Neue Studie belegt erheblichen Nachholbedarf bei Beratung gegen Diskriminierung 12.10.2022
Ataman: „Wir brauchen eine flächendeckende Antidiskriminierungsberatung, um Betroffene nicht länger allein zu lassen.“
Bundesweit mangelt es an Beratungsstellen für Menschen, die Diskriminierung erleben. Das zeigt die Studie „Gut beraten! Auf dem Weg zu einer flächendeckenden Antidiskriminierungsberatung in Deutschland“ im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am morgigen Donnerstag in Berlin im Rahmen einer Fachtagung vorgestellt wird. Demnach gibt es in der Summe bundesweit weniger als 100 Vollzeitstellen für Antidiskriminierungsberatung – im Durchschnitt kommt damit nur ein*e Berater*in auf mehr als 920.000 Einwohner*innen.
„Den größten Anteil an der Beratung leisten kleine, nicht-staatliche Stellen, die oft unterfinanziert und ohne langfristige Perspektive arbeiten“
, erklärte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. Drei von vier Beratungsstellen beschreiben ihre Finanzierung laut Studie als nicht ausreichend. Nur eine von zehn Stellen kann mit einer Perspektive von mehr als zwei Jahren planen.
„Zugleich steigen die Anfragen deutschlandweit seit Jahren an. Es ist ein gutes Zeichen für gesellschaftlichen Fortschritt, wenn Menschen Benachteiligungen nicht hinnehmen wollen. Sie brauchen aber Anlaufstellen und Unterstützung“
, sagte Ataman. Dafür sei es wichtig, ausreichend Beratungsstellen vor Ort zu haben: „Sie haben das Vertrauen der Menschen und können ihre lokalen Kontakte nutzen.“
Auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes steigen die Anfragen derzeit massiv. Die Beratungsanfragen haben sich seit dem Sommer 2022 zeitweise mehr als verdoppelt. Das Servicebüro kann nicht mehr jeden Anruf annehmen, die Antwortzeit verlängert sich zeitweise auf bis zu vier Wochen. „Das ist keine Situation, mit der wir uns abfinden wollen“
, sagte Ataman. „Gute Beratung braucht Zeit, und sie braucht genügend qualifizierte Mitarbeiter*innen, die Ratsuchenden effektiv helfen.“
Die vorgelegte Studie legt erstmals ein detailliertes Konzept darüber vor, wie eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung in Deutschland ausgestattet sein muss. Dazu gehören eine verlässliche Finanzierung und eine Qualitätssicherung der Beratung. Die Autor*innen stellen einen Bedarf von einer Vollzeit-Berater*innenstelle auf 200.000 Einwohner*innen fest, das entspricht bundesweit mindestens 400 Vollzeitstellen. Dabei sollte ein wohnortnahes Beratungsangebot möglich sein – bisher sind viele Stellen vor allem in den größeren Städten angesiedelt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes setzt sich daher dafür ein, die Mittel für Beratungsstellen bundesweit wie in der Studie vorgeschlagen aufzustocken.
Dabei müsse dafür gesorgt werden, dass die Stellen auch in Flächenländern gut erreichbar seien und kein Stadt-Land-Gefälle entstehe.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt außerdem, in allen Bundesländern eine Landes-Antidiskriminierungsstelle einzurichten – bisher haben nur neun Länder eine solche Stelle.
Anlässlich der Fachtagung wird auch die Studie „Mindeststandards zur Dokumentation von Antidiskriminierungsberatung" vorgestellt. Die Autor*innen entwickeln ein Konzept, um Beschwerde- und Beratungsfälle einheitlich so zu dokumentieren, um ein besseres Lagebild von Diskriminierung in Deutschland zu ermöglichen.
Zur Studie „Mindeststandards zur Dokumentation von Antidiskriminierungsberatung"