohnung die Mittel eingesetzt werden. Diese sind nicht personengebunden. Bei Auszug der Bewohner*innen kann XENION neue Personen vorschlagen. Es soll den Geflüchteten, die in so finanzierte Wohnungen einziehen, im Anschluss ermöglicht werden, diese Anteile nach und nach zu übernehmen. Die Zeichnung der Anteile ist formal Teil der Vermögensanlage der Stiftung, dafür erhält die Stiftung trias Ausschüttungen, die aktuell bei etwa ein Prozent Zinsen liegen. Die Zinserträge werden innerhalb der satzungsgemäßen Zwecke der Stiftung trias für gemeinnützige Ziele eingesetzt. Über 30 Prozent der Erträge entscheidet die Stiftung trias frei, über die restlichen 70 Prozent der Erträge kann XENION Wünsche über die Verwendung äußern. Verwaltungskosten auf Seiten der Stiftung sind bereits bei der Ertragsaufstellung eingerechnet. Diese Konstruktion wird von der Stiftung trias als besonders gelungen gewertet, da bereits in der Vermögensanlage sinnvolle Projekte gefördert werden, die zugleich Erträge für den ideellen Bereich erwirtschaften.

Die ersten Genossenschaftseinlagen aus dem Sondervermögen wurden 2019 bei der Besser genossenschaftlich Wohnen von 2016 eG gezeichnet (https://www.begeno16.de/), um XENION e. V. die Belegungsanwartschaften für mehrere Wohnungen für Geflüchtete im Neubauprojekt QuartierWIR in Berlin-Weißensee zu garantieren. So konnten im Januar 2020 vier Familien und sieben Einzelpersonen in eine eigene Wohnung ziehen. Mit zwei weiteren Gemeinschaftswohnprojekten bestehen Kooperationen zur Nutzung des Sondervermögens. In den Gemeinschaftswohnprojekten Wohnkunst in Biesenthal eG im Landkreis Barnim und Kumi 13 e. V. in Berlin wird jeweils eine Wohnung für eine geflüchtete Familie zur Verfügung gestellt.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Dass die Idee des Sondervermögens funktioniert, so David Matthée von der Stiftung trias, zeige sich daran, dass Wohnprojekte Wohnungen zur Verfügung stellen, Menschen Zustiftungen vornehmen und das Sondervermögen annehmen. Konkret könne jetzt das dritte Wohnprojekt gefördert werden und es bestehe weitere Nachfrage. Aus Sicht von XENION ist das Sondervermögen innovativ, weil es unabhängig von staatlicher Unterstützung geflüchteten Menschen auch mit prekärem Aufenthaltsstatus Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten finanziert. Bea Fünfrocken betont, wie wichtig die soziale Integration in den Wohnprojekten ist und warum es nicht nur um Wohnraum gehe. So sei es für viele der Geflüchteten ein großer Gewinn, in einem Haus zu wohnen, in dem sich die Nachbar*innen kennen, wo es Gemeinschaftsräume und Treffen gibt sowie Gelegenheiten für alltägliche positive soziale Kontakte.

Aus Sicht der beiden Partner ist die Kooperation der Stiftung trias mit XENION auch deshalb so erfolgreich, weil die Partner besondere Kompetenzen mitbringen, die sich gut ergänzen. Die Stiftung trias verfügt über Kompetenzen im Einwerben und Einsetzen von Stiftungsgeldern und hat über 20 Jahre das Vertrauen von Stifter*innen erworben. XENION verfügt über spezifische Kompetenzen in der Arbeit mit den Geflüchteten und den Wohnprojekten und nimmt dabei eine Brückenfunktion ein.

