Antidiskriminierungsbeauftragte legt Grundlagenpapier zur AGG-Reform vor 19.07.2023
- Ataman: Deutschland hat eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa
- Schutz vor Diskriminierungen soll verbessert werden und künftig auch wegen der Staatsangehörigkeit, wegen Fürsorgeverantwortung und wegen des sozialen Status gelten
- Klagemöglichkeiten sollen durch Verbandsklagerecht und Verlängerung der Fristen deutlich erleichtert werden
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, will Menschen in Deutschland besser vor Diskriminierung schützen. Dazu legte Ataman am Mittwoch in Berlin ein Papier mit Vorschlägen für die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor. Das Papier soll die Grundlage für die AGG-Reform darstellen, die von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag angekündigt würde.
„Deutschland hat eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa. Seit der Einführung des AGG im Jahr 2006 gab es keine Verbesserungen beim Diskriminierungsschutz“
, sagte Ataman. Es sei an der Zeit, dass Deutschland ein Antidiskriminierungsrecht bekomme, das modernen und europäischen Standards entspreche. „Ich habe das Grundlagenpapier zur AGG-Reform an den Bundesminister der Justiz übersandt und gehe davon aus, dass die dort aufgeführten Punkte maßgeblich für die anstehende Reform sein werden“
, ergänzte Ataman.
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung „Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten“. Zu diesen Einzelpunkten legte die Antidiskriminierungsbeauftragte nun konkrete Vorschläge vor.
So will sie erstens die Diskriminierungsmerkmale in § 1 AGG erweitern. Bislang heißt es dort: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Ataman will die genannten Merkmale künftig um „Staatsangehörigkeit“, „sozialer Status“ und „familiäre Fürsorgeverantwortung“ erweitern. Zudem soll die veraltete Formulierung „aus Gründen der Rasse“ ersetzt werden durch „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“.
Zweitens soll der Anwendungsbereich in § 2 AGG auf staatliches Handeln des Bundes ausgeweitet werden. Bisher regelt das AGG nur Diskriminierungen im Arbeitsleben und bei so genannten Massengeschäften in der Privatwirtschaft. „Der Staat ist ein Vorbild. Es kann nicht sein, dass an ein Wirtschaftsunternehmen oder an einen Supermarkt höhere Maßstäbe angelegt werden als an Ämter, die Polizei oder die Justiz“
, sagte Ataman.
Drittens sollen die Klagemöglichkeiten für Betroffene deutlich vereinfacht werden. Dazu sollen ein Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände sowie eine Klagemöglichkeit für die Antidiskriminierungsstelle geschaffen werden. Außerdem plädiert die Unabhängige Bundesbeauftragte für eine deutliche Verlängerung der Fristen, in denen Menschen Ansprüche wegen Diskriminierungen geltend machen können, auf künftig 12 Monate. „Das AGG macht es Menschen, die Diskriminierung erleben, schwer, dagegen vorzugehen und sich zu wehren “, sagte Ataman. „Gerichtsverfahren sind oft langwierig und teuer und Menschen müssen die Kosten und Risiken alleine tragen. Mit besseren Klagemöglichkeiten, wie wir sie vorschlagen, läge die Last des Prozesses nicht mehr allein bei den Betroffenen.“
Ataman schlägt im Grundlagenpapier insgesamt 19 Maßnahmen vor. Dazu zählen beispielsweise auch ein Verbot für diskriminierende Wohnungsanzeigen, die Ausweitung des Schutzes vor sexueller Belästigung auf den zivilrechtlichen Bereich oder für Freiberufler, der zum Beispiel in der Kultur- und Medienbranche mehr Menschen vor Diskriminierungen schützen würde.