Einbettung der Maßnahme

Die Aktivitäten von XENION, Geflüchtete zu unterstützen, sind vielfältig. Sie zielen insgesamt darauf ab, durch positive Maßnahmen Benachteiligungen für diese Gruppe zu verringern. Mit dem Projekt Wohnraum für Geflüchtete legt XENION einen expliziten Schwerpunkt auf den Zugang zum Wohnen. Die drei Mitarbeiter*innen akquirieren Wohnraum für Geflüchtete, beraten Geflüchtete und Vermieter*innen, schaffen durch Kooperationen Voraussetzungen für einen erleichterten Zugang zu Wohnprojekten, begleiten bei der Aufnahme des Mietverhältnisses, beim Einzug und bleiben auch nach Bezug einer Wohnung für alle Beteiligten ansprechbar. Neben der Beteiligung am Sondervermögen bittet XENION auch darum, zweckgebundene Anteile als direkte Unterstützung für Geflüchtete zu zeichnen. Ein wichtiger Bestandteil der Kooperation zwischen XENION und den Wohnprojekten ist die Einbeziehung der zukünftigen Bewohner*innen in den Planungsprozess (vergleiche Am Ostseeplatz eG).

Die Stiftung trias fördert selbstorganisiertes und gemeinschaftliches Wohnen und regt dabei Vielfalt und Teilhabe an, zum Beispiel unterstützt sie Bauprojekte auch dabei, inklusive WGs mit zu planen. Zudem gibt es in der Stiftung weitere Sondervermögen, die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Gruppen zugutekommen, so zum Beispiel eine Stiftung, die gezielt Wohnen zu bezahlbaren Mieten in München ermöglicht. Als Förderer von Wohnprojekten betreibt die Stiftung trias das Wohnprojekte-Portal (https://www.wohnprojekte-portal.de), welches es ermöglicht, bundesweit Wohnprojekte zu recherchieren und gezielt nach Initiativen oder Mitstreiter*innen zu suchen. Dabei arbeitet die Stiftung auch mit WOHN:SINN zusammen (vergleiche WOHN:SINN).

Tipps für die Übertragung

Aus Sicht der Koordinatorin Bea Fünfrocken von XENION und von David Matthée der Stiftung trias ist das Sondervermögen sowohl übertragbar als auch übertragenswert. Der Vorstand der Stiftung trias David Matthée sieht dabei verschiedene Möglichkeiten. Das Interesse der Wohnprojekte daran, Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sei gegeben und mit dem wachsenden Bedarf an Wohnungen für geflüchtete Menschen im Zuge des Ukrainekriegs erneut deutlich gestiegen. Daher sei eine Ausweitung grundsätzlich denkbar, hänge aber davon ab, ob Stifter*innen Geld dafür zur Verfügung zu stellen. Das aktuelle Sondervermögen sei für die Kooperation mit XENION entwickelt worden, allerdings könne es erweitert oder umstrukturiert werden. Denkbar sei zudem, die Mittel des Sondervermögens auch für andere kapitalintensive Zugangsvoraussetzungen zu Wohnraum zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel den Kauf von Eigentumswohnungen. Auch im Hinblick auf Zielgruppen sieht David Matthée Ausweitungspotenzial, da sich auch für viele andere Benachteiligte ähnliche Hürden beim Zugang zu Wohnprojekten stellen. Um es mehr Personen zu ermöglichen, von einem solchen Modell zu profitieren, wäre eine Beteiligung der öffentlichen Hand an solchen Fonds zu erwägen. Die Grundkonstruktion des Sondervermögens könnte für einen anders und größer gedachten Fonds ein Modell sein. Aus Sicht von Bea Fünfrocken von XENION ist das Sondervermögen eine gute Form, Gelder für kapitalintensive Zugangsvoraussetzungen für Wohnungen für Geflüchtete zu akquirieren, andere Modelle sind denkbar, so zum Beispiel in Fällen, wenn Wohnungseigentümer*innen ihre Wohnung verkaufen wollen und sich wünschen, dass Geflüchtete dort einziehen.

Die offiziellen von XENION und Stiftung trias